Walldürn. Die beiden ersten Teile unserer Berichtsserie befassten sich mit den Gründungsjahren der „Löwenlichtspiele“, dem Neubeginn nach dem II. Weltkrieg und der Boomer-Zeit in den 60er Jahren. Bereits seit 1930 wurden das Walldürner Kino durch die Familie Stumpf betrieben.
Quasi als Vorfilm wurde immer die „Fox Tönende Wochenschau“ gezeigt, deren Anspruch es war, die aktuellen Bilder und Nachrichten aus der Welt in rund zehn Minuten zu präsentieren. Wochenschauen galten als Vorläufer der Fernsehnachrichten. Die wachsende Konkurrenz durch das Fernsehen führte dazu, dass in der BRD 1986 die letzte Wochenschau in die Kinos kam. Die Kinobesucher nutzten, sofern das Kleingeld reichte, auch die Möglichkeit, den Film- mit einem kulinarischen Genuss zu koppeln. Bereits im Jahr 1952 erhielt Maria Stumpf von der Stadtgemeinde eine Ausnahmegenehmigung für den Verkauf von Süßwaren an Sonn- und Feiertagen und nach Ladenschluss im Vorraum des Lichtspieltheaters der „Löwenlichtspiele“. Neben der Kasse in einem Verschlag unter der Treppe zum dritten Stock gab es kein Popcorn, aber Schokolade, Kaugummi, Gummibärchen oder Schokoküsse (damals Mohrenköpfe) wurden zum Verzehr angeboten. Getränke waren im Saal nicht erlaubt. Nach Filmschluss musste, so Zeitzeuge Waldemar Stumpf, der Kinosaal gekehrt werden, denn es war durchaus üblich, die Hüllen der Leckereien einfach auf den Boden zu werfen.
Zahlen und Fakten
- 235 verschiedene Filme liefen 2024 in den Löwenlichtspielen.
- Insgesamt gab es im vergangenen Jahr 1.996 Vorstellungen .
- Erfolgreichster Film 2025 bislang ist „Das Kanu des Manitu“ . Bis heute gab es 116 Vorstellungen und über 3.800 Besucher in Walldürn.
- Weiterer angekündigter Top-Film 2025 ist „Avatar Fire & Ash“ , der ab 17. Dezember läuft.
- Besucherstärkster Film in den vergangenen zwölf Jahren war „Avatar – The Way of water“ , der ab Dezember 2022 lief.
- Social-Media-Präsenz über Instagram @loewenkino mit 1.274 Followern, Facebook und Homepage www.kino-wallduern.de mit komfortabler Online-Platzbuchung.
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Ein großer Werbeträger für die Löwenlichtspiele war erstaunlicherweise die Kirche, denn neben dem Eingang zur Basilika war ein Schaukasten angebracht, in dem das Programm und die dazu gehörenden Kurzbewertungen des katholischen Filmdiensts angeschlagen und beim sonntäglichen Kirchgang angeschaut wurden.
„Unser Kino darf nicht sterben“
Genutzt wurde der Kinosaal von 1968 bis 1970 zeitweise auch als Proberaum der Walldürner Band „Wayouts“, bei der neben Gitarrist Waldemar Stumpf auch Erhard Lang (Gitarre), Wolfgang Mittner (Bass), Bernd Ballweg (Orgel) sowie Gerd Sperr (Schlagzeug) mitwirkten. Nach der Ära Stumpf folgte als Betreiber von 1979 bis November 1996 Herbert Meisenzahl aus Miltenberg. Waldemar Stumpf veräußerte dann das Gasthaus Löwen 1997 an K.J. Gramlich, Ravenstein-Erlenbach, und den Kinotrakt gesondert an Alfred Speiser aus Weinheim. Mit Fördermitteln im Rahmen der Stadtsanierung „Innenstadt“ durch das Land Baden-Württemberg und die Stadt Walldürn baute der „Dorfkinokönig“ Speiser, der im süddeutschen Raum insgesamt 14 Landkinos betrieb, die Löwenlichtspiele in zwei Filmsäle mit 139 beziehungsweise 130 Sitzplätzen um und eröffnete im April 1999.
