„Gesellschaft wird immer einsamer“

Familienpaten dringend gesucht

Das Netzwerk Familienpaten sucht im ganzen Landkreis ehrenamtliche Patinnen und Paten, die Familien mit kleinen Kindern unterstützen.

Von 
Inge Braune
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Nicht immer ist den Koordinatorinnen (von links Ina Rusch, Eva Beez und Anne-Kathrin Bock) so zum Feiern zumute wie hier anlässlich des Zehn-Jahr-Jubiläums des Netzwerks Familienpaten. Sie suchen dringend weitere ehrenamtliche Paten. © Familienpaten im Main-Tauber-Kre

Weikersheim. 2013 wurde auf Initiative des Landes Baden-Württemberg das „Netzwerk Familienpaten“ gegründet. Das Ziel: Familien mit kleinen Kindern unterstützen, begleiten und stärken. Getragen wird die niederschwellige und präventive Vernetzung durch von Fachkräften begleitete Ehrenamtler. An drei Standorten im Main-Tauber-Kreis, in Bad Mergentheim, Tauberbischofsheim und Wertheim, koordinieren Anne-Kathrin Bock, Eva Beez und Ina Rusch die Familienpatenschaften.

„Es wird immer einsamer in unserer Gesellschaft,“ berichten die Koordinatorinnen Eva Beez und Anne-Kathrin Bock im FN-Gespräch. Fachleute allerorten stimmen zu: Es könne, ganz unabhängig vom Alter, jeden treffen. Ende vergangenen Jahres gab die Bundeszentrale für politische Bildung sogar ein eigens dem Thema Einsamkeit gewidmetes Heft der renommierten Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschichte“ heraus.

Das Thema ist längst nicht mehr nur eines der Metropolen. Auch in ländlichen Regionen fehlt es immer häufiger an engen Kontakten. Im Auftrag von Caritasverband und Diakonischem Werk im Main-Tauber-Kreis beraten die beiden Sozialarbeiterinnen Familien, Schwangere und bei Schwangerschaftskonflikten.

„Jungen Familien fehlen heute oft die Großeltern, die Müttern und Vätern früher schon mal für ein paar Stunden die Kinder abnahmen, für Freiräume sorgten,“ berichten sie. Selbst wenn es nur darum gehe, ohne Kind im Schlepptau zum Arzt zu gehen, sei es im Bekanntenkreis oft schwierig, jemanden zu finden, der den Nachwuchs betreut. Die Nachbarin, die mal eben locker einen Nachmittag lang ein Auge nicht nur auf die eigenen Kinder, sondern bei Bedarf eben auch auf die von nebenan hat, sei heute eben selbst außer Haus berufstätig, also nicht verfügbar.

Und wenn‘s drum geht, dass sich jemand verlässlich an ein, zwei Tagen wöchentlich stundenweise mit kümmert, etwas vorliest, mit spielt oder den Kleinen ein wenig bei den Hausaufgaben über die Schulter schaut, der mit ihnen vielleicht mal einen Ausflug in die Bücherei oder zum Spielplatz zu unternimmt, dann sei es ganz aus.

Wichtige Unterstützung für Eltern

Schwierig – selbst wenn in der Familie alles stimmt. Ein echtes Problem, wenn Mehrfachbelastungen hinzukommen, Krankheit etwa, vielleicht psychische Probleme, Arbeitslosigkeit oder anderes, das belastet. Auch sehr junge Eltern kommen schon mal an ihre Grenzen, brauchen einfach ein paar Stunden Auszeit zum Durchatmen, zum ruhigen Austausch.

Wie wunderbar wäre es, dann jemanden zu haben, der einfach da ist, den Großen oder auch den Kleinen zuhört, mal einen hilfreichen Tipp zu Freitzeitbeschäftigungen, Hilfsangeboten oder der Alltagsorganisation zur Hand hat…

Hier können Familienpaten helfen – mit Unterstützung erfahrener Koordinatoren und Koordinatorinnen wie Eva Beez, Anne-Kathrin Bock und Ina Rusch. „Wir suchen im nördlichen, mittleren und südlichen Bereich des Landkreises Menschen, die bereit sind, ehrenamtlich Familien für eine gewisse Zeit verlässlich zur Seite zu stehen,“ erläutert Anne-Kathrin Bock, die das Familienpatenschafts-Projekt im Südkreis betreut. Und Eva Beez, zuständig für den mittleren Kreisbereich, ergänzt: „Natürlich besuchen wir vor einer Paten-Vermittlung die Familie und klären den genauen Bedarf ab, bevor wir gemeinsam mit der Familie und der möglichen Patin oder dem Paten bei einem Besuch die Inhalte, Grenzen und Ziele der Patenschaft besprechen.“

Paten und Patinnen müssten bei diesem niederschwelligen Hilfsangebot nicht fürchten, mit eventuell auftretenden Fragen oder Schwierigkeiten allein zu sein. Qualifizierte Fachkräfte von Caritas und Diakonie sorgen für die grundlegende Schulung und durchgehende Unterstützung und Begleitung, unter anderem durch regelmäßige Treffen mit der zuständigen Koordinatorin, so Eva Beez und Anne-Kathrin Bock. Und: sollte sich zeigen, dass in den Patenfamilien auch professionelle Unterstützung gebraucht wird, vermitteln die Koordinatorinnen schnell entsprechende Hilfen. Für anfallende Fahrten zum Einsatzort oder während des Patendienstes wird Kilometergeld gezahlt, und versichert sind die Paten ebenfalls.

Den eigenen Horizont erweitert

Viel wichtiger aber, so berichtet Anne-Kathrin Bock, sei den bereits aktiven Familienpatinnen und Familienpaten die große Dankbarkeit, die sie in den Familien erleben. Fast schon wie eine Ersatzoma gehöre sie zur Familie, berichtet eine Familienpatin. Eine andere freut sich über das Strahlen, mit dem die Kinder sie bei jedem Besuch begrüßen. Die Patenschaft habe auch den eigenen Horizont erweitert, so eine Dritte, die mit „ihren“ Grundschülern erstmals beim Musikschulunterricht lauschte und schon das ein oder andere Museum besichtigte. „Man muss die Zeit investieren, aber es kommt wirklich viel zurück.“

Wer sich vorstellen kann, eine Familie durch eine Patenschaft zu unterstützen, kann bei Anne-Kathrin Bock (Telefon 07931-4816980, Koordination südlicher Main-Tauber-Kreis), Eva Beez (0160-4674868, mittlerer Kreisbereich) und Ina Rusch (nördlicher Kreisbereich, Tel. 09342-927521) anrufen.

Freie Autorin Berichte, Features, Interviews und Reportagen u.a. aus den Bereichen Politik, Kultur, Bildung, Soziales, Portrait. Im Mittelpunkt: der Mensch.

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