Gewerbegebiete „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ - Befangenheitsvorwürfe überschatten Billigung des Planentwurfs durch die Verbandsversammlung

Gegner beanstanden Interessenkonflikt

Von 
Ralf Scherer
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Im geplanten Gewerbegebiet „Löschenäcker“ liegen 66 Grundstücke. Lediglich drei davon befinden sich im Eigentum der Stadt Walldürn. © Tina Reichert - Active Art One

Walldürn. Kampfabstimmungen in der Versammlung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Hardheim-Walldürn sind selten. Regelt doch ein seit Jahrzehnten ungeschriebenes Gesetz, dass sich keine Verbandsgemeinde in die Angelegenheiten der jeweils anderen einmischt. Bei der Entscheidung über die Freigabe zur Offenlage des Entwurfs zur Änderung des Flächennutzungsplans „Schöner Busch/Löschenäcker“ Ende November vergangenen Jahres lag dennoch eine gewisse Spannung in der Luft.

Sieben Vertreter aus Hardheim sahen in dem Vorhaben eine Schwächung des Verbandsindustrieparks (VIP) und damit eine Beeinträchtigung der Hardheimer Interessen. Sie stimmten dagegen. Die vier Höpfinger Vertreter drückten ihre Bedenken in Stimmenthaltung aus. Hätten sie ebenfalls dagegen votiert, wäre die Änderung des Flächennutzungsplans bereits in einem frühen Stadium endgültig vom Tisch gewesen. So aber genügten zehn Stimmen der Walldürner Vertreter, um das Vorhaben weiter vorantreiben zu können.

Beobachter der Sitzung äußerten jedoch im Nachgang Zweifel an der generellen Gültigkeit der Abstimmung. Ihren Niederschlag fand diese Skepsis Mitte Dezember in einem gemeinsamen Schreiben der Verantwortlichen des Biotopschutzbunds Walldürn und der „Bürgerinitiative Walldürn – Erhalt ,Schöner Busch – Löschenäcker’“ an den GVV. Darin bitten sie um die Prüfung der Frage, ob ein Walldürner Mitglied der Verbandsversammlung wegen Befangenheit von der Abstimmung hätte ausgeschlossen werden müssen.

Mögliche Wertsteigerung

Die Verfasser des Schreibens gehen davon aus, dass für besagten Walldürner Vertreter ein persönlicher Interessenkonflikt bestanden hat, weil dessen Neffe Eigentümer eines Grundstücks im Planungsgebiet „Löschenäcker“ ist. Sie berufen sich auf Paragraf 18, Absatz 1 der Gemeindeordnung, der regelt, dass ein ehrenamtlich tätiger Bürger weder beratend noch entscheidend mitwirken darf, wenn die Entscheidung einer Angelegenheit ihm selbst oder einem bis zum dritten Grad Verwandten einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil bringen kann.

Nach Ansicht der Verantwortlichen der Bürgerinitiative und des Biotopschutzbunds lagen alle Kriterien für einen Ausschluss wegen Befangenheit vor. Den unmittelbaren Vorteil sehen sie in einer möglichen Wertsteigerung des Grundstücks.

Denn spätestens mit Inkrafttreten der Änderung des Flächennutzungsplans würden die betroffenen Grundstücke im Bereich „Löschenäcker“ als gewerbliches Bauerwartungsland zu Quadratmeterpreisen von 15 Euro gehandelt. Ein Quadratmeter landwirtschaftlich genutzte Fläche kostet in Walldürn derzeit rund einen Euro.

Recherchen der Fränkischen Nachrichten haben bestätigt, dass der Neffe jenes Walldürner Mitglieds der Verbandsversammlung Eigentümer eines Grundstücks im Bereich des geplanten Gewerbegebiets „Löschenäcker“ ist. Möglichkeiten, den aus ihrer Sicht fehlerhaften Beschluss zu kippen, haben die Vertreter von Biotopschutzbund und Bürgerinitiative allerdings kaum.

