Walldürn. Referent am Donnerstagabend vor rund 250 geladenen Gästen in der Nibelungenhalle und vor weiteren 100 virtuellen Zuschauern von zu Hause aus war Prof. Dr. Daniel Palm, Professor an der ESB Business Scholl, Reutlingen University. Er sprach zum Thema „Wertschöpfung in Deutschland im Spannungsfeld von Nachhaltigkeit, Produktivität und Kundenanforderungen“.
Bankdirektor Rainer Kehl begrüßte auch im Namen des Schulleiters der Frankenlandschule, Oberstudiendirektor Torsten Mestmacher und des Vorsitzenden des Fördervereins „Freunde der Frankenlandschule“ Gerd Straub Gäste und Referent, den er anschließend vorstellte. Er ist Leiter des Lehr- und Forschungszentrums für Wertschöpfungs- und Logistiksysteme an der Hochschule Reutlingen sowie des Reutlinger Zentrums Industrie 4.0, ein gemeinsames Transferzentrum für die Mittelstand zwischen dem Frauenhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung und der Hochschule Reutlingen. Das RZI 4.0 berät klein- und mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation.
Besondere Herausforderung
Eine ganz besondere Herausforderung sei die steigende Volatilität in der Wertschöpfungskette Zulieferer – Produktion – Kunden. Diese Volatilität habe vielfältige Auswirkungen auf Unternehmen und stelle oft eine große Herausforderung für die Unternehmen und ihre Beschäftigten dar. Kunden und Wettbewerber würden den Druck auf die Lieferzeit, die Lieferflexibilität und Liefertreue erhöhen. Die Produktion werde individueller und komplexer, die Prozesse und Technologien müssten daran angepasst werden, die Tätigkeitsfelder der Beschäftigten würden wachsen, die Rolle des Mitarbeiters ändere sich, die Beschäftigten müssten oft motiviert und für neuartige Tätigkeiten qualifiziert werden.
Ferner könnten viele Produktvarianten nicht mehr auf Lager produziert werden, würden kleinere Losgrößen erfordern, würden Schwankungen in der Kapazitätsauslastung erzeugen, würden die Bereitstellung von vielen Teilen in der Montage erfordern und oft einen durchdacht entwickelten Produktbaukasten voraussetzen.
Die Reaktionsfähigkeit sei eine Antwort auf Volatilität, eine reakti-onsfähige Wertschöpfungskette Industrie 4.0. Näher auf das Konzept Industrie 4.0 eingehend sagte er, es sei ein Konzept zur kundenorientierten, personalisierten Wertschöpfung, das mit Hilfe einer intelligenten von Prozessen und Produkten 4.0-Technologien wie Sensoren, Vernetzung, Datenanalyse, intelligente Automatisierung (Assistenzroboter), dezentrale Entscheidungen (Künstliche Intelligenz) nutze, um eine reaktionsfähige Wertschöpfungskette zu schaffen. Dadurch würden sich unternehmensindividuelle Potenziale für Innovationen im Unternehmen in den Bereichen Produktinnovation, Dienstleistungsinnovation, Technische Prozessinnovation und organisatorische Innovation ergeben.
Bei Industrie 4.0 nannte er die zwei Schlagworte „Markterfolg“ und „Chancen für produzierende Unternehmen“ und damit einhergehend attraktive Leistungsangebote, digitalisierte wertorientierte Produkte, Robustheit, Flexibilität, Schnelligkeit und Wirtschaftlichkeit. Die angebotenen Produkte und IT-unterstützten Services entsprächen den Qualitätsanforderungen des Kunden und die Prozesse innerhalb des Unternehmens seien stabil gegenüber auftretenden Störungen durch digitale Überwachung und Selbststeuerung.
Der Referent merkte noch kritisch an, dass die Arbeitsproduktivität in der Industrie in Deutschland zwischen 2010 und 2020 trotz steigender IT-Investitionen der Unternehmen nicht gestiegen sei. Gründe für mangelnde Umsetzung von Industrie 4.0 seien momentan nach wie vor interne Hemmnisse strategischer Art und operativer Art sowie externe Hemmnisse wie eine unzureichende Förderlandschaft oder fehlende Standards und Normen.
Industrie 5.0 als nächste Stufe der Entwicklung sei nicht als industrielle Revolution, sondern vielmehr als Ergänzung anzusehen und einzuordnen. Eine menschenorientierte Industrie stelle menschliche Bedürfnisse und Interessen in den Mittelpunkt des Produktionsprozesses. Anstatt zu fragen, was Mitarbeiter mit neuer Technologie tun könnten, frage Industrie 5.0, was die Technologie für Mitarbeiter leisten könne. Während Roboter unermüdlich und präzise seien, würden sie nicht über die Fähigkeit zu kritischem und kreativem Denken verfügen.
Vier Fragen
Vier Fragen sollte sich jedes Unternehmen stellen: 1. Welche neuen Geschäftsmodelle kann ich meinen Kunden anbieten? (Smart Services); 2. Welche meiner Produkte können mit Digitalisierung verbessert werden? (Smart Products), 3. Wie kann ich mit Digitalisierung meine Wertschöpfungskette verbessern? (Smart Factory/Smart Plant), 4. Wie kann ich meine Mitarbeiter mitnehmen und deren Innovationskraft nutzen? (Smart People).
Nach der folgenden Diskussionsrunde dankte Torsten Mestmacher dem Referenten für seinen versierten und sehr informativen Vortrag und überreichte ihm zusammen mit Rainer Kehl, Bankdirektorin Karin Fleischer und Gerd Straub ein Präsent. Wie Mestmacher weiter sagte, sei es immer das Ziel der Frankenlandschule und der Volksbank, für dieses Wirtschaftsforum Referenten zu gewinnen, die zu schwierigen Themen Stellung nehmen und eine gewisse Orientierung geben könnten. An diesem Abend habe man einen Vortrag gehört, der aus seiner Sicht thematisch hervorragend die schwierige Situation beschrieben habe, in der sich momentan viele Betriebe – auch aus dieser Region – befinden würden. Dem Vortrag schloss sich ein Stehempfang an. ds
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