Walldürner Stadtwald

Walldürn: Alt- und Totholzkonzept soll Artenvielfalt schützen

Vertreter des Forstamtes informierten den Gemeinderat über den aktuellen Zustand des Waldes. Themen wie Rekultivierung, Wegeinstandsetzung und Waldarbeit standen auf der Tagesordnung.

Von 
Stefanie Čabraja
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Der Walldürner Gemeinderat bekam Einblicke in die Waldarbeit. Gezeigt wurde der Einsatz eines Harvester. © Stefanie Čabraja

Walldürn. Zwischen herbstlich verfärbten Blättern und umgeben vom Duft von feuchtem Waldboden ging der Walldürner Gemeinderat am vergangenen Freitag buchstäblich „in den Wald“. Bei einer gemeinsamen Begehung mit Vertretern des Forstamts verschafften sich die Stadträte ein Bild vom Zustand des Walldürner Stadtwalds – und davon, welche Herausforderungen und Chancen in den kommenden Jahren auf diesen warten.

An mehreren Stationen zeigten die Fachleute, was derzeit im Forst passiert: von Rekultivierungsmaßnahmen und gezielter Durchforstung über das Kennzeichnen von Habitatbäumen bis hin zu Überlegungen, ein Konzept für Alt- und Totholz einzuführen. Auch ein immer wiederkehrendes Streitthema kam zur Sprache: die teils beschädigten Waldwege, die für Spaziergänger und Radfahrer zunehmend als Probleme wahrgenommen werden.

Rekultivierung: Ein Teil der Erddeponie im Distrikt „Lindig“ auf Glashofener Gemarkung ist vollständig verfüllt. Nun haben die Fachleute des Forstes sich damit beschäftigt, wie man die rund 1,8 Hektar große Fläche wieder bepflanzen und damit rekultivieren könne, erläuterte Forstamtmann Stefan Michel. Der Boden sei nun vorbereitet. Auf den freigemessenen und recht steinhaltigen Boden haben Arbeiter auf der gesamten Fläche rund 20 Zentimeter Mutterboden aufgetragen. „So haben wir oben guten Boden, in dem Wurzeln wachsen können“, betonte Michel. Dabei sei der schlechte Boden zuerst aufgelockert und der gute Boden darauf verteilt worden, ohne dass schwere Fahrzeuge darübergefahren seien, um den Boden nicht wieder zu verdichten. Schachbrettartig werden 13 verschiedene Baumarten gepflanzt.

Dabei handele sich um rund 8.000 neue Bäume. Ein Waldsaum werde mit rund 1.000 Sträuchern eingesät. Die verschiedenen Baumarten werden jeweils in einem Bereich von 20 auf 20 Meter gesetzt. „Wir pflanzen möglichst viele Baumarten, um zu sehen, welche davon überhaupt in diesem Bereich überleben können“, sagte Michel.

Die Bäume werden nicht gemischt gesetzt, da es sonst schwer sei, die Entwicklung der Bäume zu beobachten, und festzustellen, welche sich unter den örtlichen Bedingungen wie Wind, Kälte, Feuchtigkeit oder Trockenheit durchsetzen können. So könne man bei schlechter Entwicklung auch Leerstände besser identifizieren und gegebenenfalls neu bepflanzen. Unter anderem werden dort Sommer- und Winterlinden, Kirschbäume oder auch Hainbuchen zu finden sein. Auch über die Kosten klärte Michel auf: Die Materialkosten liegen bei 20.000 Euro. Die neuen Bäume müssen jedoch gepflegt werden, so dass in den nächsten fünf bis acht Jahren nochmals 70.000 Euro für den Arbeitsaufwand zu berücksichtigen sind. Die Kosten werden in das Budget des Walldürner Stadtbauamts einkalkuliert.

Vertreter des Forstamtes informierten den Gemeinderat und Mitarbeiter der Stadtverwaltung über Herausforderungen und Chancen im Stadtwald. © Stefanie Čabraja

Alt- und Totholzkonzept: Steffen Meyer, Leiter des Fachdienstes Forst des Neckar-Odenwald-Kreises, vertrat den Walldürner Forstbetriebsleiter Pascal Hecht bei der Begehung. Er betonte, dass die Waldarbeit neben der Landwirtschaft einer der gefährlichsten Berufsbereiche ist. „Bäume sind unkalkulierbar“, sagte er. Morsche Äste können herabfallen und die Arbeiter verletzen. Mit einem Alt- und Totholzkonzept (AuT) sei es möglich, mehr Sicherheit für die Arbeiter zu erreichen und dabei aber auch im Bereich des Artenschutzes Vorsorge zu tragen.

