Weikersheim. Das Publikum war höchst gespannt: Schließlich stand auf dem Programm der Tauber-Philharmonie eine Premiere in gleich mehrfacher Hinsicht. Im „kleinen Jubiläumsjahr“, dem fünften seit der Eröffnung, startet das Konzert- und Veranstaltungshaus mit „ . . . und jetzt ihr!“ eine neue Veranstaltungsreihe. Fünf solcher Projekte sind vorgesehen, und mit allen öffnet die von Freunden und Mitwirkenden liebevoll „Tauphi“ genannte Einrichtung die Türen weit für junge Macher und Macherinnen von 16 bis 25 Jahren. Das geht gut – dank Unterstützung aus dem „Innovationsfonds Kunst“ des Kultur- und Wissenschaftsministeriums des Landes.
Souverän agiert
Begeistert zugegriffen hat die junge inklusive Theatergruppe der Studiobühne im Kulturverein Bad Mergentheim „Made for Stage“. Beim Debut in der Tauber-Philharmonie präsentierten die Akteure eine komplette Theater- und Tanzrevue mit intensivem Schauspiel unter dem Titel „Der Weg der tausend Masken“. Rock, Pop, Rap und Musicalsounds und -songs, eine nebeldurchwogte Lichtinszenierung vom Feinsten, eine perfekt gestaltete Kostümvielfalt (Roswitha Kraus) sowie die gekonnte Maske (Hannah Brügel) machten die Aufführung unter der Regie von Jule Ries und ihrer Regieassistentin Jana Lauer zu einem echten Erlebnis. Souverän agierten die Darsteller auf der großen Konzertsaalbühne, so dass bis zum ersten Szenenapplaus grad mal ein paar Minuten verstrichen.
Erst ein Einstieg in nebligblau und mystisch düstere Verlorenheit: Jule Glück spielt eindrucksvoll das „Ich“, das alle Rollen längst gespielt und alle Masken längst getragen hat und sich darüber ganz und gar verlor. Wer bin ich eigentlich? Das „Ich“ sucht Rat, zuerst bei der von Bettina Friedmann sehr schön dargestellten Wahrsagerin mit ihrer Glaskugel. Die schickt die Hauptperson auf die Suche nach sich selbst und verspricht Begegnungen, die weiter helfen. Träumerisch macht sich das Mädchen auf den Weg, trifft das Theater (Niclas Straka), das Traumrollen möglich macht, die ruhige, zugewandte Rose (Jule Ries, die zugleich die Regie führt), den aufgedrehten Entertainer (Charlotte Trüstedt), den köstlich schräg gestalteten Professor Doktor Notorius (Ruben Knors) und das Kind (Can Luca Straka), die Schokolade empfehlen, die Unsicherheit (Selina Väth), die die Verlorene verständnisvoll auffängt, und auch den Alptraum. Sie alle, sämtlich Aspekte des suchenden Ichs, helfen mit Fragen, Anspiel, Anregungung, Aufmunterung, mit Schweigen, Tanz, Tipp, Scheinangriff, agieren als einfühlsamer Verteidiger, aufbauender Mutmacher. Und alle, selbst der Alptraum, der „Schatten deiner Seele“ – grandios dargestellt von Nelia Stöckle – nehmen die verzeifelt sich selbst Suchende genau so an, wie sie ist.
Ganz einfach groß ist es, wie Nelia Stöckle und Jule Ries spielend und singend interagieren, gekonnt agiert Niclas Straka als „Theater“ helfend und schützend, perfekt aufeinander eingespielt ist das Trio Entertainer, Professor und Kind, als eine Art griechischer Chor agiert das gesamte Ensemble extatisch tobend, in wiegendem Tanz und lange gehaltenen Freeze-Posen um die wechselnden Zentralfiguren. Das Publikum wird mitgenommen auf eine Traumreise ins eigene Ich.
Großartig präsentierte die nach Information des Kulturvereins als Inklusions- und Spaßprojekt unter der Leitung von Jule Ries gestartete „Made for Stage“-Truppe ihre philosophische Theater- und Tanz-Revue. Eher nebenbei erwähnt „Made for Stage“ die Sache mit der Inklusion, denn die gehört schon fest eingewachsen mit dazu. Hier bilden Menschen mit und ohne Handicap ein vielfältiges Ganzes. Mit faszinierenden Choreografien, Licht-, Farb-, Masken- und Musikkonzepten hat die Regisseurin die große Runde durch die Gefühlswelt sehr authentisch gestaltet. Mit sichtbarer Spielfreude zeigte „Made for Stage“ den rund 240 Gästen, dass sie schon ganz schön was drauf haben.
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