Land und Leute - Ulrich Wüster und Nicola Bodenstein-Polito von der Musikakademie Schloss Weikersheim sind „im Grunde optimistisch“

Auch in der Corona-Flaute zuversichtlich

Von 
Inge Braune
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Mit Optimismus durch die Corona-Krise: Ulrich Wüster, JMD-Generalsekretär und Leiter der Musikakademie Schloss Weikersheim, und die stellvertretende Leiterin der Musikakademie, Nicola Bodenstein-Polito, hoffen auf einen baldigen Neustart des quirligen Musiklebens in Weikersheim. © Inge Braune

Trotz der aktuellen Corona-Flaute strahlen sie Zuversicht aus: „Wir machen, was geht!“, sagen Ulrich Wüster und Nicola Bodenstein-Polito von der Musikakademie Schloss Weikersheim.

Weikersheim. „Es hätte ein Rekordjahr werden können“, sagt die stellvertretende Leiterin der Musikakademie Nicola Bodenstein-Polito. Mit 33 000 Übernachtungen hatten sie und Akademieleiter und der Generalsekretär der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD), Ulrich Wüster, das Jahr kalkuliert, zusätzliche Anfragen von Orchestern, Chören und Vereinen ließen auf locker 35 000 Übernachtungen hoffen.

Das Jahr ging bestens los: Zu Gast waren unter anderem das Bayerische Landesjugendorchester, die Junge Deutsche Philharmonie, das Landesblasorchester Baden-Württemberg und diverse Schulorchester mit jeweils rund 100 Teilnehmenden. Dann kam Corona und damit eine regelrechte Crash-Bremsung aus vollem Lauf. Wo gerade eben noch quirliges Leben herrschte, die Probenklänge von Chören in den Schlosshof perlten und Besucher des Residenzschlosses sich über liebliche Streicherklänge freuten, herrschte plötzlich Stille. Auch in der Altstadt war kein von Gelächter und Geplauder begleitetes Rollkofferrattern mehr zu hören.

Dafür liefen in den Jeunesses-und Akademiebüros die Telefone heiß: Eine Absage nach der anderen. Klassenfahrtverbote verhinderten Schulchoraufenthalte, Musikschulen und Orchester in kommunaler Trägerschaft zogen schnell nach, es folgten Musikvereine und Chöre in freier Trägerschaft. Aus. Dann die Anordnung zur Schließung der Akademien.

Das Führungsduo Wüster und Bodenstein-Polito reagierte schnell: Mit nahezu 100-prozentiger Kurzarbeit fürs Logierhausteam wurden Kündigungen vermieden – abgesehen von einzelnen Freistellungen von Aushilfskräften.

In den Büros rauchten die Köpfe: Hilfsprogramme für Musikakademien? Fehlanzeige. Soforthilfe? Gibt’s nicht für gemeinnützige Organisationen. Die Umsatzeinbußen liegen bereits jetzt im mittleren sechsstelligen Bereich. Während die JMD in der Coronazeit auf flexibel nutzbare Fördermittel setzen kann, muss die von der Kommune getragene Musikakademie 90 Prozent ihrer Kosten durch die Gäste erwirtschaften – in diesem Jahr schlicht nicht mehr zu schaffen. Jetzt hoffen die bundesweit vernetzten Musikakademien auf Förderung aus Bundesmitteln.

Der letzte große JMD-Kurs, der stattfinden konnte, war das „Young Cello Camp“ für 13- bis 16-jährige junge Cellisten. Abgesagt werden mussten in der Folge unter anderem der Kammermusikkurs für Kinder und Jugendliche, das Childrens Cello Camp, das Junior Geigen Camp und, und und.

Musik lebt von Begegnung

Bitter ist das für Nicola Bodenstein-Polito: Vor zwei Jahren trat die gebürtige Kielerin ihren Posten als stellvertretende Akademieleiterin in Weikersheim an, fand in Schäftersheim ein Domizil mit historischer Atmosphäre, das auch die Familie – sämtlich Musiker – schätzt.

