Schäftersheim. Was für ein Jubiläumsabend! In neuer Formation, mit neuer Dirigentin, statt bei einer Winter- jetzt bei einer Frühlingsfeier und dann auch noch in der erst jüngst erstmals bespielten renovierten Bauernhalle: Der ehrwürdige Männerchor Liederkranz Schäftersheim 1848 präsentierte sich vor großem Publikum in der voll besetzten Bauernhalle stimmstark und fast schon kämpferisch aufbruchswillig.
Ganz nach dem Jubiläumsmotto „Ebbes wor immer!“ stellen sie sich als Projektchor auf eine gemeinsame Zukunft mit dem Sängerkranz Nassau ein: Dass der Projektchor allerbeste Chancen hat, zu einer festen und erfolgreichen Chorgemeinschaft zweier eigenständiger Chöre zu verschmelzen, stellten sie allerspätestens mit ihrer Präsentation von Andreas Gabaliers „Amoi seg’ma uns wieder“ unter Beweis.
Revolution der Bürgerschaft
Gefeiert aber wurde an diesem Abend natürlich erst mal der Schäftersheimer Liederkranz. Ganz und gar nicht einfach dürfte es für die Gründerväter anno 1848 gewesen sein, ihr Projekt zum Laufen zu bringen: Noch kurz zuvor wäre es schlicht undenkbar gewesen, aus dem überwiegend auf die eigenen vier Wände beschränkten Leben auszubrechen, sich zu versammeln oder gar Vereine zu gründen, in denen wie beim Liederkranz in der Nachsingstunde ganz öffentlich diskutiert, gelacht, gesungen und bis spät in die Nacht politisiert werden könnte: „Dazu brauchte es erst eine Revolution der Bürgerschaft“, so Christoph Bergmann, 2. Vorsitzender des Jubiläumsvereins, in seinem Rückblick. Dass die gut 40 Sänger donnerstags zur Singstunde, bei der Anna Leuser-Valls „anderthalb Stunden das Regiment führt“, gut hin und her pendeln können, ist, wie Bergmann launig anmerkte, auch weiser Voraussicht der Gründungszeit zu verdanken: 1848 wurde die Straße nach Nassau fertig – „und Zack, 175 Jahre später, pendeln die Sänger auf dieser zu den Singstunden hin und her.“
Immer wieder musste der Verein „alles auf Anfang“ stellen und weitermachen: Zwangspausen während zweier Weltkriege, zum 125-jährigen Bestehen krasser Sängermangel, der die Verschiebung der Feier erzwang, Corona-Zwangspause, Chorleiterwechsel– auf Erwin Wolfahrt folgte Interims-Dirigent Jörg Mühleck, ehe jüngst Anna Leuser-Valls den Stab übernahm: Immer wieder ein Neustart.
Höchst gelungen ist der aktuelle Neustart, bei dem Günter Krieger dem Jubiläumsverein in Vertretung des Vorsitzenden Oliver Paul Glückwünsche des Chorverbands Hohenhohe überbrachte und vier verdiente aktive Sänger – Rainer Hörner, der den Verein seit 2001 als Vorsitzender führt, Oliver Gutöhrlein (beide 1. Tenor), Andreas Gromes (2. Tenor) für 25-jährige Treue und Günter Ehrmann (2. Bass) für bereits 50 Jahre als aktiver Liederkranzsänger – mit der Überreichung ihrer Urkunden und Chorverbands-Nadeln auszeichnete. Fast 300 komplette Arbeitstage habe Ehrmann in dieser Zeit allein in den Singstunden dem Liederkranz gewidmet, überschlug Krieger das Engagement des langjährigen zweiten Vereinsvorsitzenden, der sein Amt 2016 nach 31 Jahren an Christoph Bergmann übergab; nicht einmal eingerechnet seien dabei die Stunden für Auftritte, Organisationsaufgaben und dergleichen... Ein sichtliches Vergnügen war es Krieger, dem Projekt- und Jubiläumschor bei seinem „wunderschönen und volumenstarken Männerchorgesang“ zu lauschen.
Gratulationen seitens der Stadt überbrachte in Stellvertretung von Bürgermeister Nick Schuppert Jürgen Vossler (FW), seitens der Ortschaft gratulierte Ortsvorsteher Markus Lang. Beide betonten die Wichtigkeit dieser Kulturfacette gerade in schwierigen Zeiten. Es seien „3G“, so Markus Lang, die insbesondere unsere Dörfer auszeichnen: „Gesang, Gemeinschaft und Geselligkeit“. Den Martin Luther zugeschriebenen Vers „Wer nicht liebt Wein, Weib, Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang“ erweiterte Lang gendergerecht zum Vergnügen der Gästeschar bis hin zu „Divers“.
Guter neuer Partner
Den Glückwünschen von Dorf und Kommune schlossen sich die Vorstände des in Auflösung befindlichen Sängerbunds Harmonie Weikersheim und des künftigen Chorgemeinschafts-Partners Nassauer Sängerkranz an: Anne Stirnkorb gratulierte dem Schäftersheimer „Patenkind“, das mit mittlerweile 175 Jahren sicher auch gut allein laufen könne mit den Chorgemeinschafts-erfahrenen Nassauer Sängern einen guten neuen Partner gefunden habe. Als letztes Patengeschenk des Sängerbundes überreichte sie dem Vorsitzenden Rainer Hörner 400 Euro: „Noten braucht man immer.“ Vom Projektchor-Partner gab es keine Finanzspritze, dafür aber zusätzliche Sangeskraft, die „mitgebrachte“ Chorleiterin und den Willen, die Zukunft gemeinsam zu gestalten, so Rainer Ott, der Vorsitzende des Nassauer Sängerkranzes.
Spezielles Geburtstagsgeschenk
Ein ganz spezielles Geburtstagsgeschenk hatte Chorleiterin Anna Leuser-Valls gemeinsam mit dem ehemaligen Verbandschorleiter Hermann-Josef Beyer vorbereitet: Die Mezzosopranistin inspirierte mit einem kleinen, enorm vielfältigen und höchst beeindruckenden Kammerkonzert in katalanischer, spanischer, deutscher und englischer Sprache das Publikum. Die hochkarätige Sängerin präsentierte mit „April“ des katalanischen Komponisten Eduard Toldra, dem von Xavier Montsalvatge nach dem Text des uruguaischen Dichters Idelfonso Pereda Valdés komponierte „Wiegenlied für ein schwarzes Kind“, Clara Schumanns „Die gute Nacht, die ich dir sage“ und aus „Les Miserables“ das Marius-Solo „Empty Chairs at Empty Tables“ einen hochkomplexen und aktuell nachdenklich stimmenden musikalischen Bilderbogen in höchster Qualität.
Überzeugen konnten auch die ambitionierten Amateure des Projektchors, der unter anderem mit Hannes Waders „Gut wieder hier zu sein“ , Schuberts „Abendfrieden“ , Mendelssohn-Bartholdys „Der Jäger Abschied“, Hubert von Goiserns „Weit, weit weg“, Reinhard Meys „Alter Freund“ und dem bereits erwähnten Gabalier-Meisterstück ein enorm vielfältiges hochkarätiges Programm bot, das Stefan Traub mit heiteren oberfränkischen Mundartversen ergänzte.
Im Anschluss an das mit stehender Ovation und Zugabe-Forderungen belohnte dreieinhalbstündige Jubiläumsprogramm, das in guter Schäftersheimer Tradition die „Doredräwer“ bewirteten, gaben sich Sänger und Gäste noch bis spät in die Nacht der fröhlichen Nachfeier in der Bauernhalle hin.
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