Gerolzahn. Einen etwas erschöpften Gerolzahner Lindenwirt treffen die Fränkischen Nachrichten beim vereinbarten Gesprächstermin an. Kurt Meidel hat kurz zuvor einen Schlachttag hinter sich gebracht. Morgens um 5 Uhr schon, steht er dann jedes Mal in der Wurstküche und nach den Arbeiten dort, geht es mittags ein Stockwerk höher, in der Küche, weiter. 50 Mittagessen müssen raus. Später dann die Abendessen. Und gegen Mitternacht verlassen die letzten Gäste die „Linde“ in Gerolzahn. An Tagen wie diesen, liegt dann ein 16-Stunden-Tag hinter Kurt Meidel – als quasi eine Doppelschicht. Zwei davon, und eine 38 Stunden-Woche wäre von ihm an nahezu zwei Arbeitstagen abgearbeitet. „Ich bin 67 – da steckt man das nicht mehr so leicht weg.“
Ähnlich bei seiner Frau Katrin, die vor und hinter den Kulissen ebenfalls „Stunden ohne Ende klopft“. Bei ihr sind es nicht nur die Bedienstunden in der Gaststube, sondern auch alle Vor- und Nachbereitungen, das Putzen, Waschen, Bügeln, Eindecken, Dekorieren. Die Speisenkarten schreibt sie handschriftlich selber. Das lässt sie sich nicht nehmen: „Nachts, oben in der Wohnung. Dann habe ich Zeit und Ruhe dazu.“
Bereitschaft der jüngeren Generationen hat sich geändert
„Wie uns beiden“, sagt Kurt Meidel, „geht es vielen unserer Kollegenbetriebe in der Region. Sie erreichen das Rentenalter und dann stellt sich die Frage: Nachfolger, Ja oder Nein“. Meidels erzählen davon, wie sie mit ihren Gästen zusammen älter geworden sind: Sie haben vor 40 Jahren Hochzeiten ausgerichtet, dann Taufen und Erstkommunionen, später Hochzeiten der Kinder, jetzt Taufen und Erstkommunionen der Enkel. Mit dem Ausdünnen des gastronomischen Angebots in der Region konzentriert sich gerade die Nachfrage auf wenige verbliebene Betriebe. Für diese Gastwirte sei das, sagt Meidel, „grundsätzlich ja gut. Aber Du musst halt schaffen wollen.“ Dann, wenn andere Freizeit haben und feiern gehen. Mit einem veränderten Verhältnis jüngerer Generationen zu Arbeit und Freizeit hat sich auch deren Bereitschaft geändert, den Knochenjob eines Gastronomen zu machen.
Ich bin 67 - da steckt man das nicht mehr so leicht weg.
Die „Linde“ steht für ländlich geprägte, saisonale Regio-Küche. Die Stammgäste lieben das Vielerlei auf der Karte. Es gibt kaum mehr Gastronomien vom alten Schrot und Korn, in denen der Wirt sowohl Metzger, als auch Koch ist. Früher ein Qualitätsversprechen. Kotelette statt Schnitzel, zum Beispiel, lieben die „Linden“-Gäste. „Mittwochs gibt es Leber“, erzählt Katrin Meidel, „da stehen die Leute Schlange.“ Und dann die vielen unterschiedlichen Wildgerichte. 60 Rehe hat der Metzger und Koch Kurt Meidel heuer verarbeitet. Plus Wildschweine. „Mit Fleisch aus dem Schlachthof tue ich mich leichter“, vergleicht er: „Das bekomme ich fix und fertig vorgerichtet. Wild muss ich aufwändig aus der Decke oder Schwarte schlagen, es zerwirken und küchenfertig machen. Das dauert Stunden.“
Familie Meidel hat die „Linde“ in Gerolzahn 1981 gekauft
Die Meidels erzählen. Sie klagen nicht. Nach 43 „Linden“-Jahren nun langsam müder geworden, funkelt es in den Augen von Katrin und Kurt Meidel gleichwohl, sobald sie vom Start ihrer Selbständigkeit berichten. Da flammt im Gespräch mit ihnen die Leidenschaft für ihren Beruf auf. 1981 haben sie die 1876 erbaute Gaststätte der Familie Berbereich, später Knauf, gekauft. Technischer Stand: „Fließend Kaltwasser. Es war ja alles so alt“, erinnert sich Katrin Meidel.
Ein halbes Jahr nach der „Linde“-Eröffnung traf die damals Jungunternehmer eine zwei Jahre dauernde Straßensperre vor der Haustür, wegen Bau- und Sanierungsarbeiten der Gerolzahner Durchgangsstraße. „Die ersten zwei Jahre ist nichts übriggeblieben“, erinnern sich die Meidels. Nach und nach haben sie später Erträge erwirtschaftet und damit die „Linde“ umgebaut: Gastraum, Toiletten, Anbau, Freisitz.
In den Achtzigern wurden auch die beiden Kinder geboren, die ältere Tochter, der jüngere Sohn. Zu Kurt Meidels Entspannungsarbeiten zählt seit jeher die Gartenarbeit. Nach inzwischen 43 Betriebsjahren sei es nun an der Zeit, dass seine Frau und er „mal runter kommen“. Nie länger als zehn Tage Urlaub, hätten sie jährlich gehabt, brutto. Denn von denen seien jeweils zwei Tage für Nach- und Vorbereitungen abgegangen. Jahresurlaub als eine Art verlängertes Wochenende. Bald, hoffen beide, könnten sie „dann auch mal länger fortfahren und ausspannen“.
20 Prozent der Gerichte in der „Linde“ in Gerolzahn sind inzwischen vegan
Einen Moment der Wehmut kommt in Katrin Meidel auf: „All die Gäste – all die Kontakte. Mal sehen, wie das dann ab März werden wird.“ Sie denkt zurück an mehr als vier Jahrzehnte des fortlaufenden gastronomischen Wandels. „Heute ist alles anders. Die Alten sind weggestorben und 20 Prozent unserer Gerichte sind inzwischen vegan. Und der neueste Trend: Die Jugend holt sich nachts Dosenwurst nachhause. Zum Presskopfbrot-Essen.“
In 2025 ändert sich nun das gastronomische Konzept der Meidels. Sie werden ihren Landgasthof nicht mehr im Regelbetrieb bewirtschaften, werden keine Festgesellschaften mehr ausrichten. Stattdessen, haben sie einen „Genuss-Fahrplan“ herausgegeben. Der sieht im Mai, September und November jeweils vierzehntägige Öffnungszeiten vor, zu den dann jeweils Saisonthemen Spargel, Pfifferlinge, Wild, Ente und Gans. Auch die Fußwallfahrten wollen die Meidels noch bedienen. Draußen, im Hof. Dort bleibt auch der „Vesper-Automat“ in Betrieb.
Dieses neue Programm ab März, wollen Kurt und Katrin Meidel „die nächsten zwei, drei Jahre so machen, mal sehen.“ Dann sei er 70, sagt Kurt Meidel. Bis dahin wollen die Vollblut-Wirtsleute ihren „Kunden erhalten bleiben. Und sie uns.“ Und bis dahin, vielleicht, findet sich auch ein Käufer der „Linde“, der sie in die Zukunft führt. „Du musst halt schaffen wollen“, sagt Kurt Meidel dann noch einmal …
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