100 Jahre Walldürner Kino, Teil 1

Walldürn: Die ersten Kinofilme wurden in der Turnhalle in der Keimstraße gezeigt

1925 waren die ersten Vorführungen im großen Saal des Gasthauses „Löwen“ zu sehen. 1934 wurden insgesamt 6.000 Besucher gezählt.

Von 
Joachim Dörr
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Das Gasthaus „Löwen“in Walldürn um 1900. Hinter den heute noch vorhandenen drei Fensterattrappen (links über dem Torbogen) war der Löwensaal. © Repro: Wolfgang Vogler

Walldürn. Denkt man an alte Kinos, so stellt man sich Filmprojektoren vor, durch die Filmrollen laut rattern und die ein körniges Bild auf die Leinwand projizieren. Und so begann auch in Walldürn Anfang des 20. Jahrhunderts diese neue Art der Unterhaltung, das sogenannte Lichtspieltheater, das kurz darauf Kino genannt wurde. Umherziehende Kinematographen zeigten Stummfilme, und in der neu erbauten Turnhalle in der Keimstraße wurden im Juli 1912 bei der ersten Vorführung mehrere Kurzfilme vorgeführt: „Die Schreckenskatastrophe der Titanic“, „Im Londoner Tierpark“, „Strandung eines Fischerboots“ und eine Auswahl biblischer Szenen.

1921 wurde Karl Müller, dem Besitzer der „Odenwaldlichtspiele“ in Buchen, vom Gemeinderat Walldürn die Genehmigung für 30 Kinovorstellungen erteilt. Drei Jahre nach der Eingabe Müllers übernahm eine Gruppe von fünf Walldürnern (Heinrich Trunk, Alois Schneider, Wilhelm Berberich, Friedrich Gaukel, Valentin Eder) die Filmvorführungen mit der Begründung, dass doch auch ein örtliches Konsortium „das Geschäft machen könnte“. Dieses Konsortium erhielt den Namen „Fränkische Lichtspiele Trunk & Co. Walldürn“ und zeigte weiterhin Stummfilme mit Untermalung in der Regel von Grammophonmusik.

Filme wie „Ben Hur“ machten in Walldürn Furore

1925 machten die Film-Hits „The Gold Rush“ mit Tramp Charlie Chaplin oder der Monumental-Film „Ben Hur“ Furore. In diesem Jahr, als in Deutschland bereits über 3.000 Kinos betrieben wurden, richteten die Wirtssöhne des Gasthauses „Löwen“, Willy und Heiner Crezeli, im bisherigen großen Saal das erste ständige Kino in Walldürn mit 250 Sitzplätzen ein. Nach den Bauplänen des Architekten Hermann Bonn aus Walldürn vom 28. Juli 1925 hatte der Kinosaal eine Grundfläche von 124 Quadratmetern. Dazu kam im hinteren Teil ein Podium mit weiteren 73 Quadratmetern. Ohne Notsitze waren im Saalbereich 147 Sitzplätze vorhanden, auf dem Podium weitere 74. Das erforderliche Equipment für den Betrieb wurde von den Betreibern der „Fränkischen Lichtspielen“, die Probleme aufgrund Sicherheitsvorschriften und Schulden hatten, deren Mutter, der Witwe Aloisia Crezeli, geborene Oexner, zum Kauf angeboten. Die Deutsche Kinemathek, Berlin, vermutet auf Anfrage, dass eventuell der Projektor „Saxonia IV“ von Nitzsche in Walldürn verwendet wurde, der ab 1920 gebaut wurde. Friedrich Gaukel erreichte bei der Abnahmeprüfung im Fachunterricht für Kinematographie eine zufriedenstellende Leistung bei der Bedienung der Kinematographen der Firma Nitzsche aus Leipzig und erhielt vom Badischen Revisionsverein Mannheim die Erlaubnis, als Lichtbildvorführer tätig zu werden.

