Gottersdorf. „Ordentlich Krachen“ ließ es das Regiment Johann Wolf, als es auf dem Gelände des Freilandmuseums einen wie von Donnerhall begleiteten Artilleriedrill bei der Feldscheune aus Erfeld präsentierte. „Living History“ - Geschichte lebendig machen. Unter diesem Motto steht bis Sonntag die mehrtägige Veranstaltung im Museum auf der Höhe, die ihren Besuchern die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in einem Weiler der Region lebhaft vor Augen führt.
Das Regiment Johann Wolf gastiert im Odenwälder Freilandmuseum und spürt hier dem militärischen Alltagsleben zur Zeit des Dreißigjährigen Kriegs im Bauland, Odenwald und Maintal nach. Zu sehen sind zahlreiche nachgestellte Tagfürtag-Szenen in einem Soldatenlager jener Zeit. Aber auch solche Momente, die heutigen Zeitgenossen das damalige Soldatenleben mithilfe militärischer und handwerklicher Vorführungen plastisch erlebbar machen, vorgeführt zum Beispiel unterschiedlichen Waffengattungen oder an einem Feld-Lehmofen.
Das Kurbairische Dragonerregiment Johann Wolf (regimentzjohannwolf.de) wird dargestellt von einem Verein gleichen Namens aus Mömlingen. Der Verein für Geschichtsforschung, Traditionspflege und die Darstellung eines bayerischen Dragonerregiments aus der Epoche des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) ist benannt nach dem Obristen und Regimentsinhaber Johann Wolf, der mit diesem 1641 am Bayerischen Untermain, heute Churfranken, stationiert war und unter anderem auch eine Kompanie in Miltenberg stehen hatte. Ähnlich wie jetzt in diesen Tagen im Odenwälder Freilandmuseums Gottersdorf dargestellt, mag es also in den Städten, Dörfern und Weilern der Gegend um Amorbach-Buchen-Walldürn tatsächlich zugegangen sein. Verlief der Krieg hier anfangs noch glimpflich, ereilte die Orte ab Ende der 1630-er Jahre weithin Verwüstungen, aufgrund derer sie nach dessen Ende häufig geradezu neu gegründet werden mussten.
„Pike ab“ hallte denn auch mehrfach das Kommando durchs Zeltlager, als der befehlshabende Unteroffizier seinen Untergebenen Order erteilte, mit ihren Waffen in Stellung zu gehen. In die Rolle des Erzählers schlüpfend, erläuterte der Offizier den wissbegierigen Zuschauern, was genau es mit den Waffengattungen eines Regiments jener Zeit auf sich hatte. Er präsentierte die Pikeniere mit ihren Stichwaffen ebenso, wie die mit Musketen bewaffneten Musketiere und die berittenen Kürassiere, die sich durch einen anfangs ledernen-, später metallenen Brustpanzer (frz. „cuirasse“) schützten.
Über deren Lebensweise informieren
Von Lunte bis Pulverbandelier, erläuterte der Offizier den Museumsbesuchern verschiedenste Ausstattungselemente der Soldaten und wie sie sie anwendeten. Über die Soldatenschau hinaus, konnten sich die Museumsgäste im Zeltlager der Soldaten über deren Lebensweise informieren, konnten beim Barbier und Feldscherer ebenso vorbeischauen wie bei der Feldküche und dem angeschürten, rauchenden Lehmofen auf dem Felde. Ein Schmunzeln entlockte es dem Besucher dann doch, als inmitten all der historisch Gewandeten eine der trossbegleitenden Mägde ihr Handy unter dem wollenen Kleid hervor zückte und die Soldateska in ihren Stulpenstiefeln und mit ihren breitkrempigen Federhüten fotografierte.
Die Museumsgäste genossen die Living-History-Veranstaltungen samt erfrischender Bewirtung im museumseigenen Biergarten beim Eingang. Allein die Vorstellung der Soldaten-Gattungen des Dreißigjährigen Krieges beim Bofsheimer Haus in der Baugruppe Bauland zog eine hoch interessierte Menschentraube von über 70 Personen zusammen.
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