Kaltenbrunn. Vor 40 Jahren, am 1. Januar 1975, verlor Kaltenbrunn - die mit Blick auf die Einwohnerzahl damals kleinste Gemeinde Baden-Württembergs - per Gesetz ihre Selbstständigkeit. Zum Ort gehört auch die direkt an der Landesgrenze am Zusammenfluss von Kalten- und Eichelbach gelegene Spritzenmühle, die 1460 erstmals urkundlich erwähnt ist.
Die unweit, ebenfalls an der Kaltenbach gelegene Schulzen- und die Lauersmühle wurden 1810 vom damaligen badischen Staatsgebiet abgetrennt und kamen über Hessen sechs Jahre später durch Gebietstausch zu Bayern.
Kaltenbrunn, vermutlich eine hochmittelalterliche Rodungssiedlung durch das Kloster Amorbach, gehörte schon vor der Ersterwähnung, am 20. Juli 1330, und bis zum Reichsdeputationshauptschluss landesherrlich stets zum Erzstift Mainz. Nach drei Jahren unter der Obrigkeit des Fürsten von Leiningen kam der Ort 1806 schließlich zum Großherzogtum Baden.
Rechte wechselten mehrfach
Von 1370 bis 1498 war das halbe Gericht des Dorfes als Mainzer Lehen im Besitz derer von Adelsheim. Bis zu ihrem Aussterben 1588 hatten auch die von Riedern noch Rechte im Ort, ebenso die von Hettingen. Die Rechte derer von Dürn sind später an die von Bettendorff gelangt und von diesen 1768 an das Kloster Amorbach verkauft worden. Danach war Amorbach bis zur Säkularisation 1803 einziger Grundherr im Ort. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besaß Kaltenbrunn ebenso viele Einwohner wie Gottersdorf, etwas mehr als 100. Das hing mit den vielen Armen zusammen, die dort lebten. Für die Unterbringung benötigte man mit dem niedergegangenen Hof Seubert ein zusätzliches Armenhaus, das mit dem späteren Abbruch durch den Bau eines neuen Armenhaus 1851 ersetzt wurde.
Dieses Gebäude diente Jahrzehnte später als Rathaus und nach dem Zweiten Weltkrieg zugleich als Mietshaus, ehe es 1957 verkauft wurde. Das ursprüngliche Armenhaus am südlichen Ortseingang konnte nach der großen Auswanderungswelle im Jahr 1872 zurückgebaut werden.
Nach dem Ruin des Hofes Seubert um 1830, im Bereich des Dorfbrunnens gelegen, gab es im Ort sechs Höfe neben der Spritzenmühle. Kurz danach kam mit dem Schuhmacher Ott ein weiteres Anwesen hinzu, dessen Nachfahren um 1956 die letzten Auswanderer nach Nordamerika waren.
1892 war nach 20 Jahren Planung und Verhandlungen die Straße Richtung Bayern auf völlig neuer Trasse fertiggestellt. Dazu musste der Ortsbrunnen verlegt werden. Zuvor gab es zwei Wege ins Tal, einen abseits der Lauersmühle durch die Schulzenmühle nach Windischbuchen und den anderen über die Spritzenmühle ins Erftal. Das Zugeständnis zur Durchfahrt durch die in Bayern gelegene Lauersmühle erkaufte sich Kaltenbrunn mit der Zusage einer kostenlosen jährlichen Holzlieferung.
Als eine der ersten Dörfer auf der "Höhe" erstellten die sieben Bauerfamilien als Genossenschaft 1913 eine private Wasserversorgung, die später in Gemeindeeigentum überging. Durch zunehmende Wassernot beauftragte der Ort 1949 den Pater Odilo vom Augustinerkonvent Walldürn mit einer neuen Quellensuche. Er konnte sogar die Tiefe und den Quellzufluss mit seiner Wünschelrute bestimmen. Doch Probegruben durch meterdicke Felsschichten konnten seine Angaben nicht voll bestätigen, so dass 1950 die große Lösung durch ein Wasserwerk mit Lambach-Pumpe im Kaltenbachtal realisiert werden musste.
Neben der Finanzierung eines Wasserfestes, unter anderem kamen 65 Kilogramm Wurstwaren und etwa drei Hektoliter Bier zum Verzehr, erhielt die Spritzenmühle eine Ausgleichszahlung, da sie nicht an das Netz angeschlossen wurde. 1904 hielt das Telefon im Ort Einzug und ab 1920 die Stromversorgung.
Nach dem Brand in der Spritzenmühle am 2. November 1913 kam es wenige Monate später zur Bildung einer Feuerwehr, die, wie auch im Dritten Reich, inzwischen mit Reinhardsachsen fusioniert wurde.
Schulisch und kirchlich mussten die Kaltenbrunner immer den Weg nach Reinhardsachsen auf sich nehmen, mit denen sie auch oft die Gemeindebediensteten teilten. Zur Unterhaltung von Schule und Friedhof steuerte Kaltenbrunn zuletzt ein Drittel der Kosten bei, so auch zum Neubau der Schule und der Leichenhalle. Darüber hinaus gewährte man Zuschüsse für die Elektroinstallation, Glocken und Orgel in der Reinhardsachsener Kirche.
Ein Gewerbebetrieb besteht seit "unendlicher" Zeit bis heute in der Spritzenmühle, die ihren Strom bis zur Gegenwart selbst erzeugt und auch bei der Wasserversorgung autark ist. Daneben gab es bis 1887 mitunter drei Schuster gleichzeitig im Ort. Um 1875 wurde die Gaststätte Farrenkopf geschlossen, ehe es 1989 unter dem Namen "Jägerhof" eine Renaissance gab. Seit einigen Jahren belebt auch eine Alpaka-Ranch das Dorfleben, sonstige landwirtschaftliche Vollerwerbsbetriebe gibt es keine mehr.
Erfahrungen gesammelt
Erfahrungen mit einer Eingemeindung sammelte der Ort schon von 1935 bis 1945 mit der staatlichen Zuweisung nach Glashofen, das für das Dorf schon 1905 Kuratie- beziehungsweise Pfarrort wurde. Während dieser Zeit stellte Kaltenbrunn mit Julius Farrenkopf den ersten Beigeordneten. Während des Krieges gab es im Dorf ein Lager für russische Gefangene. Polnische und französische Zwangsarbeiter waren im Wald und in der Landwirtschaft eingesetzt. Darüber hinaus kam es damals zu einem feindlichen Fliegerangriff auf Kaltenbrunn.
Eine Anekdote gibt es aus dem Jahr 1922 zu vermelden, als nach zwei fehlgeschlagenen Bürgermeisterwahlen beim dritten Wahlgang nur eine Person zur Wahl ging und danach der Gemeindevorsteher von Amts wegen bestimmt werden musste. Wäre ein 1974 schon beschlossener Ackerverkauf nach der Eingemeindung umgesetzt worden, hätte Kaltenbrunn neben einem 85 Hektar großen ertragreichen Wald, auch noch 15 000 Mark bares Geld als "Mitgift" in die Zwangsehe mit Walldürn eingebracht.
Heute zählt Kaltenbrunn 44 Einwohner, der Höchststand datiert vom März 1949 mit 121 Personen.
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