Doredräwer-Theater - Furiose Premiere / "Die Feuerzangenbowle" begeistert Publikum / Von Nagelschuh bis Seitenscheitel

Köstlich komisch und authentisch

Von 
Inge Braune
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Seit jeher beinhaltet Professor Creys (Klaus Richter) Unterrichtseinheit über die alkoholische Gärung die Verkostung. In der Schlange stehen die drei Doredräwer-Neuzugänge Benedikt Reindel (Primaner Rosen), Henri Wolfahrt (Primaner Knebel) und Justus Steinmüller (Primaner Husemann).

© Braune

Schäftersheim. Gemütlich knistert Feuer im Kamin: Berliner Honoratioren - Justizrat, Arzt, Bankier und Apotheker mitsamt Erfolgsschriftsteller Pfeiffer (Dieter Reindel, Rainer Hörner, Oliver Gutöhrlein, Dietmar Hopf, Frank Dimler) - schwelgen in Erinnerung an Schülerjugendstreiche.

Beflügelt von der Feuerzangenbowle entsteht die "elefantöse Schnapsidee", Pfeiffer, der dank Privatunterricht nie gemeinsam mit Mitschülern die Schulbank drückte, zum Nachholen heiterer Erfahrungen als angehenden Abiturienten zurückzuschicken auf's "Pennal". In Schäftersheim. Wo sonst.

Schon gluckst's im Publikum, den ersten Szenenapplaus gibt's für den im feinen Honoratiorenzwirn vollzogenen Umbau vom Salon zur Schule.

Und auf der Penne geht's für den Primaner Pfeiffer (Frank Dimler, dem hier die Rollenbilder vom Doktor über den Pennäler bis hin zur Professorenpersiflage gleichermaßen auf den Leib schneidert zu sein scheinen) richtig rund.

Primaner Rosen (Benedikt Reindel) will erst einmal mit dem Neuen die Machtverhältnisse klären, Professor Crey alias "Schnauz" (Klaus Richter) sächselt erbost: "Ähnen fählt de sättliche Reife."

Und Rektor Knauer (Kurt Immel), auch "Zeus" genannt, muss diesen Neuen, der doch tatsächlich abends um zehn noch im Gasthof gesehen wurde in verschärfter hohenlohischer Diktion schon gleich am ersten Tage die Leviten lesen: "Sie hewwe ned zu denge!"

Dann Bömmel (Andreas Fischer-Klärle), dito Professor an der Schäftersheimer Lehranstalt, ein sonnig-rheinländisches Gemüt, der seine Schüler durch die Bank duzt, außer, wenn's wirklich ernst wird: "Dann musste de Kopp eintrecken, min Jong!" Das muss man als Nicht-Niederrheiner erst mal schaffen, so überzeugend das "K" in "Kokolores" am Hintergaumen zu produzieren. Auf Hochdeutsch unterrichtet nur Referendarin Eva Knauer (Nadine Mauritz), des Schuldirektors Töchterlein. Entzückend macht sie das - und köstlich spielen sie und Dimler einander zu, zelebrieren gekonnt die zwischen Lehrperson und Schüler schlechthin unmögliche Liebelei, von der nicht einmal Zimmerwirtin Frau Windscheid (Sonja Hein) etwas mitbekommt.

Dabei ist's doch ein offenes Geheimnis in der Klasse, klar, sind sie doch allesamt völlig verschossen ins Fräulein Eva. Wie sie da schmachten können, diese Jungs, ob Ackermann (Jonas Immel), ob Knebel (Henri Wolfahrt) ob Rosen (Benedikt Reindel), Huemann (Justus Steinmüller) oder Luck (Philipp Schmitt).

Natürlich sind sie prima im Aushecken der Streiche: Das Pennälerlogis bei "Mamma hospitalis" (Sonja Hein gestaltet die Wirtin gelungen zwischen Mütterlichkeit und burschikosem Schwung) bietet ja auch beste Voraussetzungen, um Crey, dem überstrengen Pauker, seine alkoholische Gärung zu vergällen.

