Weikersheim/Tauber-Odenwald. Dass in Zeiten des Wahlkampfs das ein oder andere Plakat in Mitleidenschaft gezogen wird, ist nichts Neues. Doch derart massiv, wie dies jüngst in Weikersheim geschah, dürften die Beschädigungen von Wahlplakaten nur selten ausfallen. „Volksverrat“ prangt in großen schwarzen Lettern quer über den großen Wahlplakaten von CDU, Grünen und FDP, die unweit der Tauberbrücke stehen. Und damit nicht genug. Auf einem Verteilerkasten unweit der Plakate findet sich die rechtsextreme Parole „SS 1488“. Während die Bedeutung der Buchstaben „SS“ klar sein dürfte, handelt es sich bei der „1488“ um einen Zahlencode mit verschiedenen Entsprechungen in der deutschen Neonazi-Szene. An ein Schild, auf dem über die Gottesdienstzeiten informiert wird, wurde sogar ein Hakenkreuz angebracht.
Diese Schmierereien sind auch mehreren Lesern aufgefallen, die sich an die Fränkischen Nachrichten wandten. „Ich bin polnischer Herkunft und solche Schilder [...] stören mich sehr“, schreibt einer. „Besorgt“ zeigt sich ein Weikersheimer über die Parolen an „prominenter Stelle“. Eine Weikersheimerin steht sichtlich irritiert vor dem beschmierten Verteilerkasten. „Das ist ja verrückt und sowas ausgerechnet bei uns in Weikersheim“, empört sie sich.
Bei einem Rundgang vor Ort fallen die Schmierereien sofort auf. Während das Hakenkreuz bereits wieder entfernt war, sind die anderen Parolen noch gut sichtbar. Doch nicht nur die rechtsextremen Codes sind zu sehen. Folgt man dem Fußweg an der Tauber Richtung Tauberphilharmonie, finden sich dort neben vereinzelten Schmierereien in schwarzer Farbe auch zahlreiche Statements gegen Rechts mit Kreide auf den Boden geschrieben. „Geh wählen“, „Nazis raus“ und auch Anti-AfD-Slogans finden sich da in großer Zahl.
Die Stadt zeigt sich schockiert von den rechten Schmierereien. „Als offene und tolerante Stadt trifft uns eine solche Tat besonders hart. Weikersheim ist bekannt für seine Weltoffenheit und das gute gesellschaftliche Miteinander“, erklärt Bürgermeister Nick Schuppert auf FN-Anfrage. Er sei froh über das schnelle Handeln der Polizei, die umgehend Ermittlungen eingeleitet habe. Diese Ermittlungen sind allerdings auch der Grund, weshalb die Schmierereien noch etwas länger stehen bleiben mussten. „Die [...] Schmierereien mussten aus ermittlungstaktischen Gründen noch bis Montag verbleiben“, führte der Bürgermeister aus. Das Hakenkreuz an der Infotafel wurde „aus privatem Engagement heraus“ ebenso entfernt wie Schmierereien auf der Straße und den Gehwegen, die der Bauhof unmittelbar beseitigt habe.
Seit Januar 33 polizeibekannte Taten in der Region Tauber-Odenwald
Wie die Polizei Heilbronn mitteilt, kam es in Weikersheim an insgesamt zwölf verschiedenen Orten zu Schmierereien mit einem Gesamtschaden von rund 5.000 Euro. „Die Polizei erfasst diese allerdings als eine Tat, da ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang vorliegt“, so ein Sprecher. In der Region Tauber-Odenwald kam es seit Januar zu 33 polizeibekannten Taten, bei welchen Wahlplakate beschädigt wurden. „Dabei ist zu erwähnen, dass dies nicht die Anzahl an beschädigten Wahlplakaten ist. Die Polizei fasst die Taten, welche räumlich und zeitlich zusammen passen, in ein Delikt zusammen“, erklärt der Polizeisprecher weiter.
In Weikersheim werde nun wegen „politisch motivierter Sachbeschädigungen“ ermittelt. Gerüchte, wonach der Staatsschutz in der Sache ermittle, verneint die Polizei in Heilbronn: „Dies kann ich nicht bestätigen. Bei den Taten in Weikersheim ermittelt der Polizeiposten Weikersheim. Grundsätzlich unterliegen solche Fälle aber einer Einzelfallentscheidung und werden alle gesondert eingeschätzt. Allerdings wird in allen Fällen der Staatsschutz über die Fälle in Kenntnis gesetzt.“
Inwiefern die Beschädigungen an Wahlplakaten in diesem Jahr im Vergleich zu vergangenen Wahlkämpfen zugenommen haben, kann die Polizei auf Nachfrage nicht beantworten. Zwar sei ein grundsätzlicher Anstieg in Wahlkampfzeiten zu beobachten, spezielle Aussagen seien aber nicht möglich, da „uns eine Statistik zu dieser Thematik leider nicht vorliegt.“ Es seien alle Parteien von solchen Beschädigungen betroffen, „eine Häufung bei bestimmten Parteien ist nicht ersichtlich.“
Demo für Demokratie angekündigt
Ob sich für den Fall in Weikersheim Täter ermitteln lassen, bleibt offen. Nach den Einschätzungen zu Ermittlungserfolgen befragt, äußert sich die Pressestelle der Heilbronn eher pessimistisch: „Die meisten Taten bleiben ungeklärt, da die Täter meistens in der Nacht und verdeckt agieren. Die Polizei ist häufig auf Hinweise aus der Bevölkerung angewiesen, da es nur geringe Ermittlungsansätze gibt.“ Derartige Schmierereien sind in Weikersheim ohnehin kein allzu häufiges Phänomen. Laut Bürgermeister Schuppert habe es in seiner Amtszeit so etwas, insbesondere mit politischem Hintergrund, nicht gegeben. „Es gab 2022 eine Serie von Graffiti-Sprühereien in der Stadt, allerdings waren das ‚nur‘ Jugendstreiche und die Täter wurden von der Polizei ermittelt“, erinnert er sich.
Für Schuppert sind die Schmierereien Ausdruck eines größeren Problems. „Das Urproblem ist die Radikalisierung gewisser Menschen, die wir von unserer Demokratie als Staatsform der Basis überzeugen müssen. Das ist eine der zentralen Aufgaben der Politik, denn die große Unzufriedenheit und Enttäuschung mit dem Staat und den Verantwortlichen ist ja kein Weikersheimer Problem und zeigt sich gerade in der gesamten Raumschaft“, sagt der Verwaltungschef. Er versuche, seinen Teil zur politischen Willensbildung beizutragen und erkläre Schulklassen im Rathaus den demokratischen Aufbau des Landes und „was Stadtpolitik hier direkt vor Ort alles bewirken kann und wofür die Stadt alles zuständig ist“.
Aus der Weikersheimer Bürgerschaft ist derweil ein „deutliches Zeichen“ angekündigt. Am kommenden Samstag, 15. Februar, soll eine „Demo für Demokratie und gegen den Rechtsruck“ stattfinden. Diese solle um 16.30 Uhr auf dem Weikersheimer Marktplatz starten und von dort aus in Richtung Tauberphilharmonie ziehen. Bürgermeister Nick Schuppert wird zu Beginn der Demonstration am Marktplatz sprechen, wie aus dem Rathaus zu erfahren ist.
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