Weikersheim. Jung und alt, viele Familien, aber auch zahlreiche Demonstrierende im gesetzten Alter brachten das auf den Punkt, was sich die Initiatorinnen Renate Meixner und Christiane Geier gewünscht hatten: dass die schweigende Mehrheit sich vernehmbar macht und für Vielfalt und Solidarität eintritt.
Angemeldet hatten die Initiatorinnen eine Demonstration mit 300 bis 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Dass es dann viel mehr als doppelt so viele wurden, die dem Aufruf folgten, sorgte für „riesige Freude“, wie Christiane Geier vor der Tauberphilharmonie beeindruckt ins Mikrofon rief. „Es ist wunderbar, dass ihr da seid“, wandte sie sich freudestrahlend an das Publikum.
Zusammenhalt und Solidarität als Zeichen der Zeit
Unterstützt wurden die beiden Initiatorinnen bei der Organisation der Demo von Vereinen, Institutionen und Privatpersonen. „Erst miteinander sind wir das starke Zeichen, das nötig ist“, so Renate Meixner. Es sei höchste Zeit zu demonstrieren für Demokratie und gegen Rassismus. Und es sei wichtig, Haltung zu zeigen, „nicht nur heute, sondern am Arbeitsplatz, am Stammtisch, im Verein“, forderte die Rednerin. Mit Transparenten und Plakaten „bewaffnet“ zogen die Demonstrierenden von der Tauberphilharmonie über die Hauptstraße zum Marktplatz. „Die Beteiligung übertrifft alle Erwartungen“, freute sich dort Christiane Geier. Demokratie sei die Verantwortung eines jeden einzelnen. „Sie braucht uns, sie braucht unseren Einsatz“, betonte die Rednerin, die damit überleitete zur Kundgebung, die von zwölf Personen mit kurzen Statements gestaltet wurde. „Menschen mitten aus der Bevölkerung leihen der Demokratie hier und jetzt ihre Stimme“, erklärte Christiane Geier.
Recht auf freie Meinungsäußerung und demokratische Werte
Lehrerin Franka von Berchem von der Förderschule drückte ihre Besorgnis darüber aus, dass die Gesellschaft auseinander drifte. Sie wolle sich dafür einsetzen, dass Kinder und Jugendliche auch dann „ohne Angst durch die Straßen gehen können, wenn sie nicht der Norm entsprechen“. Rentner Kurt Gehringer sagte, er seit zeitlebens immer wählen gegangen. Er erinnere sich an seinen Vater, der ihm gesagt habe: „Ihr habt alle Möglichkeiten“. Demokratie bedeute Arbeit eines jeden einzelnen. Nur so lasse sich Vielfalt erleben und genießen, betonte der Rentner.
Anne Spitzley begründete ihrer Teilnahme damit, dass sie sich für ein „freies, tolerantes, vielfältiges Land“ einsetzen wolle. Die demokratischen Werte seien nicht selbstverständlich, „und wir dürfen sie uns nicht nehmen lassen“.
Pensionär Günter Breitenbacher zitierte den Freiburger Fußballtrainer Christian Streich, der gesagt habe, es sei fünf Minuten vor zwölf. Es sei Zeit, gegen Rechtsextremismus Flagge zu zeigen. „Die Rechtsextremen wollen die Deutungshoheit, und sie verachten den Grundsatz, dass alle Menschen gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft sind“, so Breitenbacher. 1933 habe man die Nazis unterschätzt, „das darf uns heute nicht wieder passieren“, forderte der Redner. Wehren müsse man sich auch gegen den zunehmenden Antisemitismus.
Christiane Geier berichtete aus ihrer Arbeitswelt, in der sie Kindern wichtige demokratische Regeln beibringen wolle. Das fange schon bei einem höflichen und fairen Umgang untereinander an. Die Kinder sollten lernten, für ihre Meinung einzustehen, aber auch, andere Meinungen zu akzeptieren. Roland Eifert schloss sich mit einem Zitat aus dem Protestsong „We shall overcome“ an.
Dirk Schlenker, Vorsitzender des TSV Weikersheim, betonte, es sei wichtig, heute hier zu sein. Die Demokratie sei die einzige Staatsform, die freie und geheime Wahlen garantiere, die Vielfalt und Individualität gewährleiste. Wenn heute von „Remigration“ die Rede sei, dann müsse man dagegen kämpfen.
Renate Meixner erinnerte an den bevorstehenden 75. Geburtstag des Grundgesetzes. Artikel 1, der besagt, die Würde des Menschen sei unantastbar, sei „ein großer Schatz“, so die Pfarrerin. Auch Artikel 4, der Glaubens-, Meinungs- und Religionsfreiheit garantiere, sei nicht selbstverständlich. Es sei „unglaublich kostbar“, dass man in Deutschland in dieser Vielfalt miteinander leben könne. Das friedliche Miteinander könne manchmal auch eine Herausforderung sein, aber „daran wachsen wir“, bekräftigte Renate Meixner. Der ehemalige Berufssoldat Martin Heuwinkel sagte, er habe 40 Jahre lang von Berufs wegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gegen Bedrohungen von außen verteidigt. Er sehe jetzt die Pflicht, diese Werteordnung auch gegen Bedrohung von innen zu verteidigen. „Bilder aus den 30-er Jahren gleichen sich teilweise mit heutigen Bildern, das hätte ich nicht für möglich gehalten“. Extremismus, egal von welcher Seite, habe in der Gesellschaft keinen Platz. „Jetzt ist Schluss, nie wieder beginnt spätestens heute“.
Kulturelle Vielfalt als Schlüssel zum Fortschritt
Der seit sechs Monaten in Deutschland lebende Syrer Mudahr sagte, die kulturelle Vielfalt sei der Schlüssel für Wachstum und Wohlstand der Länder. „Sie halten die Macht in Ihrer Hand, den Frieden und die Freiheit zu sichern“, so der Redner. Die Bäuerin Margret Beck betonte, Demokratie sei der Garant für Frieden. Es brauche eine starke Union der Mitte, um sie zu verteidigen. „Ich bin sehr glücklich, dass so viele Menschen aufstehen“, betonte Beck.
Die Zukunft der Demokratie: Bürgermeister ruft zum Engagement auf
Weikersheims Bürgermeister Nick Schuppert würdigte den Einsatz von Renate Meixner und Christiane Geier. Demokratie und Freiheit seien ein kostbares Gut. „Ich wünsche mir ein Land, das auf seine Kraft und Stärke vertraut, in dem Politiker mit Beharrlichkeit nach guten Lösungen für die großen Probleme unserer Zeit suchen“. Streit über diese Lösungen sei notwendig, „aber mit Fairness und Anstand“. Anders gehe es nicht, so mühselig das auch sein möge. Den Demo-Teilnehmern rief er zu: „Sie sind das Rückgrat der Demokratie“. Jeder sei aufgerufen, Verantwortung zu übernehmen. Niemand dürfe wegschauen, wenn Menschen Opfer von Rassismus würden. Er selber wolle sich für ein solidarisches Miteinander einsetzen.
Für die Disziplin der Teilnehmenden gab es ebenso ein Lob wie für die Ordner und die Einsatzkräfte der Polizei, die nicht einzugreifen brauchten. Die Einsatzleitung bestätigte die hohe Zahl von rund 1200 Demonstranten.
Am kommenden Samstag, 10. Februar, ist bereits eine weitere Demonstration im Altkreis Mergentheim angekündigt, und zwar um 14 Uhr auf dem Taubertorplatz in Creglingen.
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