Seit Millionen von Jahren leben Igel auf der Erde. Doch möglicherweise nicht mehr lange, der Klimawandel macht den Tieren zu schaffen. Chris Kilimann aus Schäftersheim kümmert sich um kranke Igel.
Weikersheim. Dass die Igel einen großen Platz in Chris Kilimanns Leben einnehmen, ist noch eine Untertreibung. Sage und schreibe 35 geräumige Boxen mit Igeln stehen im Wohnzimmer der Schäftersheimerin und nehmen so in der Dachgeschosswohnung wortwörtlich mehr als nur einen großen Platz ein.
Doch nicht nur auf den ersten Blick, auch im Gespräch wird ihre große Leidenschaft für eines der wohl ältesten noch lebenden Säugetiere der Welt deutlich. Nicht nur für Igel, auch für Katzen und Vögel kann sich die Tierfreundin begeistern.
Vor zehn Jahren nahm die Igelrettung ihren Anfang, als sie ein Tier im eigenen Garten fand und sich dazu entschied, es zu versorgen. Mittlerweile hat sie so schon 500 Igel gerettet, die in teilweise extrem schlechtem Zustand zu ihr kamen.
Abgemagert und krank sind die meisten Igel, die zu ihr kommen. Vor allem der Befall mit sogenannten „Innen- und Außenparasiten“ stellt ein zunehmend größeres Problem für die kleinen Säugetiere dar. Allgemein wird die Situation für das nachtaktive Säugetier immer bedrohlicher. „Wir rotten den Igel aus, es wird immer schlimmer“, zieht die Tierschützerin ein dramatisches Resümee. Angesprochen darauf, was man als Laie im Umgang mit einem gefundenen Igel beachten solle, wird deutlich, dass man im Umgang mit den oft so robust aussehenden Stachelrücken viel falsch machen kann. „Wenn man einen Igel tagsüber sieht, ist er in 90 Prozent der Fälle krank. Igel sind nachtaktiv“, erklärt Chris Kilimann. Ein wichtiges Indiz für den Zustand des Igels ist unter anderem sein Gewicht. Durch das Stachelkleid sehen Igel oft schwerer aus, als sie tatsächlich sind. Hier wäre es im Falle eines Fundes also wichtig, das Tier vorsichtig zu wiegen, um so einen ersten Eindruck zu gewinnen. Während ausgewachsene Igel über 1500 Gramm wiegen können, sollte ein Jungtier bis Wintereinbruch mindestens 600 Gramm wiegen, um so in den Winterschlaf gehen zu können.
Immer häufiger unterschreiten die kleinen Insektenfresser diese Zahlen, der leichteste Igel in Chris Kilimanns Obhut brachte zum Zeitpunkt des Funds lediglich 33 Gramm auf die Waage. Ursache für die zu leichten Igel sind zunehmende Probleme bei der Futtersuche. „Durch den Insektenrückgang und die trockenen Sommer findet der Igel beispielsweise kaum noch Käfer in den oberen Erdschichten, weil diese zu trocken sind“, erklärt die Expertin.
Ein gesunder und wohlgenährter Igel weist eine Tropfenform auf, hat also nach hinten einen verbreiterten Körper. Ist dies nicht der Fall, kann ebenfalls von deutlicher Unterernährung oder Krankheit des Tieres ausgegangen werden. Auch an der Augenform können krankhafte Veränderungen festgestellt werden, ein Abweichen von der „Knopfform“ gilt hier als sicheres Anzeichen. In einem solchen Notfall dürfen die eigentlich unter Artenschutz stehenden Tiere aufgenommen und versorgt werden. Wichtig ist dann, vor einer Fütterung die Temperatur des Igels zu beachten. Ein unterkühlter Igel darf nicht gefüttert und muss erst bei Zimmertemperatur aufgewärmt werden, bevor er Nahrung zu sich nimmt.
Rührei sehr beliebt
Auch bei der Nahrung für den Igel als solche gibt es Fehler, die zu vermeiden sind. Zwar frisst ein Igel Schnecken und Würmer, hier droht jedoch die Gefahr von Parasiten, weshalb diese auch in menschlicher Obhut nicht verfüttert werden sollten.
Geeignet ist neben feuchtem Katzenfutter auch Rührei, um den hohen Proteinbedarf der Tiere zu decken. Ebenso wichtig ist es, für das Tier zusätzlich ein Schälchen mit Wasser aufzustellen, gerade wenn durch die trockene Witterung Wassermangel in der Natur herrscht.
Während ein flaches Schälchen mit Wasser ständig zur Verfügung stehen sollte, ist eine Fütterung täglich gegen Abend ausreichend, wobei die Säugetiere bis zu 150 Gramm fressen können. Auch in menschlicher Obhut muss dem Igel die Möglichkeit gegeben werden, in einem Außengehege Winterschlaf zu halten. Dabei ist die Umgebungstemperatur ausschlaggebend und je nach Witterung kann er dann im April oder Mai zurück in die Freiheit.Berücksichtigt man diese Aspekte, steigen die Erfolgschancen bei der Igelpflege deutlich. Kritisch sind laut Expertin Kilimann vor allem die ersten drei bis fünf Tage, danach verbessert sich die Prognose für die kleinen Säugetiere. Dass die Zahl hilfsbedürftiger Igel in den vergangenen Jahren stetig angestiegen ist, beschäftigt Artenschützerin Chris Kilimann.
Dabei gibt es einige Dinge, die der Mensch tun könnte, um die Situation für die Tiere deutlich zu verbessern. „Ein Garten muss wieder aussehen wie ein Garten“, kritisiert Kilimann den Trend zu immer stärker aufgeräumten Gärten ohne herumliegendes Laub oder insektenfreundliche Sträucher. Je lebensfeindlicher ein Garten für Insekten sei, umso schwerer habe es auch der Igel, der dann kaum noch Nahrung finden kann. Darüber hinaus stellen Rasenroboter und Motorsensen ein lebensbedrohliches Problem für den Igel dar.
Neben 500 000 jährlich im Straßenverkehr überfahrenen Tieren steigt die Gefahr für die Igelpopulation auch von dieser Seite aus.
Wer neben diesen allgemeinen Beiträgen weitergehend bei der Igelhilfe unterstützen möchte, kann dies auf verschiedene Arten tun. Quellen wie die Vereinigung Pro Igel liefern zahlreiche Informationen zur korrekten Pflege, andererseits kann auch die „Igel-Nothilfe-Taubertal“ mit umfangreichem Fachwissen zum Thema Igel weiterhelfen. Dringend gesucht werden noch außerdem noch Überwinterungsplätze.
Pflege und Versorgung der Tiere ist sehr zeit- und kostenintensiv. Nicht nur Futter, Boxen, Medikamente, Tierarzt und diverse Utensilien müssen bezahlt werden, sondern auch Strom und Wasser. Stetig ansteigende Kosten erschweren diese Arbeit zunehmend.
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