Tauberphilharmonie

Solidaritäts-Beleuchtung für ME/CFS- und Long Covid-Betroffene in Weikersheim

Von 
ibra
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Das blaue Licht, das aus der Tauberphilharmonie heraus leuchtet, soll ein Schlaglicht auf die Forschungs- und Versorgungsmängel bei Myalgischer Enzephalomyelitis aufmerksam machen und den an ME- und Long Covid erkrankten Menschen in der Region eine Stimme geben. © Inge Braune

Weikersheim. Durch die Fensterfront der Tauberphilharmonie strahlt blaues Licht in die Nacht. Blau? Intendant Johannes Mnich erklärt: „Die blau erleuchtete Tauberphilharmonie steht für die vielen an ME und Long Covid erkrankten Menschen in unserer Region. Sie sind Teil unserer Gesellschaft und es ist uns ein Anliegen, ihnen eine Stimme zu geben.“

Mit der Lichtaktion zum ME/CFS Awareness Day reiht sich das Konzerthaus in eine nach wie vor viel zu langsam wachsende Unterstützer-Szene ein, die sich mit Menschen solidarisiert, die in doppelter Hinsicht unsichtbar werden: Den Menschen, die von ME/CFS betroffen sind.

Der unhandliche Name der Erkrankung ist in der Langform noch unhandlicher: Es geht um die Myalgische Enzephalomyelitis, eine durch das Zentralsymptom der vereinfachend als Belastungsintoleranz beschreibbaren „Post-Exertional Malaise“ gekennzeichnete chronische und fortschreitende Multisystemerkrankung, die zwar nur selten tödlich ist, Betroffene aber über kurz oder lang regelrecht aus dem Leben kickt. Das „CFS“ hinterm Schrägstrich halten Betroffene für eine echte Verharmlosung: CFS steht für „Chronisches Fatigue Syndrom“. Nicht nur Laien, auch viele Ärzte meinen immer noch, der chronischen Kompletterschöpfung, Schwäche und Müdigkeit einfach mit aktivierenden Rehabilitationsmaßnahmen begegnen zu können – einer regelrechten Teufelskur für diese Krankheit, die sich schon bei geringster Anstrengung massiv verstärkt. Schwäche, Schwindel, Schlafstörungen, massive Muskel- und Gelenkschmerzen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit können sich beim „Crash“ nach Überlastung und im fortschreitenden Verlauf der Erkrankung bis zur kompletten Bewegungsunfähigkeit und letztlich einem Vegetieren in abgedunkelten und geräuschisolierten Zimmern steigern.

Die Lebensqualität der Betroffenen tendiert zum Nullpunkt; sie wird von Fachleuten als die allerniedrigste bei prinzipiell nicht tödlichen Krankheiten eingestuft. Weder sie noch die Betroffenen und ihre Angehörigen können verstehen, warum es angesichts der annähernd 400 000 Menschen, die allein in Deutschland wohl bereits vor der Covid-Pandemie an ME litten, kaum Forschungsmittel gibt.

Keine Medikamente

Therapien? Fehlanzeige. Zugelassene Medikamente gibt es ebenfalls nicht. Die Diagnose – in ganz Deutschland gibt es grade mal zwei Anlaufstellen für Betroffene, für ähnlich viele Patienten mit Multipler Sklerose stehen 200 Zentren und 16 Medikamente zur Verfügung – erfolgt oft erst nach jahrelangem Marathon durch Sprech- und Wartezimmer, in denen die Patienten längst nicht immer ernst genommen werden.

In der Regel sind es Viruserkrankungen, die die Krankheit auslösen, was im Gefolge der Corona-Pandemie die Zahlen der Betroffenen erneut ganz deutlich in die Höhe treiben dürfte. In seiner schweren Form entspricht „Long Covid“ der Myalgischen Enzephalomyelitis, doch Forschungsgelder, die jetzt für Long Covid zur Verfügung gestellt werden, lassen im Gerangel um Fördergelder erneut ME-Betroffene und die wenigen Spezialisten, die schon seit Jahren zu dieser schwersten Long Covid-Ausprägung forschen, im Regen stehen. Erst dieser Tage lehnte Manne Lucha, baden-württembergischer Minister für Soziales, Gesundheit und Integration die Forschungsförderung für ME/CFS und das ME/CFS-Konzept der Kinderklinik Offenburg ab – für Betroffene schlicht ein Skandal. Um so mehr freut sich Angela Müller, eine der im Main-Tauber-Kreis lebenden ME-Betroffenen, dass sich Tauberphilharmonie-Intendant Mnich mit der blauen Beleuchtung des Konzerthauses dafür stark macht, den „unsichtbaren“ ME-Erkrankten eine Stimme zu geben. ibra

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