Weikersheim. Aus manchem Minisaatkorn wächst ein großer Baum – und aus mancher Idee eine echte Institution. So lief es bei der „Bürgerinitiative Ferienfahrten Weikersheim e.V.“, die seit inzwischen glatt fünf Jahrzehnten den Sommer für den Weikersheimer Nachwuchs mit vielen Spiel-, Mitmach- und Erkundungsaktionen spannend und unterhaltsam gestaltet. Nein, einen Jubiläumsfestakt mit langen Reden wird‘s bei diesem runden Jubiläum nicht geben – statt dessen gibt‘s am 4. August ein großes Kinderfest mit Zauberer, Hüpfburg und Luftballonwettbewerb in und um die Tauberphilharmonie.
Das dürfte ganz im Sinn der Ideengeberin sein: Angelika Barth, damals Kunsterzieherin am Weikersheimer Gymnasium, gab den Anstoß. Unterstützung für ihre Idee, den Schülerinnen und Schülern in den Sommerferien sinnvolle und abwechslungsreiche Angebote zu machen, fand die vielfältig gesellschaftlich engagierte Lehrerin in Erika Thierauf - und in den Müttern und Großmüttern, die ihrem Nachwuchs neben Spiel und Abenteuer auch kulturelle Erfahrungen ermöglichen wollten.
1975 gab es das erste, damals nur ein paar Programmpunkte umfassende Ferienprogramm. In den Folgejahren fand sich in lockerem Zusammenschluss ein Helfer- und Betreuungsteam, das ab Ende der 70er Jahre als „Bürgerinitiative Weikersheimer Ferienfahrten“ firmierte und sich bereits zum 10jährigen Jubiläum über eine Auszeichnung im Landeswettbewerb kommunaler Bürgeraktionen freuen konnte.
Nächtliche Erkundungen bei Kerzenschein
Bürgermeister Horst Häfner hatte in seinem Begleitschreiben zur Bewerbung auf den hohen gesellschaftlichen Stellenwert der Bürgerinitiative verwiesen: Richtig erkannt worden sei bei der Gründung die Benachteiligung der Kinder und Jugendlichen im schwach strukturierten ländlichen Raum, eine Benachteiligung, der die Initiative „mit gezielten erzieherischen Aktivitäten, vor allem im kulturellen Bereich“ abhelfe.
Unter anderem erlebten die Kinder schon in den Anfangsjahren Theaterfahrten, Zoobesuche, eine Fahrt zum Frankfurter Flughafen oder eine Dampfertour auf dem Main. Doch nicht nur die Ferne hatte etwas zu bieten: Das Schloss lockte mit nächtlichen Erkundungen bei Kerzenschein, die Jeunesses Musicales mit Besuchen von Oper und Musical. Uneingeschränkt konnte Häfner die Auszeichnung der „von der gesamten Bevölkerung für gut geheißenen Institution auf kommunaler Ebene“ befürworten.
Dass die Eltern ihre Kinder den ehrenamtlichen Helfern dank perfekter Organisation bedenkenlos anvertrauten, dürfte bereits Häfners Vorgänger Kurt Hirsch geschätzt haben, ebenso wie Häfners Nachfolger Klaus Kornberger und Nick Schuppert, die die Programme nicht nur als Schirmherren unterstützen. Schuppert etwa ist bei der diesjährigen Eröffnungsveranstaltung mit den Kids im Freizeitpark Tripsdrill unterwegs.
Zum eingetragenen Verein mutierte die Initiative vor gut drei Jahrzehnten. Neue Finanzrichtlinien hatten die e.V.-Gründung erfordert – nicht gerade zur Freude aller Ehrenamtlichen. Mancher befürchtete, dass die neue Organisationsform mit amtlich genehmigter Satzung und Vereinsregularien in Bevormundung und Reglementierung münden könnte. Die Ausarbeitung der Satzung übernahm mit Unterstützung von Notar Helmut Schwarz der Mitgründer und dann über fast ein Viertel Jahrhundert als 1. Vorsitzender amtierende Karl Hermann Scheithe-Erhardt.
Die Angst vor Bevormundung erwies sich als unbegründet, das Pflänzchen „Bürgerinitiative Kinderferienfahrten Weikersheim e.V.“ gedieh munter weiter, die Ferienprogramme wuchsen: Aus dem runden Dutzend Angeboten in drei Ferienwochen wurden in den vergangenen drei Jahrzehnten weit über 50 Programmpunkte in allen sechs Ferienwochen. Möglich machen das mittlerweile rund 35 Aktive, die koordinieren, organisieren und betreuen.
Vereine, Schulen, die Kirche und Firmen steuern Programmpunkte bei: Fackeln basteln, Handlettering, Batiken und Brenneisen-Gestaltungen stehen etwa bei der Kraft zu Hohenlohe-Schule auf dem Programm, auch Firmen und Vereine laden zum Kennenlernen und Mitmachen ein. Nach längerer Pause ist auch die Feuerwehr wieder dabei – diesmal allerdings nicht mehr auf dem damals noch als Parkfläche genutzten Marktplatz, sondern jetzt auf dem Hartplatz beim Sportplatz; spannend dürfte die Nachtwanderung zur Sternwarte werden, Geschicklichkeit erfordern Technikbasteleien, die etwa CeraCon, Elektro Ulrich und Wittenstein anbieten. Heiß wird‘s beim Pizza backen in der Pizzeria, nicht ganz so heiß, aber ebenfalls spannend, wenn junge Bücherwürmer den Buchladen erkunden, im Apotheken-Labor eine Rezeptur hergestellt wird, in der Stadtbücherei ein Trickfilm entsteht oder die Jüngsten im Schloss gebannt und in perfekter Kulisse Märchenerzählerinnen lauschen.
Eilige Flucht von einem Wespenschwarm
Und dann gibt‘s natürlich Action und Spannung bei Spiel und Sport – und selbstverständlich Abenteuer draußen, etwa die Übernachtung in der Koboldburg im Wildpark Bad Mergentheim. Bis zu den Bavaria-Studios in München, in den Schwarzwald, in Höhlen und auf hohe Berge haben die Kinderferienfahrten in den vergangenen fünf Jahrzehnten den Weikersheimer Nachwuchs geführt – und mancher oder manche blieb der Initiative treu: Nicole Floeder etwa, die als Kind das Angebot mit Begeisterung nutzte und als Mutter ihren Jungs ähnliche Erlebnisse ermöglichen will, leitet inzwischen gemeinsam mit Katrin Jäger seit 2023 die Geschicke des Vereins. gern mit dabei war. Von Zeltplatz- und Reiseabenteuern können ihr Vorgänger im Vorstand Rudi Dengler – Vorsitzender bis 2022 – und Wolfgang Heiligers berichten. Trotz aller Abenteuer – eilige Flucht vor einem Wespenschwarm auf der Schwäbischen Alb, einer nicht ganz risikolosen Tauberquerung unter aufmerksamer Beobachtung durch die Wasserwacht und Blasen nach Wanderungen sei bis auf einen Armbruch im Umfeld einer Kletterpfadexkursion „nie etwas passiert“, berichten die beiden.
Längst setzen auch die Nachbargemeinden mit Unterstützung der Kommunen ihre Ferienprogramme auf. Aber nur in Weikersheim wird, wie die Vorsitzende Nicole Floeder berichtet, das komplette Programm ehrenamtlich gestaltet und durchgeführt. Und natürlich ist es für den Verein Ehrensache, mit dabei zu sein, wenn, wie bei der Kärwe, ganz Weikersheim auf den Beinen ist.
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