Gemeinderat Walldürn - Planung für ein Gewerbegebiet jenseits der B 27 wird nicht weiter verfolgt / Zielabweichungsverfahren für Wohnbaugebiet „Vorderer Wasen II“

„Löschenäcker“ ersatzlos gestrichen

Von 
Ralf Scherer
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Von Buchen kommend rechts der B 27 wollten Verwaltung und Gemeinderat ein Gewerbegebiet ausweisen. Als Reaktion auf die Stellungnahmen der Fachbehörden wird die Fläche „Löschenäcker“ nun aus dem Entwurf des Flächennutzungsplans 2030 gestrichen. © Ralf Scherer

Walldürn. Gemessen an der Unruhe, die das östlich der B 27 geplante Gewerbegebiet „Löschenäcker“ in den zurückliegenden zwei Jahren in Walldürn verursacht hat, ist das Vorhaben am Dienstag vergleichsweise unauffällig zu den Akten gelegt worden. „Die Fläche nicht weiterverfolgen“, lautete die schlichte Empfehlung von Marius Bergmann vom Ingenieurbüro für Kommunalplanung (IFK) in der Sitzung des Gemeinderats im „Haus der offenen Tür“.

Er informierte das Gremium über die Ergebnisse der frühzeitigen Beteiligung der Behörden an der Entwicklung von Bauflächen in Walldürn und in den Stadtteilen im Rahmen des Flächennutzungsplans (FNP) 2030. Berücksichtigt wurden darin auch die Stellungnahmen der Ortschaftsverwaltungen, der Freien Wähler und der Walldürner Liste.

Was das Gebiet „Löschenäcker“ betrifft, listete Bergmann eine Reihe von Gründen auf, die gegen eine zukünftige Nutzung als Gewerbegebiet sprechen. Vorweg nannte er die Lage des Areals in einer Kernfläche des landesweiten Biotopverbunds und eine damit verbundene besondere naturschutzfachliche Bedeutung: Mitten im Gebiet „Löschenäcker“ liegt eine mit dem Landesnaturschutzpreis ausgezeichnete Streuobstwiese des Biotopschutzbunds. An das Areal angrenzend beziehungsweise nicht weit entfernt davon befinden sich gesetzlich geschützte Biotope, das FFH-Gebiet „Odenwaldtäler zwischen Schloßau und Walldürn“ und das Vogelschutzgebiet „Lappen“.

Unabhängig davon stellt das Regierungspräsidium Karlsruhe den Bedarf eines solchen Gewerbegebiets generell infrage. In Verbindung mit möglichen negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild, einer Neuabgrenzung des Wasserschutzgebiets „Marsbachbrunnen“ und einer nicht realisierbaren direkten Zufahrt zur B 27 bedeuten die „massiven Bedenken der Träger öffentlicher Belange“ in der Summe das Aus für das Gewerbegebiet „Löschenäcker“ auch im FNP 2030.

Bereits in der Sitzung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) im März hatte das Gremium die Fläche aus dem Entwurf zur Änderung des Flächennutzungsplans „Schöner Busch“ gestrichen, um den weiteren Verfahrensablauf zu beschleunigen.

Martin Kuhnt als Vertreter der Bürgerinitiative „Erhalt Schöner Busch – Löschenäcker“ begrüßte die Empfehlung, das Gebiet „Löschenäcker“ aus der Planung zu nehmen. Gemeinsam mit zahlreichen Mitgliedern der Bürgerinitiative und weiteren Interessenten verfolgte er in den voll besetzten Zuschauerreihen den Vortrag von Stadtplaner Bergmann.

„Von Anbeginn der Planung haben wir dieses Vorhaben abgelehnt und dies in unseren Stellungnahmen stichhaltig begründet“, betonte Kuhnt. „Der Flächenansatz des Gemeindeverwaltungsverbands hat kein voraussehbares Bedürfnis im Sinne der Aufgaben und Ziele der Flächennutzungsplanung nach dem Baugesetzbuch dargestellt.“

Ein Kernziel erreicht

Vor zwei Jahren hatte sich die Bürgerinitiative gegründet, um gemeinsam mit dem Biotopschutzbund die Streichung des Gebiets „Löschenäcker“ aus der Flächennutzungsplanung zu erreichen und das Gewerbegebiet „Schöner Busch“ als Erweiterungsfläche für Procter & Gamble auf das tatsächlich notwendige Maß zu begrenzen.