Ausgestattet wurden die Kinos mit modernster Technik und einer Bestuhlung in gehobener Qualität anstelle des doch antiquierten bisherigen Kinosaals. Das Kino erhielt einen separaten Eingang vor der Hauptstraße. Ein deutliches Bekenntnis für den Erhalt beziehungsweise die Wiedereröffnung des Kinos in Walldürn gab es im Herbst 1996 durch den Arbeitskreis „Kino für Walldürn“ und mit der Aktion „Unser Kino darf nicht sterben“, bei der, ausgehend von der Schülerin Alisa Schneider als Initiatorin, binnen kurzer Zeit 1.808 Unterschriften von Kino-Enthusiasten gesammelt wurden, die ein deutliches Zeichen für die Aufrechterhaltung dieses Kulturguts setzten. In die Ära Speiser fiel auch der von Achim Ullrich gegründete „Löwen- Kinoklub“ (ab 2001), bei dem die rund 50 Mitglieder ihre Wunschfilme vorschlugen und gewisse Ermäßigungen erhielten.
Mit dem früheren Kartenabreißer aus Künzelsau beginnt die neue Ära
Auf Speiser folgte Muli Muc, Hoppstädten-Weilerbach und seit 2013 betreibt Nenad Tomasinjak aus Künzelsau die Löwenlichtspiele. Er ist in diesem Metier ein alter Hase, begann seine „Karriere“ als Kartenabreißer in seinem Heimatort, hat an der Süßwarentheke gearbeitet, war Filmvorführer und hat von 2005 bis 2012 das Casablanca-Kino in Bad Mergentheim sowie das Prestige-Filmtheater in Künzelsau geleitet. 2013 fasste er nach langer Überlegung den Entschluss, das Walldürner Kino zu übernehmen. Dabei sah Tomasinjak, der auch Mitgesellschafter im Künzelsauer Filmtheater ist, die besten Chancen beim Schritt in die Selbständigkeit. Die moderne digitalisierte Technik, die energetischen Voraussetzungen und das „Kino-Monopol“ im Altkreis Buchen bewegten den Kinobetreiber, in Walldürn einzusteigen. In den Jahren seitdem erfolgten größere Investitionen in die Bildtechnik, das „VPT-Intense-3D-Soundsystem“, die Beleuchtung oder in die Vollklimatisierung der beiden Kinosäle. Vor zwei Jahren wurde die „Löwen-Lounge“ mit 55 gemütlichen Sofaplätzen in edlem Ambiente umgebaut und im Jubiläumsjahr das Foyer komplett neugestaltet. Im zweiten Saal können 148 Filmenthusiasten Kino „erleben“.
In den vergangenen Jahrzehnten mussten viele Kinos auf dem Land schließen, so auch in unserer Region in Buchen (Odenwaldlichtspiele ab 1919, Odin-Filmtheater, ab 1954 Gloria bis 2010), in Seckach (Rosen-Lichtspiele ungefähr von 1957 bis 1961), in Höpfingen (Odenwald-Lichtspiele bis 1969), in Hardheim (Erftal-Lichtspiele ab 1938), in Osterburken (Film-Lichtspiele, später Scala bis 2002) oder in Adelsheim (Fränkische Lichtspiele von 1951 bis 1977). Nach Angaben der Filmfördergesellschaft (FFA) gab es 2024 nur noch 239 feste Kinospielstätten in Baden-Württemberg. Eine davon sind die Löwenlichtspiele in Walldürn, wo heute, nach einem Jahrhundert, dem traurigen Abwärtstrend trotzend, immer noch Filme laufen und das, so Tomasinjak, mit großem Erfolg und konstanten Besucherzahlen. Ob Sneaks (Überraschungsfilme mit Aufführung vor dem Bundesstart), Sondervorstellungen, Events wie Geburtstagsfeiern oder das Strickkino, Kino-Abo, Schulkino oder auch mal Puppentheater – immer wieder gibt es neue innovative Ideen. Und, wenn jemand das Kino für eine Vorführung oder Veranstaltung mieten will, ist auch das machbar. „Einfach fragen“, so Kinoleiter Florian Munz.
Im Kalender rot anstreichen sollte man sich den 26. Oktober. Denn da wird das 100-jährige Jubiläum mit zahlreichen Aktionen wie Sondervorführungen, Verlosungen, Kinderprogramm und vielem mehr den ganzen Sonntag mit allen Fans der Löwenlichtspiele gefeiert.
(Quellenangaben: Film- und Kinomuseum Biberach, www.allekinos.com, Stat. Landesamt Baden-Württemberg)
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