„Es gibt keinen Ort, an dem man mehr fühlen kann als im Kino“

„100 Jahre Löwenlichtspiele“ in Walldürn

Im Rahmen des Festakts überreichte Bürgermeister Meikel Dörr den Academy Award, besser bekannt als Oscar, an Nenad Tomasinjak.

Von 
Joachim Dörr
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Zahlreiche Gäste feiern „100 Jahre Löwenlichtspiele“. © Joachim Dörr

Walldürn. Eingestimmt wurden die zum offiziellen Festakt „100 Jahre Löwenlichtspiele“ zahlreich erschienenen Gäste in der Löwenlounge des Kinos in Walldürn mit dem Trailer zum 100-Jahr-Jubiläum der Filmgesellschaft Warner Bros.

Entertainment, bevor Kinobetreiber Nenad Tomasinjak nach einer kurzen Begrüßung an Bürgermeister Meikel Dörr übergab.

„Wenn im Saal das Licht erlischt…die Stimmen verstummen…und nur das leise Surren der Technik bleibt – dann geschieht etwas Besonderes. Menschen, die sich vorher kaum kannten, halten gemeinsam den Atem an, denn Kino ist etwas, was uns verbindet, ohne dass jemand was sagen muss“, so das Stadtoberhaupt.

In einem kurzen Abriss zur Historie der Löwenlichtspiele erinnert sich Meikel Dörr auch an seine eigene Kindheit und seine persönlichen Erlebnisse im Kinosaal. „Wir alle wissen, wenn hier Licht brennt, dann lebt die Innenstadt. Unser Kino, das hundert Jahre überdauert hat, ist ein Stück Heimat und es gibt keinen Ort, an dem man mehr fühlen kann als im Kino.“

Bürgermeister Dörr dankte den Betreibern in all den vielen Jahren und wertet das Kino als Spiegel der Stadt Walldürn. „Es hat Weltkriege, Wirtschaftskrisen und Streaming überstanden – und es war immer da, wenn wir es gebraucht haben.“

Dörr hob die vielen Aktionen aus der Bevölkerung zum Erhalt dieses Kulturguts hervor und dankte den Betreibern für die gelebte Partnerschaft bei vielen Aktionstagen, bei Schulveranstaltungen oder im Ferienprogramm und zitierte aus dem Filmklassiker Casablanca „Ich schau Dir in die Augen, Kleines“. So schaue auch Walldürn auf sein Kino – mit Zuneigung und Stolz.

Dörr würdigte das Engagement von Nenad Tomasinjak und dessen Team, die nicht nur viel investiert, sondern auch Vertrauen geschenkt haben – in diesen Ort, in die Menschen, in Walldürn. „Sie beweisen täglich, dass Kino auch im digitalen Zeitalter seinen Zauber erhält.“

„And… the Oscar goes to… …diesmal nicht an Filme, Schauspieler oder Regisseure, sondern an das Kino Walldürn, wo Geschichten leben, und unsere Gemeinschaft atmet“. Mit diesen Worten überreicht Meikel Dörr den Academy Award, besser bekannt als Oscar, an Nenad Tomasinjak für 100 Jahre Kino Walldürn.

Sein abschließender Wunsch sei es, dass das Licht dieser Leinwand, egal was auch kommen mag, noch weitere 100 Jahre in der Stadt brennt.

Dann nahm Dörr die Gäste mit auf eine Zeitreise (die FN berichteten), die vor 100 Jahren begann, als Willy und Heiner Crezeli im Saal des Gasthauses Löwen das erste ständige Kino in Walldürn mit 218 Sitzplätzen einrichteten.

Im November 1928 konnte gemäß einer Meldung an das Bezirksamt nach dem Bruch eines Filmstreifens Schlimmeres nur dadurch verhindert werden, dass der Filmvorführer „seinen nassen Sack, den er bereit liegen hatte, über die Filmtrommel warf, aus der starke Flammen schlugen und die glühenden Teile mit Wasser abkühlte“.

Der frühere Schlüsselwirt Otto Stumpf übernahm 1930 den Löwen und das Kino, das durch Holzöfen beheizt wurde und im Jahr 1934 insgesamt 6.000 Besucher zählte.

Die erste große Umbaumaßnahme nahm Maria Stumpf 1950 vor. Die Stufen im Saal verschwanden, eine Schräge und eine Bühne mit Vorhang wurden eingebaut, Klappstühle und eine zweite Vorführmaschine wurden angeschafft.

