Walldürn. Dass sie dem von der Stadtverwaltung geplanten Baugebiet „Vorderer Wasen II“ skeptisch gegenüberstehen, haben viele Walldürner Bürger in den vergangenen Wochen in Gesprächen mit Vertretern der „Bürgerinitiative Walldürn – Für Mensch und Natur“ zum Ausdruck gebracht. Diese ablehnende Haltung wird nun auch in absoluten Zahlen deutlich ablesbar: Innerhalb weniger Tage hat die Bürgerinitiative in Zusammenarbeit mit dem Biotopschutzbund Walldürn mehr als 500 Unterschriften gegen die Ausweisung von Wohnbaufläche im Natur- und Erholungsraum am westlichen Stadtrand gesammelt. Am Freitag und Samstag waren die Aktiven der Bürgerinitiative mit Informationsständen an Lebensmittelmärkten sowie bei der Bäckerei Leiblein präsent, um Passanten über die negativen Folgen der Planung und mögliche Alternativen aufzuklären.
„Wir sind mit der Resonanz überaus zufrieden“, betonen Martin Kuhnt und Konrad Kaufmann als Sprecher der Bürgerinitiative gegenüber den FN. „Nahezu 80 Prozent der von uns angesprochenen Personen lehnen ein Baugebiet Vorderer Wasen II ab.“
Ein Großteil habe sich ausdrücklich für den Erhalt des Naherholungsgebiets ausgesprochen. Viele lehnen generell einen zügellosen Flächenverbrauch ab, so Kuhnt. Mehrere Unterzeichner hätten sich bedankt, „dass endlich mal jemand etwas unternimmt“.
Informationsdefizit
Neben dem überwiegend positiven Zuspruch haben die Aktiven der Bürgerinitiative an ihren Ständen eine im Vorfeld in diesem Ausmaß nicht erwartete Erfahrung gemacht. „Viele Bürger wissen überhaupt nicht, was die Stadt am Vorderen Wasen plant“, sagt Kaufmann. Deshalb wollen Bürgerinitiative und Biotopschutzbund auch in den kommenden Wochen Informationsstände organisieren, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. „Wir stellen uns den Bürgern und leisten die Aufklärungsarbeit, die von verantwortlicher Stelle ausgeblieben ist“, betont Kuhnt.
An den Informationsständen sei deutlich geworden, dass sich viele Bürger nicht nur an der Planung selbst, sondern auch an der Art und Weise stören, wie die Umnutzung des Naherholungsgebiets an der Öffentlichkeit vorbei vorangetrieben wurde und wird. Seit Bekanntwerden der bis dahin ausschließlich in nicht-öffentlichen Sitzungen besprochenen Pläne im August 2018 habe es bis heute keine öffentliche Diskussion zu diesem Thema im Gemeinderat gegeben, kritisiert Kaufmann. Auch eine Einwohnerversammlung, die laut Gemeindeordnung zu wichtigen Themen einberufen werden solle, habe bisher nicht stattgefunden. Für die Vertreter der Bürgerinitiative gibt es dafür nur einen Grund: „Die Verantwortlichen der Stadtverwaltung und Gemeinderäte scheuen die öffentliche Diskussion, weil sie keine stichhaltigen Argumente für diesen unnötigen Flächenfraß haben.“
Den Bau von neuem Wohnraum in Walldürn will die Bürgerinitiative nicht verhindern. „Gebaut werden soll aber nur, wo es nachhaltig Sinn macht“, betonen Kuhnt und Kaufmann. Mit 282 innerstädtischen Baulücken und 24 weiteren größeren Flächen, dem seit 1991 existierenden, aber bis heute nicht realisierten Baugebiet „Steinäcker/Auerberg“ mit 60 Bauplätzen und dem zukünftigen Baugebiet „Neuer Wasen“ mit 50 Bauplätzen stünden in Walldürn genügend Alternativen zur Verfügung. „Die Entwicklung innerstädtischer Flächen mag für die Verwaltung anstrengender sein als die Ausweisung immer neuer Baugebiete auf der grünen Wiese“, so Kaufmann. Diese Anstrengung dürfe man jedoch im Sinne einer positiven Entwicklung der Stadt erwarten.
