Gewerbegebiete „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ - Trotz der Billigung des Planentwurfs durch die Verbandsversammlung wirft das Konzept weiterhin Fragen auf

Eine Planung voller Widersprüche

Von 
Ralf Scherer
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Östlich der B 27 soll das Gewerbegebiet „Löschenäcker“ entstehen. Von einer Hecke umgeben ist im Hintergrund die preisgekrönte Streuobstwiese des Biotopschutzbunds zu erkennen. Diese würde Mitten im Gewerbegebiet liegen – oder der Planung möglicherweise ganz zum Opfer fallen. © Ralf Scherer

Walldürn. Mit der Mehrheit der Walldürner Vertreter hat die Versammlung des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Hardheim-Walldürn vor einer Woche den Weg für die Offenlage des Entwurfs zur Änderung des Flächennutzungsplans „Schöner Busch/Löschenäcker“ freigemacht. Abgesehen von einer Verkleinerung des geplanten Gewerbegebiets „Schöner Busch“ von 21,6 auf 14,6 Hektar will der GVV an den Grundzügen der Planung festhalten. Zahlreiche Kritikpunkte von Fachbehörden wurden zwischenzeitlich redaktionell überarbeitet oder inhaltlich korrigiert. Aus den auf 36 Seiten zusammengefassten Stellungnahmen geht aber auch hervor, dass die Planung nach wie vor an vielen Stellen Fragen aufwirft und in sich wenig schlüssig ist.

Schlupfloch

Mit örtlichem Eigenbedarf der Stadt Walldürn, zum Beispiel für Handwerksbetriebe, hatte der GVV in der Verbandsversammlung im Mai 2016 die Ausweisung des Gewerbegebiets „Löschenäcker“ östlich der B 27 begründet. Diese Argumentation stieß bereits bei vielen Besuchern der Informationsveranstaltung im April im „Haus der offenen Tür“ auf große Skepsis.

Auch das Regierungspräsidium (RP) Karlsruhe kann keinen zusätzlichen Flächenbedarf für örtliche Gewerbebetriebe erkennen, der einen solchen Eingriff in die Landschaft rechtfertigen würde. Für Neuansiedlungen oder die Verlagerung von Betrieben verweist das Referat für Raumordnung in seiner Stellungnahme auf den Verbandsindustriepark und widerspricht damit ausdrücklich den Planern des GVV.

Eine gewerbliche Entwicklung im Bereich „Löschenäcker“ hält das RP nur dann für vertretbar, wenn sich dort Procter&Gamble (P&G) selbst oder dessen Zulieferbetriebe ansiedeln. Statt jedoch die Planung an den nicht vorhandenen örtlichen Bedarf anzupassen und auf das Gebiet „Löschenäcker“ zu verzichten, haben die Verantwortlichen des GVV die Begründung an das vom RP eröffnete Schlupfloch angepasst. Das Gebiet „Löschenäcker“ wird nun nicht mehr überwiegend für den örtlichen Eigenbedarf, sondern ausschließlich für P&G beziehungsweise dessen Zulieferer benötigt. Lag der erwartete Bedarf für den Großkonzern zu Beginn des Verfahrens bei 22,6 Hektar, sind es nun 29,5 Hektar. Wie die Planer den Flächenbedarf errechnet haben, ist unklar. „Aufgrund des langen Planungshorizonts können keine konkreten Entwicklungsabsichten des Unternehmens erwartet werden“, entgegnet der GVV den Freien Wählern Walldürn, die in ihrer Stellungnahme das Fehlen einer langfristigen Planung seitens P&G bemängelt hatten.

Standortnähe

Auf den ersten Blick plausibel erscheint selbst für die Kritiker des Projekts die Argumentation des GVV, wonach die Ausweisung von Bauflächen in unmittelbarer Nähe zum bestehenden Standort von P&G erforderlich sei, um wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Betriebsabläufe mit kurzen Wegen zu ermöglichen und dadurch den Wirtschaftsstandort zu sichern.

In der Vergangenheit hat jedoch P&G als global agierender Konzern auch große Entfernungen nie gescheut. Jüngstes Beispiel ist die Verlagerung des Verpackungszentrums. Erst im Oktober 2012 war die zehn Millionen Euro teure Halle am Standort Walldürn eingeweiht worden. Der damalige Werksleiter Josef Wuchterl sprach von einem wichtigen Meilenstein in der Geschichte des Braun-Werks. Nur drei Jahre später beschloss die Konzernführung das Aus und die Verlagerung der Verpackung nach Ungarn.

Die Entfernung von 1000 Kilometern für den Transport der Rasierer von Walldürn nach Gyöngyös scheint einen wirtschaftlichen Produktionsablauf nicht zu beeinträchtigen. Die rund vier Kilometer zwischen dem Verbandsindustriepark als alternativem Standort für Zulieferer und dem Braun-Werk halten die GVV-Verantwortlichen dagegen für nicht zumutbar.