Das AuT sei freiwillig. Meyer empfehle, es im Walldürner Stadtwald umzusetzen. Bei dem Konzept wird auf die Nutzung von kleineren Beständen und Baumgruppen im Wirtschaftswald verzichtet. Dabei werden Bereiche gänzlich stillgelegt. Man unterscheidet zwischen Waldrefugien, das heißt größeren Beständen, Habitatbaumgruppen, die meist rund 15 Bäume betreffen, und naturschutzrechtlich besonders geschützten Einzelbäumen. So ähnelt das gesamte Waldgebiet einem „Schweizer Käse“, in dem viele vereinzelte Inseln mit alten und absterbenden Bäumen, seltenen Einzelbäumen und erhöhten Mengen an stehendem und liegendem Totholz für wirtschaftliche Zwecke stillgelegt werden, fasste Forstamtmann Thomas Riemer zusammen.

Die Auswahl orientiere sich daran, ob Bäume offensichtlich ein Habitat für Tiere wie Spechte oder Fledermäuse, aber auch andere Lebewesen wie Flechten und Pilze seien. Dabei trage man Vorsorge im Artenschutz. Zeitgleich schaffe man mehr Arbeitssicherheit, da in gefährlichen Bereichen nicht gearbeitet werde.

Außerdem könne nicht jedes Habitat erkannt werden. „Wird versehentlich ein Habitat durch eine Baumfällung zerstört, ist man so auch rechtlich abgesichert, da eine präventive Maßnahme zum Erhalt der Population eingeleitet ist“, erläuterte Meyer. Mit einem AuT könne man des Weiteren Ökopunkte erwerben. Riemer verdeutlichte , dass Habitatbaumgruppen beispielsweise mit einer Wellenlinie gekennzeichnet werden. Dies zeige auch Spaziergängern oder Radfahrern, dass es sich bei diesen Bäumen um einen stillgelegten Bereich handele.

Eine Wellenlinie markiert Habitatbäume. © Stefanie Čabraja

Einsatz eines Harvester:

An einer Station warteten Waldarbeiter mit einem Harvester auf die Gruppe. Dabei erläuterte Forstamtmann Lukas Haas, worauf geachtet werde und wie eine Hiebmaßnahme funktioniere. Der Wald werde in Gassen mit etwa 40 Metern Breite geteilt. Dabei liege der Fokus auch darauf, dass so wenig wie möglich Waldboden von den schweren Maschinen befahren werde. Der Harvester vor Ort könne jedoch nur eine Breite von 20 Metern selbst erfassen.

Die anderen Bäume aus der entsprechenden Gasse werden von den Waldarbeitern beigefällt und mittels Seilwinde sowie einer ferngesteuerten Raupe in den Bereich gezogen, den die Arbeiter mit dem Harvester erreichen können. Auf die Maschinen sei man angewiesen, da diese deutlich schneller arbeiten können. Die Baumkronen bleiben dabei teilweise im Wald, um die Nährstoffe für andere Bäume zu erhalten. Bei Fichten müsse jedoch darauf geachtet werden, dass die Kronen keine Borkenkäfer-Besiedlung fördern und dadurch stehende Bäume gefährdet werden können.

Forstwege : Beschädigte und schlechte Zustände der Waldwege seien bei der Waldarbeit nicht zu vermeiden, betonte Stefan Michel. Sobald schwere Geräte und Fahrzeuge der Waldarbeiter darüberfahren, hinterlassen diese Spuren. „Nach den Maßnahmen bemühen wir uns, die Wege wieder instand zu setzen“, sagte er. Es sei jedoch manchmal abzuwägen, ob sich eine zeitnahe Reparatur lohne, wenn in kürzester Zeit erneut schwere Fahrzeuge über die bereits beschädigten Wege rollen müssten. Eine Reparatur wird dann meist verschoben, bis alle Maßnahmen beendet seien. Michel wies auch darauf hin, dass nicht alle Waldwege als Radwege ausgewiesen seien. Dementsprechend werden ausschließlich ausgewiesene Wege nach den Arbeiten wieder so hergestellt, dass sie zum Radfahren geeignet seien. Schmale Waldwege – alles unter zwei Metern Breite – werden mit feinem Kies aufgefüllt, da diese als Fußwege dienen.

Hinzu kommen die Kosten für die Wegeinstandsetzung, weshalb abgewägt werde, welche Wege repariert werden. Breite Wege können meist schneller mit einem Grader saniert werden. Dabei liegen die Kosten bei etwa 50 Cent pro Meter. Nach einem Holzeinschlag mit größeren Schäden müssen bereits vier bis fünf Euro pro Meter veranschlagt werden. Repariere man die Wege im Naherholungsgebiet noch mit feinerem Material, seien noch einmal drei bis vier Euro zusätzlich zu berechnen. Bei schmalen Wegen sei außerdem viel Handarbeit notwendig, so dass die Kosten nochmals steigen. Bürgermeister Meikel Dörr verdeutlichte: „Wenn alle Waldwege einmal im Jahr mit dem Grader gerichtet werden, würde das 100.000 Euro kosten.“

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