Im Jahr 1926 taucht erstmals der Begriff „Löwensaal“ in den Akten des Stadtarchivs auf. Das Gasthaus „Löwen“ in der Walldürner Hauptstraße aus dem 17. oder 18. Jahrhundert hatte im Untergeschoss die geräumige Gaststube, während sich im Anbau links davon der höher gelegene Tanzsaal befand, in dem Feste gefeiert wurden und zur Kirchweih der Hammel herausgetanzt wurde. Das Badische Bezirksamt erteilte am 24. September 1925 die Zustimmung zur Errichtung des Kinos im Tanzsaal des Löwen, am 13. November1925 nach Erfüllung von Auflagen die Erlaubnis zur Inbetriebnahme. Bei Bedarf wurde der Saal für Feste, wie den Kickers-Ball, eine damals gesellschaftliche Attraktion, ausgeräumt. Der Namen „Löwenlichtspiele“ erscheint in den Unterlagen erstmals 1935.

Die Ära Stumpf beginnt 1930

Das gesamte Gebäude mit Gaststätte und Lichtspieltheater geht am 18. Febraur 1930 an Otto Stumpf (zuvor Wirt auf dem „Schlüssel“) über, als Finanzprobleme zum Besitzerwechsel zwangen. Ab Juli 1930 wurde der Kinobetrieb nach kurzer Unterbrechung wieder aufgenommen. Als Vorführer ist in den Archivalien des Generallandesarchivs Karlsruhe Franz Gaukel benannt. Nun wurden auch schon die ersten Tonfilme gezeigt. Einer der ersten Tonfilme war „Der Kongress tanzt“ mit Marika Röck in einer der Hauptrollen. Aus einer Abfrage des Badischen Statistischen Landesamts geht hervor, dass 1934 insgesamt 6.000 Besucher gezählt wurden. Im Kino standen zwei Öfen, die vor der Vorstellung mit Holz und Briketts geschürt wurden. Nach dem Tod von Otto Stumpf am 09. Mai 1941 führte dessen Witwe Maria Stumpf, geborene Hefner, die Löwenlichtspiele, in der zu dieser Zeit „Hindenburgstraße“ genannten Hauptstraße weiter. Im Landkreis Buchen gab es nach einem Schreiben des Landratsamts Buchen neben Walldürn nur ortsfeste Lichtspieltheater in Buchen und in Hardheim. Während des Zweiten Weltkriegs wurden vor allem Filme der nationalsozialistischen Propaganda gezeigt, die das Soldatentum der Wehrmacht verherrlichten und solche, deren Inhalte geeignet waren, die Kinobesucher in der schweren, von schrecklichen Ereignissen geprägten Zeit, aufzumuntern und zu erheitern, beispielsweise „Die Feuerzangenbowle“, „Große Freiheit Nr. 7“ oder „Münchhausen“. Da nur eine Vorführmaschine vorhanden war, mussten die Filmrollen gewechselt werden, und die Zuschauer hatten Pause, bis es mit einer neuen Spule weiterging.

So sieht ein Filmprojekter aus den 1920-er Jahren aus. © Kinomuseum Biberach

Bis ins Jahr 1940 gab es in Walldürn an zwei Tagen pro Woche jeweils zwei Vorstellungen. Das Kino hatte zu diesem Zeitpunkt 200 Sitzplätze plus 60 Notsitze. Die Einwohnerzahl Walldürns betrug 4108. Wie der Zeitung „Volksgemeinschaft“, dem Kampfblatt der Nationalsozialisten für Franken, Odenwald und Bauland, vom 8. Juni 1939 zu entnehmen ist, stellte Otto Stumpf einen Antrag auf Genehmigung eines Kinoneubaus, da im Löwen aufgrund der beengten Lage des Gebäudes keine Erweiterung möglich sei: „Im neuen Bauviertel gegenüber der städtischen Turnhalle wird der Kino-Neubau entstehen, zu dessen Einrichtung bereits alle wesentlichen Vorbereitungen getroffen sind. Bequeme Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten durch Autos freuen in erster Linie die auswärtigen Besucher.“ wegen des Kriegsausbruchs musste das Projekt zurückgestellt werden.

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