Widerstand gegen Expansionspläne - Gegen die Ausweisung zweier neuer Industrie- und Gewerbegebiete hat sich eine Bürgerinitiative gebildet

Bürger wehren sich gegen Gewerbegebiet

Lesedauer: 

Martin Kuhnt, Trudbert Rechner und Bernhard Spreitzenbarth (von rechts) von der Bürgerinitiative auf der Streuobstwiese, die mitten im künftigen Gewerbegebiet im Bereich "Löschenäcker" liegen würde.

© Ralf Marker

Walldürn. Idyllisch sitzt man im Garten von Martin Kuhnt unter dem großen Sonnenschirm. Angenehme Temperaturen, rund herum ist vielfältiges Vogelgezwitscher zu hören, Grün, soweit das Auge reicht. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Nämlich dann, wenn die Stadt ihr Anliegen umsetzt, in den Gebieten "Löschenäcker" und "Schöner Busch" Gewerbe- und Industrieansiedlung zu ermöglichen.

Neue Gebiete geplant

Ziel der Flächennutzungsplanänderung durch den Gemeindeverwaltungsverband ist die Ausweisung neuer Misch-, Industrie- und Gewerbeflächen im Waldgebiet "Schöner Busch" in einer Größe von 21,6 Hektar und weiterer 14,9 Hektar auf der landwirtschaftlich und durch den Biotopschutzbund genutzten Fläche "Löschenäcker".

In rund 30 Metern Entfernung von den Häusern in der Waldstraße würde das Gebiet entstehen, nur durch einen schmalen Grünstreifen von dem dortigen Wohngebiet getrennt.

Dagegen hat sich eine Bürgerinitiative (BI) gebildet. Martin Kuhnt, Bernhard Spreitzenbarth und Trudbert Rechner von der BI "Erhalt Schöner Busch - Löschenäcker" haben in einem Gespräch mit den FN ihre Beweggründe dargelegt. Gegen das Vorhaben haben sie bisher 150 Unterschriften gesammelt. Vor Kurzem haben die Mitglieder ihren ersten Stammtisch veranstaltet, bei dem das weitere Vorgehen besprochen wurde. Geplant ist auch ein Informationsstand in der Innenstadt. "Vielen Bürgern ist gar nicht bewusst, um welche Dimensionen es hier geht", sagt Kuhnt.

Bei einer Informationsversammlung im April hatte Bürgermeister Markus Günther die Notwendigkeit seitens der Stadt betont, mit Blick auf die wirtschaftliche Zukunftssicherung langfristig zu planen und geeignete Industrie- und Gewerbeflächen vorhalten zu können. Eine Fläche im Bereich "Walddistrikt Großer Wald" grenzt unmittelbar an das Betriebsgelände der Firma Braun/Procter & Gamble (P&G) an und soll vorrangig dieser für mögliche zukünftige Expansionen zur Verfügung stehen, hieß es bei der Versammlung. Das sei eines der Hauptargumente im Vorentwurf des Flächennutzungsplans (FNP) gewesen, so die Mitglieder der BI. Nur: "Die Firma Procter & Gamble plant in den nächsten Jahren gar keine Expansion über das bestehende Gelände hinaus", so Trudbert Rechner.

Fakt sei vielmehr, dass das 2016 auf dem bestehenden Firmengelände erstellte Assembly-Center und der Umbau und die Erweiterung des ehemaligen Pack-Centers für die Produktionsverlagerung notwendig und der Flächenbedarf damit bereits abgedeckt ist. Das habe der Leiter des Walldürner Werkes auch in der Informationsversammlung gesagt.

Teile der Produktion werden vom P & G-Werk Kronberg nach Walldürn verlagert, so ein weiterer Punkt. Diese Verlagerung werde auf dem Firmengelände umgesetzt, dafür sei kein neues Gelände nötig. Und wenn man der Firma Raum zur Expansion geben möchte, warum habe man dann nicht das ebenfalls an die Firma angrenzende Gelände der früheren Baufirma Bonn für diesen Zweck erworben. Doch dort habe sich mittlerweile ein anderes Unternehmen angesiedelt.

Bevor man neue Industrie- und Gewerbeflächen ausweise und für teures Geld erschließe, solle man doch vorhandene Flächen in den Gebieten Spangel", "Röte" oder "Lindig" nutzen, so die Mitglieder der BI. Und dann gebe es ja auch noch den Verbandsindustriepark. Laut Regionalplan ist dieser Vorranggebiet für Industrie, Gewerbe, Dienstleistung und Logistik. Das mit einer Gesamtfläche von 87 Hektar und einer Flächenreserve von sechs Hektar.

Zweifel an Sinnhaftigkeit

"Unsere Bürgerinitiative richtet sich nicht gegen die Firma Braun oder eine Industrie- oder Gewerbeansiedlung generell. Das ist dann immer das ,Totschlagargument'", sagt Martin Kuhnt. Die BI bezweifelt aber die Sinnhaftigkeit neuer Flächen in diesen Dimensionen.

Bernhard Spreitzenbarth ist nicht nur Mitglied der BI, sondern auch des Biotopschutzbundes Walldürn. Und die Streuobstwiese des Biotopschutzbundes liegt mitten im Gebiet "Löschenäcker". Die Wiese wurde 2009 angelegt, sie ist ein Genpool alter und bedrohter Apfel- und Birnensorten. Angepflanzt wurden rund 130 Obstbäume, die ungefähr 100 verschiedene alte und vom Aussterben bedrohte Äpfel- und Birnenarten tragen, darunter 32 historische Sorten wie etwa der "Rote Astrachan". Die Streuobstwiese wurde 2014 mit dem Landesnaturschutzpreis ausgezeichnet. Aus dem ganzen Land kommen Züchter, die sich an diesem Genpool in Walldürn bedienen. "Und darüber will man jetzt ein Gewerbegebiet stülpen", so Spreitzenbarth kopfschüttelnd. Die Streuobstwiese sei Eigentum des Biotopschutzbundes, so Spreitzenbarth weiter. "Und daran wird sich auch nichts ändern."

Strengere Umwelt- und Naturschutzauflagen bei der Ausweisung solcher Gebiete werde es künftig geben, da wolle man offenbar jetzt noch Fakten schaffen, so die Vertreter der BI. Wobei es hier jetzt schon hohe Anforderungen gebe. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, muss in erheblichem Umfang Wald gerodet werden - und dafür muss ein Ausgleich geschaffen werden. "Bei diesen Dimensionen kommt man auf eine Fläche von etwa 50 Hektar, wo sollen die entstehen?", fragt Martin Kuhnt.

Schlechte Informationspolitik

Die Mitglieder der BI beklagten im Gespräch die schlechte Informationspolitik vonseiten des Verbandes und der Stadt. "Auf unsere Stellungnahme vom Januar haben wir bis heute keine Antwort bekommen. Auch nicht auf Nachfrage." Das sei enttäuschend. Noch befinde sich alles in der Phase des Vorentwurfs, so die Vertreter der Bürgerinitiative abschließend. Und ihnen sei an einem guten Miteinander gelegen. Klar sei aber auch, dass sich die BI für ihre Ziele einsetzen werde (siehe weiteren Artikel auf dieser Seite). Und ebenso klar sei: "Wenn der Verband auf seinen Maximalforderungen besteht, dann werden wir die Pläne ablehnen." mar

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten