Weikersheim. Es ist beschlossene Sache: Die Jahreshauptversammlung des Weikersheimer Gesangvereins Sängerbund Harmonie votierte auf Antrag des Ausschusses in offener Abstimmung einstimmig für die Abwicklung des Vereins. Noch im April soll der offizielle Beschluss über die Auflösung des stolze 186 Jahre zählenden Verein gefällt werden. Damit endet eine große Vereinsära.
Dass es sich bei der Jahreshauptversammlung nicht um eine „normale“ Jahreshauptversammlung handeln würde, hatte sich herumgesprochen. Entsprechend gedämpft war die Stimmung im Sängerkeller. Es fiel Anne Stirnkorb, die seit 2002 die Geschicke des Vereins als Vorsitzende leitet, sichtlich nicht leicht, diesen Schritt einzuleiten.
Sie ist seit 42 Jahren Mitglied des Vereins, gehört seit 1997 dem Vorstand an, dem sie zunächst zwei Jahre als Schriftführerin, dann weitere zwei Jahre als stellvertretende Vorsitzende und anschließend zwei Jahrzehnte als Vorsitzende jede Menge Einsatz widmete, wie ihr Stellvertreter Alfred Wehr im Rahmen seiner Ehrungsansprache nach der einstimmig erfolgten Wiederwahl des Vorstandsteams berichtete. Zahllose Veranstaltungen hatte sie organisiert, darunter das 2012 gefeierte 175-Jahr-Vereinsjubiläum und ab 2002 insgesamt neun Kooperationskonzerte mit der Weikersheimer Grundschule.
Als aktive Sängerin – ihr Sopran durfte bei keinem Konzert fehlen – wurde sie im Zehnjahrestakt 1988, 1998, 2008 und 2018 vom Sängerbund Harmonie, vom inzwischen als Chorverband Hohenlohe firmierenden Hohenloher Gau, dem Schwäbischen Sängerbund (heute Schwäbischer Chorverband) und vom Deutschen Chorverband mit Ehrennadeln und Urkunden ausgezeichnet.
Die Vorsitzende blickte auf ein nach wie vor durch die Pandemie geprägtes Vereinsjahr zurück: In der ersten Jahreshälfte dominierten Jubiläumsgratulationen und die Verabschiedung langjähriger Sängerinnen und Sänger die Vorstandsarbeit, den letzten Auftritt vor wirklich großem Publikum gab es bei der großen Chorverbandsveranstaltung „Singendes Hohenlohe-Franken“ im Juli.
Zum vorläufig letzten Mal waren die nur noch zehn Sängerinnen und Sänger des Gemischten Chors jetzt im Sängerkeller zu hören: Dirigentin Anna Leuser-Valls begleitete den im Keller immer noch voll und rund klingenden Abgesang „Amazing Grace“ am Klavier.
Den von Kassiererin Monika Öchsner vorgetragenen Kassenbericht lobte Rudolf Ott ausdrücklich. Er hatte die Kasse gemeinsam mit Josef Mauritz gründlich geprüft und „alles perfekt“ gefunden. Chorleiterin Anna Leuser-Valls machte in ihrem Jahresbericht kein Hehl aus ihrem Bedauern über die durch die Pandemie beschleunigte anstehende Auflösung des Vereins. Die Verbundenheit sei allenthalben in den letzten Jahren in größeren Orten mehr und mehr geschwunden. Das erlebe sie selbst beim Chor in ihrem rund 1330 entfernt gelegenen Heimatort, so die Dirigentin. Sie werde die Zusammenarbeit mit dem Sängerbund Harmonie, der „Teil meiner Familie geworden ist“, vermissen. Gern wird sie an die Singstunden im Sängerkeller, dem „besten Probenraum, den ich bisher in Deutschland kennen gelernt habe“, zurück denken.
„Es geht ein Stück Geschichte verloren“, leitete Gerhard Schwarz seinen Antrag auf Entlastung des Vorstandes ein. Einstimmig und ohne Enthaltungen erteilten die Sängerbund-Mitglieder dem Vorstand en bloc die Entlastung, ehe Anne Stirnkorb zunächst den Ausschussantrag für eine grundlegende Abstimmung über Fortbestand oder Abwicklung zur Abstimmung stellte. Das bestehende Vorstandsteam hatte sich im Vorfeld darauf verständigt, die Auflösung zu begleiten. Hätte der Verein sich grundsätzlich gegen die Abwicklung entschieden, wäre zumindest Anne Stirnkorb nicht mehr zu einer erneuten Kandidatur bereit gewesen.
Die Vorsitzende erläuterte die bei Auflösung erforderlichen Verfahrensschritte: Eine erste nur zum Zweck der Auflösung einzuberufende Hauptversammlung bedürfe zur Beschlussfähigkeit der Anwesenheit von 75 Prozent der Mitglieder – ein kaum stemmbares Quorum. Eine dann anzuberaumende zweite Versammlung mit demselben Zweck sei diese Versammlung ohne Mindestteilnehmerzahl beschlussfähig, so Stirnkorb, die auch den weiteren, noch ein volles Jahr dauernden Liquidationsprozess kurz skizzierte. Falls sich innerhalb dieser Frist doch noch ein Chor zusammenfinden würde, könnte der aktuell bereits ruhende Verein wieder aktiviert werden.
Sitzung am 12. April
Der Beschluss, die Vereinsauflösung anzugehen, fiel einstimmig. Die Termine für die voraussichtlich zwei Auflösungsversammlungen wurden auf Mittwoch, 12. April, und Montag, 24. April, festgelegt. Beide Versammlungen beginnen um 19 Uhr im Sängerkeller.
Bei den anschließend offen und en bloc unter der Leitung von Gerhard Schwarz durchgeführten Wahlen wurden Anne Stirnkorb als 1. Vorsitzende, Alfred Wehr als 2. Vorsitzender, Monika Öchsner als Kassier, Luise Wehr als Schriftführerin, Inge Urban als Beisitzerin sowie Rudolf Ott und Josef Mauritz als Kassenprüfer einstimmig bestätigt. Seinen Dank an Chorleiterin Anna Leuser-Valls und die langjährige Vorsitzende Anne Stirnkorb drückte der Verein im Rahmen der emotional geprägten Sitzung mit zahlreichen Umarmungen, Blumen, Gutscheinen für Kulturgenuss in der Tauberphilharmonie und persönlich gestalteten Geschenken aus. Einen weiteren Abschied gestalteten Rainer Ott und die Nassauer Sänger: Fast fünf Jahrzehnte funktionierte die Chorgemeinschaft aus Nassauer und Weikersheimer Sängern reibungslos, wie auch der Rückblick in Bildern dokumentierte.
Im Sängerkranz Nassau, dessen Singstunden auch weiter Anna Leuser-Valls leitet, dürfte am 27. April wohl das eine oder andere Tränchen verdrückt werden: Dann, nur ein paar Tage nach dem Sängerbund-Liquidationsbeschluss, jährt sich die erste gemeinsame Singstunde zum 50. Mal.
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