Parallel zu den Informationsveranstaltungen arbeiten die Aktiven der Bürgerinitiative an einer Stellungnahme zum Entwurf des Flächennutzungsplans 2030 des Gemeindeverwaltungsverbands (GVV) Hardheim-Walldürn. Darin wollen sie die Schwachstellen des geplanten Baugebiets „Vorderer Wasen II“ detailliert auflisten. Die wichtigsten Kritikpunkte sind bereits kompakt in einem Flyer zusammengefasst, den die Bürgerinitiative seit einigen Tagen verteilt und im Internet unter www.buergerinitiative-wallduern.de bereitstellt.
Bedarf nicht nachgewiesen
Neben dem unzureichenden Engagement in Sachen Innenstadtentwicklung thematisiert die Bürgerinitiative die Frage, wie viele Bauplätze in Walldürn tatsächlich in den kommenden zehn Jahren benötigt werden. „Die Stadtverwaltung begründet den Bedarf mit fiktiven Rechenmodellen und Annahmen, die sie nicht nachweisen kann“, so die Kritik. Ein von der Stadtverwaltung reklamierter Mehrbedarf an Wohnraum aufgrund einer Expansion von Procter & Gamble sowie einer Aufstockung des Bundeswehrstandorts beruhe allein auf Vermutungen. In der Begründung für den Flächennutzungsplan 2030 räumen die Planungsverantwortlichen selbst ein, dass es dafür keinerlei gesicherte Erkenntnisse gebe. „Welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den Immobilienmarkt haben wird, ist in der Planung ohnehin noch gar nicht berücksichtigt“, mahnt Kuhnt mit Blick auf steigende Arbeitslosenzahlen und durch Kurzarbeit schrumpfende Einkommen.
Auch aus ökologischer Sicht gibt es nach Auffassung der Bürgerinitiative gewichtige Gründe, die einer Umwandlung des Gewanns „Vorderer Wasen II“ in ein Baugebiet zwingend entgegenstehen.
So befindet sich die Fläche in einem regionalen Grünzug und ist als Kernfläche des landesweiten Biotopverbunds ausgewiesen. Im Regionalplan der Metropolregion Rhein-Neckar ist der „Vordere Wasen“ einer landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten.
Schäden kaum kompensierbar
Der durch eine Umwandlung in ein Baugebiet verursachte Schaden an der Umwelt wäre nach Ansicht der Unteren Naturschutzbehörde kaum adäquat kompensierbar. Zahlreiche artenreiche magere Flachlandmähwiesen und alte Streuobstbestände würden laut Umweltbericht des Ingenieurbüros für Umweltplanung Walter Simon (Mosbach) unwiederbringlich verlorengehen.
Um ein deutliches Signal gegen die Bebauung dieses auch für die Naherholung wichtigen Gebiets setzen zu können, will die Bürgerinitiative in den kommenden Wochen weiter Unterschriften sammeln und möglichst viele Bürger ermuntern, ebenfalls eine ablehnende Stellungnahme abzugeben. Denn, so Kuhnt: „Jeder kann sich die Planung beim GVV ansehen und erklären lassen“.
Wer seine Meinung zum geplanten Baugebiet „Vorderer Wasen II“ schriftlich äußern will, kann sich bis zum Ende der Offenlage am Samstag, 8. August, formlos an den GVV Hardheim-Walldürn, Friedrich-Ebertstraße 11, 74731 Walldürn wenden.
Bürgerinitiative Walldürn – Für Mensch und Natur
- Gegründet wurde die Bürgerinitiative im Dezember 2016, um die Ausweisung großflächiger Gewerbegebiete in den Bereichen „Schöner Busch“ und „Löschenäcker“ zu reduzieren. Dank beharrlicher Aufklärungsarbeit mit Erfolg. Ein Gewerbegebiet jenseits der Bundesstraße 27 im Gewann „Löschenäcker“ ist seit November 2018 ganz vom Tisch. Die stark abgespeckte Version des Gewerbegebiets „Schöner Busch“ darf ausschließlich für etwaige Erweiterungspläne von Procter & Gamble genutzt werden
- In den vergangenen Wochen hat sich die Bürgerinitiative personell breiter aufgestellt. Zu den bisherigen Sprechern Martin Kuhnt, Trudbert Rechner und Simone Bundschuh (Schwerpunkt „Schöner Busch/Löschenäcker“) sind Konrad Kaufmann und Markus Kreis (Schwerpunkt „Vorderer Wasen“) dazugekommen
- Das nächste Treffen der Bürgerinitiative findet am Donnerstag, 16. Juli, um 17 Uhr bei Konrad Kaufmann, Mainzer Ring 43, statt. Wer sich aktiv für den Erhalt des Natur- und Erholungsraums „Wasen“ engagieren will, ist dazu willkommen. rs
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