Die JMD-Referentin „Internationales“ betreut unter anderem das Jeunesses-Förderprogramm für internationale Begegnungen „jeunesses:ensemble“, das jungen Menschen aus verschiedenen Ländern gegenseitigen Austausch in der Orchestergemeinschaft ermöglicht. Der Job ist wie gemacht für die mit einem Italiener verheiratete Querflötistin: Musik lebt von Begegnung und ist international. Und jetzt regiert in der Akademie das Prinzip Hoffnung. Mit Genehmigung der Stadt Weikersheim man unter Berücksichtigung der Hygienevorschriften ab dem 5. Juni wieder öffnen. Das würde zumindest das von jungen Musikern selbst gestaltete mu:v-Camp ermöglichen.

Seit einem Jahrzehnt eröffnet es regelmäßig rund 100 Teilnehmenden neue Wege zur Musik, indem es Genre-Grenzen zwischen Klassik, Pop und Modern Dance durchbricht. Schon seit knapp zwei Jahren laufen die Vorbereitungen hierfür. Jetzt müssen die acht jungen Leute, die das Projekt organisieren, kreativ umplanen.

Man will der Situation das Beste abgewinnen und dieses Jahr ein ganz anderes gemeinsames Musikerlebnis ermöglichen. Das ist schon deshalb notwendig, weil Corona gemeinsame bunte „Action“, sonst unverzichtbar bei den Kursen und Workshops, unmöglich macht.

Mit neuen Angeboten wie „Spielraum – play 1 day“ oder „Spielraum – stay & play“ für ein- und mehrtägige Aufenthalte geht die Musikakademie ab Anfang Juni neue Wege. Auch Gruppen sollen so ohne Ansteckungsrisiko proben und spielen können. Fünf Gebäudesektionen ermöglichen es, die Gruppen strikt voneinander abzuschotten. Die Einzelbelegung der Doppelzimmer, Einbahnregelungen in Fluren und Plexiglas-Schutz für Bläser, Abstandsregelungen, Kontakteinschränkungen und Hygienemaßnahmen bieten bestmöglichen Schutz.

Sorgen bereitet Wüster die im kommenden Jahr anstehende Junge Oper: Mindestens 7000 Karten müssen verkauft werden, um das alle zwei Jahre stattfindende Event zu stemmen. Das kann nur funktionieren, wenn die Tribüne komplett genutzt werden darf. Aktuell noch kaum vorstellbar.

Obwohl die Nichtplanbarkeit Nerven kostet, laufen die Vorbereitungen für Bizets „Carmen“ auf Hochtouren. Dirigent Elias Grandy, seit 2015 Generalmusikdirektor des Theaters und Orchesters in Heidelberg und das Bundesjugendorchester sind fest eingeplant.

Ab Sommer, vor dem öffentlichen Kartenvorverkauf, können sich Opernfreunde mit Gutscheinen Platzwahlvorrechte und Einblicke hinter die Kulissen der entstehenden Oper sichern. Sorgen bereitet auch die TauberPhilharmonie, sozusagen das „Baby der JMD“, die dank eines vielfältigen und erlesenen Startprogramms gut angenommen worden war.

Jetzt werden in Kooperation mit der JMD Terrassenkonzerte angedacht, große Orchester wie die für den 8. Juli angekündigte Deutsche Streicherphilharmonie überlegen Konzertsplittungen, um trotz geltender Abstandsgebote möglichst vielen Musikfreunden ein Konzerterlebnis zu ermöglichen.

„Machen, was geht“

„Im Grunde sind wir optimistisch“, fasst Ulrich Wüster die Empfindungen zusammen. Nicola Bodenstein-Polito freut sich, dank der Musikschule Hohenlohe, die derzeit in den von der JMD nicht genutzten Probenräumen unterrichtet, wieder Kinder mit Gitarren über den Marktplatz laufen zu sehen.

„Wir werden machen, was geht“, verspricht der JMD-Generalsekretär, der möglicherweise im Dezember die Generalversammlung des Jeunesses-Weltverbandes in Weikersheim begrüßen wird. In Kapstadt, dem eigentlich vorgesehenen Austragungsort, ist Corona im Moment nämlich auf dem Vormarsch.

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