Weikersheim. Es ist wieder so weit: Arienklänge aus dem Gärtnerhaus lassen Besucher des Schlossparks innehalten. Wir konnten Mäuschen spielen bei Proben der ersten Arbeitsphase und erlebten bereits jetzt echte Opernatmosphäre.
Es geht um Gaetano Donizettis Opera buffa „L’elisir d’amore“. Schauplatz des 1832 in Mailand uraufgeführten Werks ist ein baskisches Dorf, in dessen Gutsherrin Adina sich ein einfacher junger Bauer - Nemorino, ein „Niemandchen“, wie der musikalische Leiter Fausto Nardi erklärt - verliebt. Nicht nur der Standesunterschied, sondern auch das Auftauchen des geschniegelten Sergeanten Belcore lassen ihn zu unlauteren Mitteln greifen: ein Liebestrank soll die Schöne gewogen stimmen.
Wie Donizetti, der die Handlung zeitgenössisch etwa im Jahr 1815 anlegt, wird auch die Weikersheimer Interpretation unter der Regie von Jakob Peters-Messer nicht allzu weit in die Vergangenheit zurückgreifen. Es geht ums Werk – und um zwölf junge SolistInnen aus aller Welt, die ab Ende Juli bei insgesamt neun Open Air-Aufführungen das Publikum im Schlosshof mit Donizettis komischer Oper „Der Liebestrank“ verzaubern wollen.
120 Bewerbungen
Aus den insgesamt aus 26 Ländern eingegangenen 120 Bewerbungen um ein Stipendium der Internationalen Opernakademie der Jeunesses Musicales Deutschland hatte die Jury zwölf Stipendiatinnen und Stipendiaten ausgewählt – allesamt junge Sängerinnen und Sänger, die in Kürze ihr Studium abschließen oder bereits erste Schritte einer professionellen Laufbahn vollziehen. Die Herkunftsnationalitäten sind bunt gemischt: Aus Südkorea kommen eine Sängerin und vier Sänger, insgesamt drei Sängerinnen und ein Sänger kommen aus Chile, Russland, Zypern und China, aus Deutschland sind eine Sängerin und zwei Sänger mit von der Partie.
Gemeinsam mit dem Regisseur Jakob Peters-Messer, der hier bereits 2009 „Die lustigen Weiber von Windsor“ in Szene setzte, haben die zwölf StipendiatInnen in ihrer ersten einwöchigen Arbeitsphase bereits die Konzeption des Zweiakters durchgesprochen. Auch die Kostümbildnerinnen um Angela C. Schuett können sich nach der erfolgten Vermessung bereits ans Werk machen, um ihnen die vom italienischen Neorealismus inspirierten Kostüme der 50er Jahre auf den Leib zu schneidern.
Sprachcoaching
Italienisch ist bis heute schlechthin die auf allen Bühnen geforderte Opernsprache. Beim intensiven Sprachcoaching achtet Patricia Carracialo darauf, dass schon bei der Textarbeit Verse, Wörter, Rhythmen, Satz- und Klangmelodie stimmen. Das stellt die jungen Interpreten je nach Muttersprache vor unterschiedlichste Herausforderungen. Carracialo erklärt: „In den nächsten Wochen proben sie alleine weiter, Fehler könnten sich einprägen. Die sind schwerer zu korrigieren, wenn sich die jungen Leute schon intensiv auf die musikalische, gestische und mimische Entwicklung ihrer Rollen konzentrieren müssen.“
Dass nicht nur die Töne richtig sitzen, sondern auch singend das „r“ richtig rollt, das „s“ mal ganz weich, dann wieder messerscharf zu klingen hat, ist auch für den musikalischen Leiter immens wichtig. Fausto Nardi, Freunden der Jungen Oper Schloss Weikersheim noch aus der „La Bohème“-Open Air-Saison 2019 in bester Erinnerung, ist selbst Italiener. Ob gerade selbst vortragend oder der Probe von Kollegen lauschend: bei allen ist stets der Stift zur Hand, um nur ja keinen Hinweis oder Tipp zur technischen Umsetzung möglicher Perfektionierungen zu verpassen.
Nardis begeisterte Hingabe an das gemeinsame Opernprojekt funkelt regelrecht, ein Funkeln, das nicht nur auf die angehenden Darsteller von Adina, Gianetta, Belcore, Nemorino und Dulcamara überspringt, sondern auch auf eigentlich unbeteiligte Beobachter der Probenarbeit. Ein Aufstrahlen blitzt übers Gesicht, wenn Fausto Nardi genau das hört, was er herauskitzeln will aus den jungen Stimmen, die er am Flügel im Gärtnerhaus leitet, begleitet, beflügelt.
Er liebt diese Opera buffa, die nicht nur komische Oper ist, sondern ihre Protagonisten als Menschen ganz ernst nimmt, ihnen Arienpassagen schenkt, die ohne weiteres auch in der ernsten Oper ihren Platz fänden – und das, ohne die „jungen, tollen und frischen Stimmen mit sehr viel mitgebrachtem Können“ mehr zu strapazieren, als ihnen für ihre weitere Entfaltung gut tun würde. Doch, bei der Auswahl nach nur jeweils 15minütigem Vorsingen habe man alles richtig gemacht, urteilt der musikalische Leiter nach der ersten Arbeitsphase.
Gute Besetzung
Er ist jetzt schon fest überzeugt: „Sie werden ihre Rollen supergut meistern.“ Das gelte ebenso für die präzisen Koloratursopran-Passagen der Adina – das Libretto von Felice Romani nach der Vorlage von Eugène Scribe „Le philtre“ zeichnet sie als Gutsherrin – , auf die sich die Südkoreanerin Hyerin Park, die Chilenin Alyson Rosales und die Russin Anastasiia Tkachenko vorbereiten, wie für das Dreierteam der Tenöre Jongyoung Kim aus Südkorea, den Chinesen Wei Liu und den Deutschen Florian Wugk, die die Rolle des in Weikersheim als Arbeiter auftretenden Nemorino erarbeiten.
Auch mit den weiteren Besetzungen – den Sopranistinnen Lydia Kakopierou (Zypern) und Merit Nath-Göbl (Deutschland) als Gianetta, den Bariton-Sängern Lars Conrad (Deutschland) und Kanghyuk Lee (Südkorea) als Belcore, den schneidigem Verehrer Adinas, und den beiden aus Südkorea stammenden Bassbuffos Chanyang Choi und Jinseok Kim als fliegenden Quacksalber Dulcamera, der Nemorino den vorgeblichen Liebestrank verkauft – ist Fausto Nardi hoch zufrieden. Die Stipendiaten und Stipendiatinnen ihrerseits sind mit der „unglaublich intensiven und ermutigenden“ Förderung und Anleitung durch den Dozenten und Mitentwickler „ganz einfach glücklich.“
Und nicht nur sie sind schon jetzt gespannt auf die sechswöchige Probenphase in Weikersheim vor der Premiere am 27. Juli. „Oper ist Teamwork,“ betont Nardi. Neben ihm und Regisseur Peters-Messer gehören elf fachkompetente Begleiter zum Kern des künstlerischen Teams, die den angehenden Profis die umfassende Opernerfahrung ermöglichen. Und im Endeffekt, so der Musikalische Leiter, seien dann alle Debütanten.
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