Ortsbegehung I - Gemeinderäte besichtigten aktuelle und geplante Baugebiete in der Kernstadt und in den Stadtteilen

„Wir sind nicht größenwahnsinnig“

Von 
Ralf Scherer
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Georg Feit (Dritter von links) erläuterte in der Alten Amorbacher Straße die Grundzüge eines möglichen Baugebiets „Neuer Wasen“. © Ralf Scherer

Walldürn. Seit Mitte August im Rahmen der Offenlage des Vorentwurfs des Flächennutzungsplans 2030 des Gemeindeverwaltungsverbands Hardheim-Walldürn bekannt wurde, in welchem Umfang in Walldürn neue Baugebiete ausgewiesen werden sollen, reißen die Diskussionen nicht ab. Befürworter argumentieren mit der Notwendigkeit, Bauplätze für Familien zu schaffen. Gegner der Planung kritisieren den Flächenverbrauch und positionieren sich für den Erhalt des Naherholungsgebiets „Wasen“.

Angesichts der kontrovers geführten Debatten und der Tragweite der Planung überraschte es kaum, dass am Freitag im Rahmen der Ortsbegehung des Gemeinderats fast ausschließlich aktuelle und etwaige neue Baugebiete auf dem Besichtigungsprogramm standen.

Beginnend in Altheim fuhren die Teilnehmer 13 Stationen in Walldürn und sämtlichen Stadtteilen an. Zu jeder Fläche erläuterten Bürgermeister Markus Günther, Bauamtsleiter Christian Berlin, dessen Stellvertreter Georg Feit sowie die jeweiligen Ortsvorsteher die Daten und Fakten, angefangen bei der Größe der Flächen über die Zahl der realisierbaren Bauplätze bis hin zu örtlichen Besonderheiten.

Große Nachfrage

14 von 30 Gemeinderäten nutzten die Gelegenheit, sich vor Ort über die Planung zu informieren. An den Stationen „Gütleinsacker III“ (23 Bauplätze) in Altheim sowie „Lindig“ (67 Bauplätze) in Walldürn sprachen die Vertreter der Verwaltung von einer anhaltend großen Nachfrage und gaben Auskunft über bereits verkaufte, reservierte und noch verfügbare Bauplätze. Für das geplante Baugebiet „Leinenkugel“ mit zunächst zehn vorgesehenen Bauplätzen haben sich nach Auskunft von Georg Feit bereits acht Interessenten gemeldet. Um darüber hinaus die Nachfrage decken zu können, schlug er die Erschließung eines Baugebiets „Neuer Wasen“ vor. Die Lage des 4,37 Hektar großen Areals zwischen der Hornbacher Straße und der Alten Amorbacher Straße sei für eine Wohnbebauung interessant. 45 neue Bauplätze könnten dort entstehen. „Ich tendiere, an dieses Gebiet zu gehen“, sagte Feit. Für den Geländekauf müssten rund 700 000 Euro einkalkuliert werden. „Wir müssten nächstes Jahr an den Grunderwerb gehen, um rechtzeitig Gelände zur Verfügung stellen zu können.“

Bevor die Teilnehmer der Ortsbegehung von der Alten Amorbacher Straße aus einen Blick aus der Ferne auf das von der Verwaltung angestrebte und von vielen Bürgern kritisierte Baugebiet „Vorderer Wasen II“ (8,74 Hektar) warfen, verteidigte Bürgermeister Günther die Flächennutzungsplanung. „Wir sind nicht größenwahnsinnig“, sagte er. „Der Bedarf ist da, wir müssen ihn schnell decken.“ Dank einer konsequenten Durchsetzung von Baugebieten in der Vergangenheit seien in Walldürn zum Ende des vergangenen Jahres 11 704 Einwohner gemeldet gewesen. „Die Bevölkerung geht definitiv nicht zurück“, so Günther.

Er warnte vor einem Stillstand wie zu Beginn der 1990er Jahre, als die Stadt keine Bauplätze habe anbieten können. „Die Bürger erwarten von uns, dass wir vorausdenken.“ Mit der Flächennutzungsplanung würden ohnehin nur Ziele formuliert. „Die Bauleitplanung ist unverbindlich. Das heißt nicht, dass es so kommt“, betonte Günther einerseits, ließ jedoch andererseits keinen Zweifel daran, dass die Planung durchgesetzt werden soll: „So schwierig das ist. Wenn wir nicht darauf losgehen, haben wir keine Chance.“ Das sei man nicht nur den Bürgern, sondern auch den Unternehmen schuldig. „An die leerstehenden Grundstücke in der Kernstadt kommen wir seit 20 Jahren nicht ran“, sagte Günther mit Blick auf die zahlreichen Baulücken. „Daran wird sich auch in den nächsten 20 Jahren nichts ändern.“

Deshalb sei das Areal „Wasen“ die letzte für Wohnbebauung verfügbare Fläche, „wenn man nicht in den Wald gehen will“. „Es ist schön hier“, konstatierte der Bürgermeister schließlich beim Blick über das Naherholungsgebiet. „Aber unser Bedarf liegt momentan woanders.“

Auffallende Zurückhaltung

Während bei den vorangegangenen Stationen die eine oder andere Frage gestellt wurde, hielten sich die Gemeinderäte beim Thema „Wasen“ auffallend zurück. Kommentarlos machten sie sich auf den Weg zu den in den Stadtteilen geplanten Baugebieten.

Ein Abstecher zum 1991 beschlossenen Baugebiet „Steinacker/Auerberg II“ in Walldürn stand nicht auf dem gut fünfstündigen Besichtigungsprogramm.

Dort hätte sich die Gelegenheit geboten, den Gemeinderäten zu erläutern, weshalb das Gelände nicht für eine Wohnbebauung erschlossen werden kann.

Flächennutzungsplanung 2030 im Überblick

Wohnbauflächen, die aus dem Flächennutzungsplan 2015 übernommen werden sollen:

  • Altheim: „Gütleinsacker IV“ (0,92 Hektar Mischbaufläche)
  • Gottersdorf: „Hebwiesen“ (0,56 Hektar Mischbaufläche)
  • Wettersdorf: „Hausacker“ (0,75 Hektar Mischbaufläche)
  • Walldürn: „Neuer Wasen“ (4,37 Hektar Wohnbaufläche und 0,35 Hektar Mischbaufläche).

Wohnbauflächen, die zusätzlich in den Flächennutzungsplan 2030 aufgenommen werden sollen:

  • Gerolzahn: „Hintere Steinäcker“ (1,37 Hektar Wohnbaufläche)
  • Glashofen: „Im Steinig II“ (0,46 Hektar Wohnbaufläche und 0,63 Hektar Mischbaufläche), „Nördlicher Friedhof“ (0,65 Hektar Wohnbaufläche)
  • Hornbach: „Großhornbach Nord“ (0,69 Hektar Wohnbaufläche), „Kleinhornbach West“ (0,26 Hektar Wohnbaufläche)
  • Neusaß: „Neusaß Südost“ (0,36 Hektar Wohnbaufläche)
  • Reinhardsachsen: „Reinhardsachsen West“ (0,43 Hektar Wohnbaufläche), „Rainweg“ (0,43 Hektar Wohnbaufläche)
  • Walldürn: „Leinenkugel“ (2,83 Hektar Mischbaufläche), „Roter Weg“ (0,65 Hektar Wohnbaufläche), „Vorderer Wasen II“ (8,74 Hektar Wohnbaufläche)
  • Wettersdorf: „Geisberg“ (0,69 Hektar Wohnbaufläche). rs

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