Friedhof in Walldürn - Polizei ermittelt wegen Verstößen gegen das Bestattungsgesetz / Bestattungsunternehmer weist Vorwürfe zurück

Gebeine auf Deponie bei Walldürn entsorgt

Mehrfach lagen auf dem Walldürner Friedhof Gebeine Verstorbener in einem Abfallcontainer – und wurden in mindestens einem Fall auf einer Deponie entsorgt.

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Ralf Scherer
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Nach Beerdigungen auf dem Walldürner Friedhof lagen über Monate hinweg mehrfach Gebeine Verstorbener – wie hier ein Teil der Schädeldecke – an der Oberfläche von Gräbern – und im Container für Erdaushub an der Leichenhalle. © Ralf Scherer

Walldürn. Freitag, 9. Oktober: Ein ausgedehntes Waldstück nördlich von Walldürn an der Grenze zur Gemarkung Glashofen. Auf der Bodenaushubdeponie des Landkreises ragen zahlreiche Erdhaufen kegelförmig auf der ansonsten planierten Fläche in die Höhe. Einer der Erdhaufen, auf halber Strecke zwischen der Zufahrt und der Abraumkante gelegen, hebt sich farblich dunkler von den übrigen ab. Zwischen der Erde sind große Sandsteinfindlinge, Betonplatten, Schottersteine, Wurzelreste zu sehen – und ein Rippenbogen eines Menschen.

Derselbe Rippenbogen lag wenige Tage zuvor in einem für Erdaushub an der Leichenhalle des Walldürner Friedhofs bereitgestellten Container. Zusammen mit zahlreichen weiteren Gebeinen Verstorbener. An der Oberfläche des Containerinhalts waren zwei große Teile eines Schädels, ein Oberschenkelknochen, ein Hüftkopf sowie ein Rückenwirbel unschwer zu erkennen.

Gebeine, die aus einem oder mehreren Gräbern auf dem Friedhofsgelände stammen und nach den Vorgaben des Bestattungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg dort hätten bleiben müssen. In Paragraf 6 ist geregelt, dass „nach Ablauf der Ruhezeit aufgefundene Gebeine (Überreste von Verstorbenen) und Urnen mit Aschen Verstorbener in geeigneter Weise innerhalb des Friedhofs oder auf Hoher See zu bestatten sind“.

Ermittlungen eingeleitet

Demnach hätten die Knochen weder im Container, noch auf der Bodenaushubdeponie landen dürfen. „Es ist nicht zulässig, dass Gebeine Verstorbener das Friedhofsgelände verlassen“, bestätigt Gerald Olma, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Heilbronn, auf Anfrage der Fränkischen Nachrichten. Einen vergleichbaren Fall hat er in seiner bisherigen Laufbahn noch nicht erlebt. Die Vorkommnisse in Walldürn fasst Olma in einem Satz zusammen: „Das geht gar nicht.“ Aufgrund des Knochenfunds auf der Bodenaushubdeponie haben die Beamten des Polizeipostens Walldürn Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Landesbestattungsgesetzes eingeleitet. Nach Auskunft des Polizeisprechers richtet sich das Verfahren gegen ein Bestattungsunternehmen, das im Auftrag der Stadt Walldürn hoheitliche Aufgaben auf dem Friedhof ausführt.

„Die Ermittlungen sind inzwischen abgeschlossen“, so Olma. Seine Kollegen haben die Akte an das für den Erlass von Bußgeldbescheiden zuständige Landratsamt übergeben. Dort prüft zurzeit die zuständige Fachbehörde, ob „erforderlichenfalls ein Bußgeldvorschlag ausgearbeitet“ wird. Der Spielraum bei vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Verstößen gegen das Landesbestattungsgesetz reicht bis zu 1000 Euro. „Darüber hinaus wollen wir uns zum jetzigen Zeitpunkt zu dem Verfahren nicht äußern“, teilt Pressesprecher Jan Egenberger mit.

Dass der Vorfall auf dem Walldürner Friedhof keine Seltenheit ist, belegen Recherchen der Fränkischen Nachrichten über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg. Zwischen Juli und Oktober lagen immer wieder große Knochen und Knochenteile im Container an der Leichenhalle und unmittelbar daneben auf dem Asphalt.