Mit der Streichung des Gebiets „Löschenäcker“ haben Bürgerinitiative und Biotopschutzbund eines ihrer Kernziele erreicht. Aufgrund der von der Stadt beabsichtigten großflächigen Ausweisung von Wohnbaugebieten gehen den Verantwortlichen der beiden Organisationen die Themen trotzdem nicht aus. Sie lehnen die für eine Wohnbebauung vorgesehene Fläche „Vorderer Wasen II“ ab und sind dabei erneut nicht die einzigen, die dieser Planung skeptisch gegenüberstehen. Im Rahmen der Offenlegung des Vorentwurfs des FNP 2030 im August/September haben sich zahlreiche Bürger gegen eine Bebauung des Naherholungsgebiets „Wasen“ ausgesprochen.

Auch Stadtplaner Bergmann listete in der Sitzung des Gemeinderats mehrere Punkte auf, die eine Nutzung des Areals als Bauland mindestens erschweren. Demnach handelt es sich bei der betroffenen Fläche um ein Vorbehaltsgebiet für die Landwirtschaft. Eine Wohnbebauung würde deshalb gegen die verbindlichen Vorgaben des Regionalplans verstoßen. Soll weiterhin eine Wohnbebauung angestrebt werden, ist nach Einschätzung der IFK-Ingenieure „zwingend die Durchführung eines Zielabweichungsverfahrens erforderlich“.

Als weitere Besonderheiten der Fläche „Vorderer Wasen II“ nannte Bergmann die Erholungsfunktion für die Anwohner, den umfangreichen Streuobstbestand und eine hohe Dichte an Kernflächen und Kernräumen des landesweiten Biotopverbunds. Dennoch hat sich der Ausschuss für Technik und Umwelt im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung am 13. November dafür ausgesprochen, die Fläche weiter zu verfolgen und das dafür notwendige Zielabweichungsverfahren vom GVV durchführen zu lassen.

Führt dieses Verfahren zum Erfolg, soll ein durchgehender Streifen vom Waldrand im Norden bis zur Alten Amorbacher Straße im Süden als Wohngebiet in den FNP 2030 aufgenommen werden. In der Breite erstreckt sich die Fläche von der aktuellen Bebauungsgrenze bis zum nächstgelegenen (derzeit kaum erkennbaren) Feldweg in Richtung Wald im Westen. Im Vorentwurf war bisher eine halb so lange, dafür aber doppelt so breite Fläche (8,74 Hektar) ab dem Waldrand im Norden vorgesehen.

Vorgaben abarbeiten

Bis zu einer Aufnahme in den FNP müssen die Planer zudem einige grundlegende Vorgaben abarbeiten. Denn mit der bisher vorliegenden Begründung des Bedarfs neuer Wohngebiete geben sich die Fachbehörden nicht zufrieden und verlangen konkrete Zahlen beispielsweise zur Arbeitsplatzentwicklung. Außerdem fordert das Regierungspräsidium Karlsruhe größere Anstrengungen bei der Aktivierung innerstädtischer Bauplätze. Statt zehn sollen 25 Prozent der vorhandenen Baulücken geschlossen werden. Um die Auswirkungen der Bauflächen auf die Natur beurteilen zu können, müssen ein Umweltbericht mit Umweltprüfung, ein Landschaftsplan und eventuell ein Klimaschutzkonzept erstellt werden.

Sollte nach Abarbeitung aller Vorgaben eine Bebauung im Bereich „Vorderer Wasen II“ theoretisch möglich sein, sehen die Verantwortlichen von Bürgerinitiative und Biotopschutzbund ein Problem bei der praktischen Ausführung: Wie beim seit 1991 bestehenden Baugebiet „Steinacker-Auerberg II“ halten sie auch im „Vorderen Wasen II“ ein Scheitern des Umlegungsverfahrens für wahrscheinlich. „Der gleiche Konflikt deutet sich heute schon an“, sagte Martin Kuhnt im Rahmen der Bürgerfragestunde im Gemeinderat. Diese Einschätzung bestätigte Bürgermeister Markus Günther: „Ja, aber wir betreiben die Fläche weiter. Da haben wir einen Konsens im Gemeinderat.“

Klar gegen ein Baugebiet „Vorderer Wasen II“ haben sich die Freien Wähler und die Walldürner Liste in ihren Stellungnahmen ausgesprochen. Die Fraktionen von CDU, SPD und DCB haben keine Stellungnahme zum FNP 2030 abgegeben.

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