Unglaublich, wie die jungen Neuzugänge im Doredräwer-Team da ihre Soloparts als alkoholisierte Musterknaben gestalten: Die Inszenierung ist perfekt - und ebenso perfekt gestaltet Klaus Richter die zunehmende Zerrüttung Creys. Köstlich das Putzfrauen-Trio: Lore Herzig, Eva-Maria Rapp und Renate Stirnkorb räumen mit jeder Menge Schwung das Chaos auf.

Perfekt besetzt hat Regisseurin Stefanie Schnitzler die 21 Rollen, die die meisten Amateurbühnen schon per se gewaltig überfordern würden - und was sie aus den vielfältigen Talenten herausgekitzelt hat, hat Klasse. Wie etwa Philipp Schmitt die gesamte Gefühlspalette des zwar eher schwächlichen, aber blitzgescheiten Primaners Luck gestaltet, ist grandios. Die Vielschichtigkeit, mit der die Lehrerschaft gezeichnet ist, ebenfalls. Die Schäftersheimer "Feuerzangenbowle" meistert die Herausforderungen des von Wilfried Schröder nach Heinrich Spoerls Originalfassung bearbeiteten Stücks bis in kleinste Facetten.

Auch vor der Leistung der Bühnenbaucrew (Jürgen Wolfarth und Rainer Hörner) und Maske (Petra Ulm und Fransiska Nörpel ziehen den Pennälern die Seitenscheitel so gekonnt, dass sich selbst Klassenkameraden der Jungdarsteller die Augen reiben) gilt es, den Hut zu ziehen; und was das Requisitenteam (Susanne Klärle und Lore Herzig) an Originaloutfit von Knickerbockerbuxen bis zur Taschenuhr, von Schmetterlingssammlung bis zum ausgestopften Vogel und Schulregal zusammengetragen hat, ist ebenso beeindruckend wie die originale Schulausstattung, die stimmig ist bis hin zum Tintenfass.

Es klappt schlicht alles: Die Techniktruppe (Hubert Frick, Armin Pastorek, Marius Reindel, Torsten Kretzer und Andreas Kaulbersch) hat die zwei Bühnenräume - Pfeiffers Logis wurde als Zusatzbühne gestaltet - perfekt im Griff, wenn's draußen regnet, wird die Scheibe nass, Schulglocke, Telefone sind so präzise ausgewählt, dass man sich schnell versetzt fühlt in die "gute alte Zeit".

Gut getan haben der Schäftersheimer Produktion auch die musikalische Leitung von Erwin Wolfarth, die Präzision und gute Laune von Regieassistentin Jutta Gromes und das ganz offensichtliche Organisationstalent Oliver Gutöhrleins.

Die intensive Probenzeit vom Einstiegsworkshop für das ganze Team bis hin zu letzten Feinschliffarbeiten bei den Durchlaufproben hat sich gelohnt: Das Premierenpublikum war hellauf begeistert und schwärmte vom gelungenen Stück. Es ist anzunehmen, dass die geplanten Aufführungstermine - nach den drei Vorstellungen am Premierenwochenende stehen derzeit nur noch fünf Vorstellungen an den beiden kommenden Wochenenden auf dem Programm - die Nachfrage nur schwerlich werden bedienen können.

Weitere Auftritte

  • Gespielt wird noch am 20., 21. und 22. sowie am 27. und 28. März (Vorstellungsbeginn: Freitags und Samstags jeweils um 20 Uhr, Sonntags um 18 Uhr). Einlass immer eine Stunde früher.
  • Karten gibt es bei den bekannten Vorverkaufsstellen: Volksbank Schäftersheim, Telefon 07934 / 1533, und "Buch und Papier" in Weikersheim, Telefon 07934 / 994688. ibra

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