Den entscheidenden Hinweis hatte eine Friedhofsbesucherin geliefert, die beinahe täglich die Gräber ihrer verstorbenen Angehörigen besucht. Sie hatte beobachtet, wie am 10. Juli ein Einzelgrab ausgehoben und – kaum dass die vorgeschriebene Tiefe erreicht war – wieder zugeschüttet wurde. Der überschüssige Erdaushub landete im Container an der Leichenhalle – und mit ihm mehrere Knochen und Knochenteile. Wie sich später herausstellte, war ein falsches Grab geöffnet worden. Am Tag danach bereiteten die Arbeiter in derselben Reihe einige Meter entfernt das richtige Grab für die Beerdigung vor.

Mindestens bis 14. Juli lagen die Gebeine deutlich sichtbar zwischen Lehm- und Gesteinsbrocken im Container. Am 21. Juli war der Behälter leer. Über den Verbleib der Gebeine ist nichts bekannt.

Wenige Tage zuvor hatten Mitarbeiter der Friedhofsverwaltung den Teil einer Schädeldecke von einem Grab entfernt, auf dem das Knochenstück vier Wochen lang für Passanten gut sichtbar gelegen hatte. Ein weiterer Fall mit Gebeinen – ein Teil eines Beckenknochens samt Hüftkopf sowie mehrere Rückenwirbel – an der Oberfläche eines frisch aufgeschütteten Grabhügels ist Mitte Juni dokumentiert. In beiden Fällen war zuvor ein belegtes Grab nach Ablauf der Ruhezeit ausgehoben und nach einer Erdbestattung wieder geschlossen worden.

„Gräber ordentlich verlassen“

Der Inhaber des im Auftrag der Stadt tätigen Bestattungsunternehmens spricht von haltlosen Vorwürfen. „Die Polizei hat mich von keinem Bußgeldverfahren unterrichtet“, erklärt er auf Anfrage der Fränkischen Nachrichten. Den Vorwurf, nach Erdbestattungen wissentlich Knochen Verstorbener auf Gräbern hinterlassen oder in den Container an der Leichenhalle geworfen zu haben, weist er zurück: „Wir haben die Gräber ordentlich verlassen.“

Gerade auf älteren Friedhöfen sei die gesamte Erde mit Knochen durchsetzt. Beim Grabaushub könne es vorkommen, dass trotz Kontrolle zwischen dem überwiegend feuchten, lehmigen Boden nicht alle Knochen gefunden werden. „Wir können die lehmige und sehr heterogene Erde natürlich nicht pedantisch sieben“, so der Bestattungsunternehmer. Durch Witterungseinflüsse wie Regen würden deshalb manchmal Knochen, Steine und Holzreste auf Grabhügeln freigespült. In solchen Fällen sei es gängige Praxis, die Knochen in dem jeweiligen Grab in ausreichender Tiefe wieder einzugraben.

Elke Herrnberger, Pressesprecherin des Bundesverbands Deutscher Bestatter, fasst die gebotene Vorgehensweise mit Verweis auf die rechtlichen Vorschriften wie folgt zusammen: „Wenn beim Ausheben eines Grabes Gebeine gefunden werden, werden diese meist gesammelt und tiefer wieder bestattet oder auf eine andere Art würdig beigesetzt.“

Wie dennoch Gebeine in den Abfallbehälter gekommen sind, kann auch der Bestattungsunternehmer nur vermuten. „Wir sind nicht die Einzigen, die den Container benutzen“, sagt er und versichert: „So etwas wühlt Menschen sehr auf. Das ist uns keinesfalls gleichgültig. Wenn ein Fund sichtbar ist, werfen wir die Knochen nicht auf den Müll. Wenn wir etwas übersehen haben, bessern wir nach.“

Ob im Fall der Anfang Oktober auf der Bodenaushubdeponie entsorgten Gebeine nachgebessert werden kann, ist derweil unklar. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen wurden keine menschlichen Knochen sichergestellt, erklärt Gerald Olma. Bei der Stadt Walldürn, die den Friedhof und im Auftrag des Landkreises die Bodenaushubdeponie betreibt, sind die Vorfälle nach Auskunft von Meikel Dörr nicht bekannt. „Wir wurden weder von der Polizei noch vom Landratsamt dazu angehört“, so der Leiter der Stabsstelle Bürgermeister.

Fest steht bisher so viel: Bis 22. Oktober lag der Rippenbogen unverändert an der Oberfläche des Erdhaufens. Am Vormittag des 24. Oktober ebnete der Betreiber der Deponie das in den Wochen zuvor angelieferte Erdreich mit einer Planierraupe ein. Sollten die Gebeine zu diesem Zeitpunkt noch im Erdhaufen aus dem Friedhofscontainer gelegen haben, dürfte es nahezu unmöglich sein, die Knochen zu lokalisieren, zu bergen und auf dem Friedhof ordnungsgemäß zu bestatten.

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