Weil Flächennutzungspläne keine unmittelbare Rechtskraft entfalten, können private Personen keinen Widerspruch einlegen oder Klage erheben. Die Verwaltungsgerichte lassen Rechtsmittel nur in einem Ausnahmefall zu: Wenn ein Flächennutzungsplan aufgestellt oder geändert werden soll, um Konzentrationszonen für Windenergie auszuweisen. Die Gegner des Gewerbegebiets „Löschenäcker“ können deshalb ihre Bedenken nur in Form einer Stellungnahme im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung äußern. Ob eine solche Stellungnahme für das Verfahren relevant ist, entscheidet wiederum die Verbandsversammlung. Auf Anfrage der Fränkischen Nachrichten erklärte Bürgermeister Markus Günther in seiner Funktion als Vorsitzender des GVV: „Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befangenheit im Rechtssinn in diesem Fall nicht vorliegt“.

Wie die Verbandsverwaltung zu dieser Einschätzung gelangt ist, teilte Günther nicht mit. Er betonte: „Die genannten Gründe werden natürlich im Rahmen der Abwägung im gesamten Verfahren berücksichtigt.“ Beobachter des Verfahrens gehen deshalb davon aus, dass der mit Befangenheitsvorwürfen konfrontierte Walldürner Vertreter in der Verbandsversammlung spätestens dann nicht mehr am Tisch sitzen wird, wenn der finale Beschluss über die Änderung des Flächennutzungsplans auf der Tagesordnung steht.

Hinweise auf weitere Befangenheitsgründe hat der Einblick der Fränkischen Nachrichten in das Grundbuch nicht ergeben. Aufschlussreich sind die Daten trotzdem. Denn als eine Begründung für die Notwendigkeit eines Gewerbegebiets „Löschenäcker“ hatte der GVV in einer Informationsveranstaltung im April 2017 angeführt, dass dort die Grundstücksverhandlungen mit den Eigentümern einfacher seien als im Verbandsindustriepark (VIP).

Im Areal „Löschenäcker“ sind die Grundstücke jedoch ähnlich kleinteilig wie im Erweiterungsbereich des VIP. Von einem 14,9 Hektar großen Gewerbegebiet „Löschenäcker“ wären 66 Grundstücke betroffen. Das Kleinste umfasst 280 Quadratmeter, das Größte 7990 Quadratmeter. Lediglich drei Grundstücke – mit einer Gesamtfläche von 5603 Quadratmetern – gehören der Stadt Walldürn. Das entspricht knapp 3,8 Prozent der insgesamt benötigten Fläche.

Mehrheit dagegen

Die übrigen Grundstücke befinden sich im Eigentum von 55 Privatpersonen. Über zwölf Grundstücke verfügen Eigentümergemeinschaften mit bis zu vier Personen. Eines der größeren Flurstücke – die preisgekrönte Streuobstwiese des Biotopschutzbunds Walldürn – ist de facto unverkäuflich. Einer Veräußerung müsste die Mitgliederversammlung des Vereins zustimmen. Eine nahezu unüberwindbare Hürde. Haben doch die Verantwortlichen des Biotopschutzbunds mehrfach betont, dass ein Verkauf völlig ausgeschlossen sei.

Eine breite Mehrheit im Walldürner Gemeinderat steht dennoch hinter der Planung. Was aber halten eigentlich die Bürger von dem Projekt? Ein eindeutiges Meinungsbild zeichnet sich bei einer Online-Umfrage der Fränkischen Nachrichten ab. Seit 13. Dezember 2017 haben 3584 Leser abgestimmt. 30 Prozent sprachen sich für das Vorhaben aus, 70 Prozent dagegen. Repräsentativ sind diese Zahlen nicht, bringen jedoch eine Tendenz klar zum Ausdruck.

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