Arbeitsplätze

Mit der Ausweisung der Gewerbegebiete will die Stadt Walldürn die Voraussetzungen für den Erhalt und den Ausbau des Braun-Werks schaffen und dadurch Arbeitsplätze sichern. In der Informationsveranstaltung im April hat Werksleiter Christoph Reif jedoch erklärt, dass alle aktuell geplanten beziehungsweise bereits begonnenen Baumaßnahmen auf dem bestehenden Gelände realisiert werden können. Darüber hinausgehende Erweiterungspläne nannte er nicht.

Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass global agierende Großkonzerne langfristige Standortgarantien scheuen und zukünftige Investitionsentscheidungen von P&G nicht zwangsläufig zugunsten des Standorts Walldürn ausfallen müssen. Auch die Entwicklung der Anzahl der Arbeitsplätze im Braun-Werk lassen beispielsweise die Vertreter der „Bürgerinitiative Walldürn – Erhalt ,Schöner Busch – Löschenäcker“ an der Notwendigkeit weiterer Gewerbegebiete zweifeln. Waren vor fünf Jahren noch rund 1000 Mitarbeiter bei Braun beschäftigt, sind es aktuell noch 750. Durch die Verlagerung der Verpackung nach Ungarn gehen weitere 90 Stellen verloren. Im Gegenzug sollen 250 Beschäftigte von Kronberg nach Walldürn wechseln.

Unter dem Strich zwar ein leichter Zuwachs. Der Trend zeigt jedoch seit Jahren kontinuierlich nach unten. „Verfolgt man die Entwicklung, so ist festzustellen, dass einer Automatisierung der Produktion Vorrang vor der Steigerung der Beschäftigtenzahlen gegeben wird“, betont die Bürgerinitiative in ihrer Stellungnahme. Deren Verantwortliche stehen deshalb einer räumlichen Ausdehnung des Braun-Werks bei gleichzeitig sinkenden Mitarbeiterzahlen skeptisch gegenüber.

Eigentumsverhältnisse

In der Informationsveranstaltung im April wurde die Notwendigkeit der Gewerbegebiete „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ unter anderem mit schwierigen Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern im Verbandsindustriepark begründet. Dort stünden aktuell nur wenige Flächen zur Bebauung zur Verfügung, so die Argumentation der GVV-Verantwortlichen.

In der Abwägung der Stellungnahmen heißt es nun jedoch, dass ein konkreter Bedarf aktuell gar nicht vorhanden sei und sich auch nicht sinnvoll errechnen lasse. Die Flächen würden vielmehr mit einer Perspektive von 15 bis 20 Jahren entwickelt. Aus Sicht der Bürgerinitiative genügend Zeit, entsprechende Verhandlungen auch im Verbandsindustriepark voranzutreiben. Zumal die Gespräche mit den Grundstückseigentümern im Gebiet „Löschenäcker“ keinesfalls einfacher verlaufen dürften. Dort sind sämtliche Flächen im privaten Eigentum. Durch die Ausweisung des Gewerbegebiets würden mehrere Grundstücke in der Mitte geteilt. Eine Tatsache, die auch das Landwirtschaftsamt in seiner Stellungnahme kritisiert: „Nachteile für die Agrarstruktur ergeben sich durch den Zuschnitt des Plangebiets, das ohne Rücksicht auf die Flurstücks- und Bewirtschaftungszuschnitte – scheinbar willkürlich – abgegrenzt wird. Es entstehen Restflächen, die landwirtschaftlich kaum sinnvoll genutzt werden können.“

Unabhängig davon hat der Biotopschutzbund mehrfach bekräftigt, seine 2014 mit dem Landesnaturschutzpreis ausgezeichnete Streuobstwiese unter keinen Umständen aufzugeben. Die Wiese liegt mitten im geplanten Gewerbegebiet und würde dieses de facto in zwei Hälften teilen. Trotz der klaren Aussagen der Verantwortlichen des Biotopschutzbunds scheinen sich die Planer ihrer Sache sicher: „Der Umgang mit der Streuobstwiese wird auf Ebene der Bebauungsplanung abschließend geklärt. Die Möglichkeit eines Erhalts beziehungsweise Teilerhalts der Streuobstwiese ist zu prüfen. Bei einem Entfall der Fläche ist ein gleichwertiger Ausgleich der Fläche erforderlich.“

Unproblematisch sind dagegen die Eigentumsverhältnisse im Gebiet „Schöner Busch“. Dort gehören fast alle Flächen der Stadt Walldürn. Lediglich einige wenige Parzellen sind Privat- oder Staatswald.

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