Gottersdorf. Im Odenwälder Freilandmuseum drehte sich am Sonntag alles um den unreifen Dinkel, der zu Grünkern wird. Süßlich-rauchiger Geruch zog durch die Baugruppe Bauland, der umso stärker wurde, je weiter man sich der dort aufgestellten, angeheizten Sindolzheimer Grünkerndarre näherte. Ab 10 Uhr wurde nebenan der museumseigen angebaute Dinkel geerntet und ab der Mittagszeit über dem offenen Buchenholzfeuer in der historischen Darre getrocknet und damit zu Grünkern haltbar gemacht.
Dabei erlebten die Besucher die Verwandlung von Dinkel zu Grünkern mithilfe von warmem Rauch auf verschiedene Weisen sinnlich mit: in der Darre während des Trocknungsvorgangs, bei der Verkostung von Grünkernprodukten direkt nebenan, am Verkaufsstand von Dagmar Graser und Jürgen Stätzler und in besonderer Weise in der Dreschscheune des Museums. Dort fand auch in diesem Jahr die traditionelle Bewirtung der Gäste statt, die hier zwischen verschiedenen typischen Grünkerngerichten wählen konnten.
Das Museum durchzogen an diesem Grünkern-Festtag nicht nur nostalgischer Rauch, sondern an verschiedenen Stationen weitere Besuchermagnete. An der Dreschhalle konnten alte Kinderspiele ausprobiert werden. Kräuterpädagogin Doris Öppling veranstaltete am Vormittag eine Kräuterführung und stellt darüber hinaus am eigenen Stand verschiedenen Produkte aus Wildkräutern vor. An der Scheune am Kleinbauernhof Backfisch wurde schönes aus Stoff gezeigt. In der Scheune aus Lampenhain wurde von Artemtyse das Besticken von Stoffen in alten und modernen Varianten vorgeführt. Die Gruppe „Die Eberberger“, das sind Sabine Nicolei, Dr. Claus und Maritta Kuhn, Michael und Viola Ritzert, allesamt in Kleidung aus der Zeit um 1910 gewandet, hatten sich bei kühlem Schwarzbier aus steinernen Krügen und so mancher rauchenden Zigarre in den Schatten der Linde beim Museumshaupteingang zurückgezogen. Sie strahlten dort für die Museumsbesucher Gelassenheit und Gemütlichkeit eines erholsamen Sonntags á la „Anno Kaiserreich“ aus.
Grünkernerzeuger Jürgen Stätzler aus Rosenberg zeigte den Grünkern-Festgästen in der alten Grünkerndarre aus Sindolzheim, wie aus milchreif geerntetem Dinkel durch Trocknung über dem sachte heizenden Buchenholzfeuer Grünkern wird. Stätzler zeigte sich im Pressegespräch mit dem Grünkern-Ernteergebnis des Jahrgangs 2025 in seinem Betrieb „höchst zufrieden“. Der Dinkel sei „hervorragend gewachsen“, es habe „volle Ähren und volles Korn“ gegeben und der daraus produzierte Grünkern sei „hochwertig“ und habe „volles Aroma und vollen Geschmack“. Lediglich die Hitze während der Erntephase habe diese um etwa zwei Tage kürzer als sonst gestaltet und habe dadurch den Erntedruck in diesem Jahr etwas erhöht. Was ihm aber nichts ausgemacht habe, so Stätzler, sei er doch ein „leidenschaftlicher Dinkelbauer“, der „für den Grünkern brenne“. Entsprechend leidenschaftlich auch sein Engagement auf dem Grünkernfest im Odenwälder Freilandmuseum: die Hand an der Schaufel, das Ohr an den Fragen der interessierten Besucher. Am 21. September übrigens, um 18:30 Uhr auf arte, in der Sendung „zu Tisch“, werde es einen Beitrag über den Bauländer Dinkel und die Grünkernerzeugung in seinem Betrieb geben, kündigte Stätzler an.
Grünkern ist ein Baustein der Bauland-Identität
Grünkern ist nach wie vor ein aufmerksamkeitsstarkes Thema. Das machte das diesjährige Grünkernfest in Gottersdorf einmal mehr deutlich. Grünkern und Dinkel wird von Menschen von hier wie auch von auswärts eng mit der Region, genauer: dem Bauland verknüpft. Grünkern ist ein Baustein seiner Identität. Das bestätigte auch das Wirtsehepaar Katrin und Kurt Meidel der Gerolzahner „Linde“ auf seinem Sonntagsspaziergang. Sie hatten sich am Spätnachmittag zum Fachsimpeln über Grünkern an der Sindolzheimer Darre dazu gesellt. Kurt Meidel: „Anfangs hatten wir wenig Grünkern verarbeitet. Das wurde aber schnell immer stärker, weil unsere Gäste uns ganz gezielt auf Grünkerngerichte angesprochen haben. Daraufhin haben wir diesen Wunsch dann ganz gezielt bedient, in vielerlei Varianten. Eine Portion Grünkern im gemischten Salat war bei uns immer obligatorisch. Und auf der Karte gab es Grünkerngerichte zur Auswahl: Grünkernsuppe, original Grünkernküchle, Grünkernküchle in verschiedene Variationen überbacken. Den Menschen von hier hat Heimat geschmeckt. Und Gästen von auswärts war Grünkern ein authentisches Geschmackserlebnis unmittelbar in und aus unserer Gegend.“
Fazit des vergangenen Festtags: Grünkern ist nicht alles in unserer Region. Aber eben doch etwas wesensmäßig authentisches. Möglicherweise so gewöhnlich sogar, dass der Prophet im eigenen Land in seiner regionalen Bedeutung nicht immer ausreichend erkannt wird. Für viele Hiesige jedoch, vor allem aber solchen von außerhalb, gehört Grünkern zum Grunderlebnis unserer Gegend zwingend dazu. Das Odenwälder Freilandmuseum mit seinen beiden Baugruppen Bauland und Odenwald tut also explizit gut daran, Anbau und Verwandlung von Dinkel zu traditionellem Grünkern im Bauland alljährlich mit einem eigenen Grünkernfest hervorzuheben.
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