Weikersheim. Die Fehlerkorrektur gleich zu Beginn, denn Katharina Blaschke ist der richtige Name der bekannten Bühnen- und Fernsehschauspielerin - den Fans der Vorabend-Krimiserie "Soko Wismar" ist sie als Gerichtsmedizinerin Dr. Helene Sturbeck bekannt. Auch in der Fernsehserie "Der Landarzt" hatte sie regelmäßig Auftritte in der Rolle als Cynthia Husen.
Wer Schauspieler abseits ihrer Produktionen zufällig sieht, ist oft irritiert. Kaum zu glauben, dass sie einen bürgerlichen Namen haben und so etwas wie ein Privatleben. Auch in Weikersheim ist Katharina Blaschke schon erkannt worden: "Kennen wir uns vielleicht vom Markelsheimer Weinfest?" - "Ich glaube nicht", hat die Schauspielerin geantwortet. Wer sie "wirklich" ist, verrät sie bei solchen Gelegenheiten nicht.
Blaschke ist zurückhaltend, wirkt wohltuend bescheiden. Und schließlich ist sie nicht vornehmlich als Schauspielerin in Weikersheim, sondern als Lehrerin. Im Rahmen des Opernkurses der Jeunesses Musicales vermittelt sie dem Ensemble die "Alexander-Technik". Ein wenig Ermittlungsarbeit ist dabei durchaus nötig: Die Methode beschäftigt sich mit dem Erkennen und Ändern von Gewohnheiten, "die unsere natürliche Balance und freie Ausrichtung beeinträchtigen und damit auch unsere Wahrnehmungs- und (Re-) aktionsfreiheit."
Mozart mit Psychologie
Katharina Blaschke fasst die Alexander-Technik für sich so zusammen: "Es geht letztlich um ein bisschen mehr Gelassenheit und Achtsamkeit bei allem, was ich zu tun beabsichtige - ob ich nun eine Teetasse hebe, eine Arie singe oder auf 'das' Telefonat warte."
Ein Hochzeitstag wird ab dem morgigen Donnerstag, 23. Juli auf Schloss Weikersheim gefeiert: Ein Graf gesteht dem Dienerpaar Figaro und Susanna ein eigenes Zimmer zu, Tür an Tür mit seinem eigenen Schlafgemach. Figaro ist beglückt und misst in der bekannten Eröffnungsszene das Ehebett aus. Aber der Dienstherr steigt der jungen Braut nach. Figaro setzt schließlich alles dran, es dem Grafen heimzuzahlen. Soweit die Basis der Handlung von Mozarts Opera buffa, die sich durch feine Psychologie ebenso auszeichnet, wie eine mitunter berauschende Gleichzeitigkeit auf den emotionalen Ebenen.
Viel Arbeit für die jungen Sängerinnen und Sänger also. Die kennen ihre musikalischen Parts zwar ganz genau, aber wenn ein Stück wirklich berühren soll, muss eine Art "Fine-tuning" her, ein Erhellendes, Ergänzendes zum harten Teil der Probenarbeit.
Es gehört zum Regiekonzept von Dominik Wilgenbus, eben kein quasi-persönliches Regiekonzept durchzuboxen. Er lässt spielen und führt mit leichter Hand, kommt von Musik und Rolle her, ist begeistert, wenn er über seine Musiker selbst etwas Neues entdecken kann.
Hier setzt auch die Arbeit von Katharina Blaschke an. Es geht darum, die Unbefangenheit im Körper wieder zu entdecken - nicht einfach für die doppelt besetzten Solisten, die den Premierendruck im Nacken und mögliche große Karrieren vor Augen haben. Weikersheim ist für viele ein Dreh- und Angelpunkt: Hier können sie sich ausprobieren, spielen, auch mit sich selbst und ihrer Bühnenfigur. Das Ziel von Blaschke: Unterlassen, was verhindert, man selbst zu sein.
In der deutschen Ausbildungs- und Probentradition - vor allem im Bereich Schauspiel - ist die Alexander-Technik noch immer ein eher exotisches Ding. Sie wird zwar an einigen Musikhochschulen angeboten, doch sie findet sich als Orchideenfach in der Regel weiter unten im Studienplan (wo die Klassen dennoch in der Regel sofort ausgebucht sind).
Agieren in Achtsamkeit
Doch was lernt man beim "Alexandern"? Eine anatomisch günstigere Balance, "Achtsamkeit dafür, dass ich mir bei allem, was ich tue, nicht selbst im Weg stehe", erklärt Blaschke. "Ein größeres Vertrauen in das Instrument Ich-Selbst. Und vielfach eine größere körperliche und geistige Belastbarkeit, Koordination, Ruhe und Präsenz." Geübt wird dieses "Agieren mit Achtsamkeit" anhand ganz einfacher Bewegungsabläufe wie Aufstehen und Hinsetzen, In-die-Knie-gehen, Kriechen oder Ähnlichem. Der Erfinder Frederick Matthias Alexander nannte dieses Achtsame pointiert den "Gebrauch des Selbst".
Katharina Blaschke hat sich nach ihrer Schauspielausbildung an der renommierten Münchener Otto-Falckenberg-Schule als Zweitstudium in der Alexander-Technik schulen lassen.
Der Körper als psychophysische Einheit: "Das Instrument Du-Selber", so formuliert es Katharina Blaschke. Und dieses einzigartige Instrument soll in ihren "Turns" mit den Weikersheimer Darstellern "gestimmt" werden, "eine Ahnung davon erhalten, wo es noch etwas freier und ruhiger sein könnte. "Viel mehr ist in der kurzen Probenzeit natürlich auch kaum möglich."
"Wir", sagt Blaschke, "machen das, weil wir diese Sache lieben, an diesem wunderbaren Ort". Sie spricht im Plural, weil sie sich als Teil des Ganzen sieht und nicht zwischen Instrumentalisten, Sängern, Stimmcoaches, Regie, Dirigent, Kostüm-, Bühnen- und Lichtbildnern trennt. "Theater ist eine Ensemblekunst" - dieses große und großartige Wort des Theater-Erneuerers Max Reinhardt gewinnt in Weikersheim eine aktualisierte Bedeutung: Im Zusammenspiel der Teilnehmer, übrigens letztlich auch des Publikums, wird "geniale Musik mit Liebe und Temperament umgesetzt", sagt Blaschke.
Beim Wachsen zuschauen
Hochbegabten jungen Künstlern in Weikersheim "beim Wachsen zuschauen", sie dabei unterstützen, wie sie Phantasie und Witz in sich selbst und in der "Hochzeit des Figaro" entdecken: "In dieser Oper geschieht Wahrheit", versucht Katharina Blaschke das Eigentliche zu greifen und nickt dabei still in sich hinein.
Dann zittert ihre Oberlippe ein wenig und ihre Augen werden plötzlich feucht in der inneren Sicht dessen, was das bedeutet: "Diese Oper ist das Leben - und sie ist so klug und so schreiend komisch. Und sie ist Musik, die ich teilweise durch die Haut hören kann."
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