Tauberphilharmonie eröffnet Saison

Aris Quartett verwandelt Weikersheim in ein Klangwohnzimmer

Das Aris Quartett brillierte in Weikersheim mit Mozart, Schostakowitsch und Brahms – kammermusikalisch nahbar, präzise und tief berührend.

Von 
Felix Röttger
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Ein Ensemble wie aus einem Guss: Das Aris Quartett überzeugt mit klanglicher Geschlossenheit und emotionaler Tiefe. © Felix Röttger

Weikersheim. Schon der Saisonauftakt der Tauberphilharmonie Weikersheim ließ aufhorchen: Barock trifft Grunge; das Stuttgarter Kammerorchester und Countertenor Christopher Ainslie wagten den Spagat zwischen Purcell und Nirvana. Beim zweiten Konzert ging es dann kammermusikalisch zur Sache: Das Aris Quartett zeigte, wie viel Spannung in feinster Abstimmung und klanglicher Präzision steckt.

„Brahms im Wohnzimmer“ war das Motto, als das international gefragte Frankfurter Ensemble in dem mit einem Vorhang geteilten Saal so nahbar und intensiv aufspielte, als wäre man Gast bei einem privaten Hauskonzert. Intendant Johannes Mnich verstand es zuvor, die Zuhörer mit einer ebenso kenntnisreichen wie anregenden Einführung auf neue Hörerfahrungen einzustimmen. Er stellte Anna Katharina Wildermuth, Noémi Zipperling (beide Violine), Caspar Vinzens (Viola) und Lukas Sieber (Cello) als „Residenzkünstler“ vor, die 2026 am 25. Januar und 20. Juni mit Werken von Schubert und Ravel zurückkehren, um erneut das „Wohnzimmer“-Motto literarisch und klanglich neu auszulegen. In wenigen Tagen brechen sie zu einer Nordamerika-Tournee auf.

Gewürdigt wurde die langjährige Verbindung des in Originalbesetzung spielenden Quartetts zu Weikersheim, die weit über gelegentliche Gastspiele hinausreicht. Bei vielen Kammermusikkursen der Jeunesses Musicales - zuletzt 2016 - genossen die Musiker intensive Nachwuchsförderung und gezielte Vorbereitung aufs Spitzenniveau. Bis heute kehren sie deshalb gerne immer wieder zurück – ganz so, wie seinerzeit Boris Becker, dem die Medien den Centre Court von Wimbledon als „Wohnzimmer“ zuschrieben. Auch Weikersheim ist für das Quartett ein Ort, der weit über die Bühne hinaus Bedeutung trägt.

Von klassischer Strenge zu expressiver Tiefe

Mit Mozart, Schostakowitsch und Brahms spannte das Programm einen Bogen von barocker Strenge über sowjetische Ironie bis zur romantischen Dichte. Und obwohl der Saal groß war, gelang es dem Quartett, die Musik als Einladung zur Nähe zu formen, sodass ihr Musizieren intensiv, direkt und voller Zwischentöne wie ein vertrautes Gespräch wirkte.

Mozarts Adagio und Fuge KV 546 wurde mit barocker Wucht in klassischer Form zur klanglichen Brücke in die Moderne. Das Aris Quartett spannte sie mit feierlicher Ruhe und kontrapunktischer Präzision, die selbst im großen Raum nichts an Transparenz verlor.

Innere Zerrissenheit und Widerstand

Mit feinem Gespür für dessen Doppelgesichtigkeit interpretierte das Aris Quartett Schostakowitschs Streichquartett Nr.3. Die scheinbare Heiterkeit des ersten Satzes blieb nicht ungebrochen, sondern wurde mit subtilen Brüchen und ironischen Untertönen durchzogen. Die eruptiven Momente wirkten wie aufgestaute Energie, die sich unter dem Druck stalinistischer Zensur Bahn brach. So wurde hörbar, wie das Ensemble die musikalische Maskerade vielschichtig und mit beeindruckender klanglicher Transparenz als Ausdruck innerer Zerrissenheit und Widerstand interpretierte.

Zum Herzstück des Abends wurde Brahms Streichquartett a-Moll op. 51 Nr. 2. Geboten wurde treffend ein „Brahms im Wohnzimmer“: keine monumentale Romantik, sondern intime Klangkultur mit atmender Phrasierung, warmem Ton und dialogischer Tiefe. Eine unnachahmliche Mischung aus Melancholie und Gelassenheit, die Brahms so unverwechselbar in Noten fassen konnte.

Zwei Zugaben spendierte das Ensemble dem dankbaren Publikum. Erst ließ es mit einem Fragment aus „Die Kunst der Fuge“ einen Hauch von Bachs kontrapunktischer Meisterschaft anklingen. Mit Dvořáks Lied „Rings die Natur nun in Schlummer und Träumen“– ursprünglich für Singstimme und Klavier, später vom Komponisten selbst für Streichquartett eingerichtet – verabschiedete sich das Aris Quartett und überließ die Nacht dem Nachklang.

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