Bürgerempfang in Weikersheim

Medaillen für besondere Bürgerdienste

Günter Breitenbacher, Rolf Mailänder und Hartwig Behr für Beiträge zu Erinnerungskultur gewürdigt

Von 
Inge Braune
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Weikersheim. Mit der Bürgermedaille wurden jetzt Günter Breitenbacher, Rolf Mailänder und Hartwig Behr ausgezeichnet für ihre engagierten Beiträge zur Erinnerungskultur Weikersheims.

Bereits in seiner Ansprache anlässlich des Weikersheimer Frühjahrs- und Neubürgerempfangs hatte Bürgermeister Nick Schuppert auf Wert und Gefährdung der Demokratie verwiesen. Was passiert, wenn die Unterminierung von Freiheits- und Demokratierechten erfolgreich ist, mussten vor 80 bis 90 Jahren im damals vom Nationalsozialismus regierten Deutschland insbesondere Menschen jüdischen Glaubens erfahren. Von den auf a cappella-Klänge spezialisierten „Singtonics“, die den Empfang musikalisch umrahmten, hatte sich Schuppert vor der Verleihung der drei Bürgermedaillen das Lied der „Comedian Harmonists“ „Irgendwo auf der Welt“ gewünscht – eines dieser Lieder, die vorauszuahnen schienen, was an Leid und Zwang ins Exil besonders auf die jüdischen Mitglieder der Gruppe zukommen würde. Lange, so Schuppert, wurde dieses Thema nicht nur in Weikersheim, sondern in der ganzen Republik und Europa für viele Jahre als lästig empfunden. Und heute? Schuppert fragt an, drängend: „Haben wir ‚Jungen’ wirklich dazugelernt? Machen wir es besser als die Alten, die Anderen, die Verdränger?“ Und berichtet, dass „wir insbesondere die jungen Menschen – knapp 20 Prozent der unter 30-jährigen – nicht mehr erreichen mit dem, was wir für die zentralen Werte unserer Demokratie halten“. Statt weniger Erinnerungskultur brauche es „mehr! Gerade in einer Zeit, in der es fast keine Zeugen des Nazi-Terrors mehr gibt.“ Dazu gehören seit 1992 in Deutschland die Stolpersteine, die Gedenken und Erinnerung aus den oft weit außerhalb der Städte gelegenen Gedenkstätten mitten in Städte, Ortschaften, auf die Straße, eben in den Alltag aller holten. Sie prägen, so Schuppert, „unser Stadtbild, unser Leben, unseren Gang aus dem Haus, zum Bäcker, ins Büro, ins Theater.“ Ehe die kleinen Steine des Anstoßes verlegt werden, wird die Geschichte der genannten sorgfältig recherchiert, werden Antworten gesucht auf die Frage, wer diese Menschen waren, die seinerzeit „erschossen, vergast, vergiftet und auf vielfältige Weise zu Tode gequält wurden.“

Diese „unschätzbar wertvolle Arbeit“ erfolgt lokal, mit viel Engagement, Sorgfalt und Gründlichkeit. Dass Günter Breitenbacher, Rolf Mailänder und der erst jüngst verstorbene Geschichtslehrer und Erforscher unter anderem der Geschichte des Nationalsozialismus im Altkreis Mergentheim Hartwig Behr, die diese Recherche in Weikersheim durchführten, dafür persönliche Anfeindungen und Hetze erlebten, mache ihn fassungslos, so Schuppert. „Es ist ihr Verdienst, dass es bei uns in der Stadt und im Oberen Bezirk eine Erinnerungskultur geben kann“, hob der Weikersheimer Bürgermeister vor der einstimmig vom Gemeinderat beschlossenen Verleihung der Bürgermedaille hervor. Behr, Breitenbacher und Mailänder würdigte Schuppert als „Vorbilder unserer Gesellschaft.“ Stellvertretend für ihren im Februar verstorbenen Ehemann Hartwig Behr nahm seine Witwe Christa Behr die postum verliehene Auszeichnung entgegen. Dass ihm diese Ehrung zukommen würde, hat der Forscher und Autor nicht mehr erfahren. Keine Frage, dass er sich darüber gefreut hätte. aber auch: dass es ihm nicht auf die Ehre, sondern die Arbeit ankam. Schuppert überreichte den Ausgezeichneten die Ehrenurkunden, Bürgermedaillen und Blumen. Sein sehr persönlicher Dank galt ihrem gesellschaftlichen Engagement für Zusammenhalt, Vielfalt, Toleranz, Demokratie und Frieden: „Sie sind die Stärke unserer Gesellschaft“, so Schuppert. Und sie sind nicht nur für ihn, sondern auch für die in den letzten Monaten auch auf den Straßen deutlicher wahrnehmbare demokratische Mehrheit der Gesellschaft gute Vorbilder.

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