Ein Jahrzehnt später wurde in die Akustik und Technik investiert. Erinnert wird auch an den Pferdekutscher Allies, der seinerzeit mit seinem Pferdefuhrwerk die Filmrollen in einem großen Klappkoffer vom Bahnhof zum Kino transportierte. Waldemar Stumpf betrieb dann das Kino von 1957 bis 1978.

Vorführungen gab es von Mittwoch bis Sonntag bei Eintrittspreisen von 60 Pfennig in den ersten drei Reihen bis zu 1 Mark für den Sperrsitzplatz.

Die Anekdote, dass sich Wachtmeister Ebel beim mit dem Siegel FSK18 versehenen Skandalfilm „Das Schweigen“ von Ingmar Bergman an der Kasse postierte, um die Zugangsberechtigung zu den stets ausverkauften Veranstaltungen zu legitimieren, durfte nicht fehlen.

Dazu ergänzte aus dem Publikum Zeitzeuge Waldemar Stumpf, dass man immer dann ein volles Haus hatte, wenn der Katholische Filmdienst in seiner Zensur von einem Besuch eines „Films der Sünde“ abriet.

Ab 1979 betrieb Herbert Meisenzahl die Löwenlichtspiele, bevor 1997 Alfred Speiser aus Weinheim einstieg, der das Kino in zwei Filmsäle umbaute. Vielfältige Unterstützung aus der Bevölkerung gab es durch Arbeitskreise, den Löwen-Kinoklub und die Aktion „Unser Kino darf nicht sterben“, bei der, initiiert von der Schülerin Alisa Schneider, 1.808 Unterschriften von Kino-Enthusiasten gesammelt wurden.

Seit 2013 betreibt Nenad Tomasinjak die Löwenlichtspiele, hat weiter investiert, das Kino 1 in die Löwen-Lounge mit 55 gemütlichen Sofaplätzen umgewandelt, beide Säle vollklimatisiert und die Bildtechnik, das Soundsystem und die Beleuchtung optimiert.

Zum Abschluss seiner Reise durch die Kinogeschichte Walldürns dankte Dörr den Unterstützern bei seinen Recherchen, namentlich der Stadtarchivarin Bianca Fürst und Waldemar Stumpf, und äußert die Hoffnung, dass in den Löwenlichtspielen auch in den nächsten 100 Jahren der Metro-Goldwyn-Meyer-Löwe von der Leinwand brüllen möge.

Nenad Tomasinjak, der seit zwölf Jahren das Walldürner Kino betreibt, schilderte seinen Werdegang, der seit der Jugend durch Kinos geprägt war, sei es als Kartenabreißer, als Popkornverkäufer, als Filmvorführer oder als Kinoleiter.

Nach langen Überlegungen habe er sich 2013 entschieden, das Wagnis „Walldürn“ anzugehen und sich mit vollem Elan dem Projekt zu widmen. Er dankte allen Akteuren, die dazu beigetragen haben, dass es in Walldürn nun schon 100 Jahre lang ein Kino gibt: Alfred Speiser sei quasi sein Mentor gewesen, Silvi Link und Philipp Nultsch waren in Walldürn von Anfang an dabei und sein Vermieter Viktor Panov ist ein wichtiger Baustein bei der Weiterentwicklung des Kinos gewesen.

Tomasinjak dankte dem früheren Kinoleiter Peter Rinza, der Nachbarschaft mit dem LBS-Büro Horst Forster, dem RCO-Reisebüro mit Rainer Sämann und der Familie Müller-Thiry für die immerwährende Unterstützung. Ein weiteres Dankeschön ging an Architektin Ramona Paar, die immer wieder neue Ideen kreierte und an den Geschenkladen Knapp, Buchen, sowie den Bücherladen in Walldürn.

Auch den seit 2014 tätigen Kinoleiter Florian Munz und vor allem seine Ehefrau Sabine Kraft zieht er in seine Dankesworte mit ein „Besser als mit Euch allen hätte ich es nicht treffen können“.

Tomasinjaks langjähriger Wegbegleiter Alfred Speiser sah den vom Bürgermeister für die Löwenlichtspiele überreichten Oscar als Verpflichtung für den taffen Kinobetreiber und übergab ihm eine weitere Auszeichnung für sein persönliches Engagement und Wirken.

Im Anschluss wurden die Gäste mit Cocktails und einem Büffet des Hotels „Riesen“ verwöhnt – und danach durch eine Vorführung der Tragikomödie „Rosenschlacht“ unterhalten, bevor der gelungene Abend mit einem Eintrag ins Jubiläumsgästebuch ausklang.

Ein Oscar für die Löwenlichtspiele. Mit Kinobetreiber Nenad Tomasinjak freut sich Walldürns Bürgermeister Meikel Dörr. © Joachim Dörr

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