Tauberfränkische Volkskultur - Unter dem Titel „Alles Handarbeit!“ ansprechende Sonderausstellung im Dorfmuseum eröffnet / Gäste höchst angetan von entzückenden Exponaten

Jedes einzelne Stück ein Stoff für Gespräche

Von 
ibra
Lesedauer: 

Bestickte Schuhe und Täschchen, Hohlsaumstickereien, Feinwebarbeiten – es ist ein reicher Fundus, den der Verein Tauberfränkische Volkskultur normalerweise in Schränken und Truhen hütet.

Weikersheim. So viele schöne Dinge, in stunden-, tage- und wochenlanger Arbeit angefertigt - und dann kaum sichtbar? Nein, nein, und nochmals nein! Renate Gröner und Hanna Wilckens haben die zahlreichen wertvollen und seltenen, einst liebevoll hergestellten Handarbeiten gesichtet und zu einer in den Museumsstuben lebendig präsentierten anregenden und sehenswerten Ausstellung zusammengefasst. Edle Tischwäsche, Tücher, Wäschestücke, wärmende Strickwaren für die Winterzeit, feinst bestickte Aussteuerwäsche, Accessoieres vom Prunkgürtel bis zum mit Perlen verzierten Handschuh ist zu sehen, Stick-, Strick-, Häkel- und Nähvorlagen sind zu entdecken, Webstuhl und Webrahmen mit verschiedenen Webvarianten ebenso wie Handarbeitsutensilien – jedes Stück Stoff für Gespräche, Austausch, Bewunderung. Da passte es prima, dass einzelne Besucher sogar ureigene Sammelobjekte zur Vernissage mitbrachten.

Birgit Bulenda, Vorsitzende des Vereins Tauberfränkische Volkskultur, konnte rund 50 Besucher zur Vernissage der Sonderausstellung begrüßen.

Es sei wichtig, dass der Verein Tauberfränkische Volkskultur solche Schätze erhalte, bewahre und anhand von Sonderausstellungen und der Dauerausstellung mit ihren Stuben immer wieder zeige, wie es früher war. Ein Besuch lohne sich auch für die jüngere Generation, auch wenn die oft lieber im Internet als in Museen unterwegs sei, so Bürgermeisterstellvertreter Norbert Beck.

Die Einführung in die Ausstellung übernahm mit Helmut Fehler ein Mann – und das, so der Referent selbst, obwohl landläufig Handarbeit Synonym für frauliche Tätigkeit sei. Dennoch: sein Blick „von außen“ erschloss Zusammenhänge weit über die eigentlichen Exponate hinaus.

Von Alters her waren es die Frauen, die für die Deckung des Grundbedürfnisses Kleidung zuständig waren, während die gröberen Arbeiten auf dem Hof, dem Feld und im Wald eher den Männern oblagen. Der sehr hohe Herstellungs- und Pflegeaufwand von der Garnspinnerei über Stricken, Häkeln, Klöppeln, Weben übers Nähen, Besticken und bei Bedarf Stopfen machte Kleidung, Leib- und Tischwäsche schon an sich wertvoll. Noch weiter aufgewertet wurden die Stücke durch den ungeheurem Fleiß, mit dem auch die in der von der Ausstellung abgedeckten Zeit zwischen 1860 und 1960 angefertigten Einzelstücke verziert wurde. Ohne neuzeitliche technische Hilfsmittel entstanden aufwändige Applikationen, selbst auf der Leibwäsche wurden mindestens Monogramme aufgestickt – auch, um eventuellen Verlusten beispielsweise durch schwer strafbewehrten Wäschediebstahl vorzubeugen. Mit Stolz auf die individuelle Gestaltung wurden die schönen Dinge, die zur Aussteuer gehörten, bedarfsgerecht angefertigt wurden oder auch als besondere Geschenke angefertigt worden waren, von Generation zu Generation weitergegeben.

Speziell in den Wintermonaten widmeten sich die Frauen aft auch bei gemeinsamen Spinnstuben-, Näh- oder Strickabenden der Handarbeit – und schufen dabei zugleich ein ureigenes und bei Bedarf auch zu verteidigendes weibliches Begegnungs- und Gesprächsrefugium. Die Nähmaschine ermöglichte deutliche Produktivitätssteigerungen – und dürfte, so Helmut Fehler, sowohl die Emanzipation als auch das Überstehen der kriegs- und zwischenkriegsbedingsten Mangeljahre mit ermöglicht haben. Handarbeit auch als Heimarbeit half den Familien beim Überleben.

Erst die Globalisierung mit ihrer fast grenzenlosen Verfügbarkeit von Textilprodukten ermöglichte den Übergang von der Hand-Arbeit zur Liebhaberei, zum Hobby Handarbeit. Dennoch, so Fehler, haben beide Zwecke eine gemeinsame Grundlage: Es ging und geht darum, etwas zu schaffen, das einem selbst ober anderen Freude macht – von der Wollsocke bis zum zierenden Wandbehang. Und bis heute teilen die Handarbeiterinnen auch den Stolz auf selbst Gestaltetes und Vorzeigbares, das Brücken von Generation zu Generation schlagen kann.

Kunstvoll und von Hand gemacht: das gilt ebenfalls für die musikalische Begleitung der Ausstellungseröffnung. Regine Burdinski hatte mit Valerie Fischer und Pia Zierlein (Sopranflöten), gemeinsam mit Marietta Michel (Altflöte) und Lara Oechsner (Tenorblockflöte) eigens ein Flötenquartett aus der Taufe gehoben, das mit Tänzen aus dem 17. und 18. Jahrhundert zur Freude der Besucher heiter schwebende Klangakzente setzte. Die Flötenspielerinnen und viele weitere Instrumentalisten der Musikschule Hohenlohe werden auch beim Dorfmuseumsfest am 17. Juni zu erleben sein. Die Ausstellung ist dann selbstverständlich ebenfalls zu sehen. Und natürlich generell während der Öffnungszeiten des Tauberländer Dorfmuseums (vom 1. April bis zum 31. Oktober jeweils samstags, sonntags und an Feiertagen von 13.30 bis 17 Uhr) und für Gruppen nach Vereinbarung (Telefon 07934 / 1209 oder E-Mail an tauberfraenkische-volkskultur@t-online.de). Informationen bietet die Homepage „www.tauberländer-dorfmuseum.de“. ibra

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten