Tauberbischofsheim. Seit geschätzt mindestens 150 Jahren macht sich Preußen/Berlin über (Ober)bayern lustig. Preußen gibt es zwar seit nun bald 80 Jahren nicht mehr, aber der Berliner, der in der „Sommerfrische“ über den dazumal noch ländlich-sittlichen Voralpenbewohner inmitten seines Misthaufen-Milieus die Nase rümpft und seine schnodderigen Kommentare abgibt, ist viele Jahrzehnte und ungezählte Operetten und Filmkomödien später zu einem so feststehenden Topos geworden, dass selbst die aktuelle Comedyszene noch Honig daraus ziehen kann.
Fulminant erfolgreiche Vorstellung
Von dieser ehrwürdigen Tradition zehrt in seinem aktuellen Programm auch das Musik-Comedy-Duo „Schwester Cordula“ (bürgerlich Saskia Kästner, Vortrag, Gesang und Tanz) und Dirk Rave (Vortrag und Akkordeonbegleitung), das jüngst mit einer ebenso fulminanten wie fulminant erfolgreichen Vorstellung im sehr gut besuchten Engelsaal des Kunstvereins debütierte. Die zwei Akteure haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Gattung der Groschenromane, die es ebenfalls und wohl noch etwas längere Zeit immer noch gibt (etwa im Wartezimmer von Arztpraxen), zu persiflieren und in einer selbst erarbeiteten Art von szenisch-musikalischer Lesung wieder zum Leben zu erwecken.
Dieses Mal wurde der Heimatroman und das wohl untrennbar dazu gehörende oberbayrische Milieu von „Schwester Cordula“ aufs Korn genommen, und dazu passend haben sich die beiden auch ausstaffiert: Sie als herziges (wenn auch vielleicht etwas zu sehniges) Dirndl im Trachtenlook, und er als die Travestie eines Försters, der dazu einem Schuhplattlerverein angehört. Das wäre jedenfalls die harmlosere Deutung, die auch durch den von ihm anfangs angespielten „Haushammer Schuhplattler“ gestützt wird.
„Unsern Bub den kriegst du net“ nennt sich das Motto des selbst verfassten Heimatromans, sozusagen die Quintessenz des Genres, in der alle darin vorkommenden Klischees auf einen absurden Gipfel getrieben werden. Ein stattlicher Hoferbe im Kreise seiner fremdenfeindlichen Familie kommt darin vor, der sich unsterblich in ein mittelloses aber reizendes, gerade aus New York heimgekehrtes Hascherl verliebt, die im fernen Exil ihre Heimat nicht vergessen konnte. Derselbe wird aber auch von der gleichfalls reichen Nachbarstochter begehrt, die fortan kein Mittel - inklusive Mord und Brandstiftung - unversucht lässt, den Mann ihrer Träume in die Fänge zu bekommen. Die Tierwelt greift auch noch ein, als es schließlich in romantischer Kulisse zum fatalen Showdown kommt, bei dem die Guten selbstverständlich – wenn auch nur mit knapper Not – ihre Gegenspieler besiegen.
Die Geierwally lässt grüßen
Saskia Kästner, gelernte Berliner Schauspielerin und dazu noch sängerisch und tänzerisch auf Draht, trug die hanebüchene Story vor und agierte dazu augenrollend und zähnefletschend, wild entschlossen preußisch-bayrisch redend, steigerte sich mit vollem mimischen und körperlichen Einsatz zu einer Klimax aus grellem, zwerchfellerschütterndem Klamauk (der „Geierwally“-Film von 1988 ließ grüßen).
Ihr Partner Dirk Rave, ein virtuoser Akkordeonist, gab dazu die Musikbegleitung und zitierte mühelos aus drei Jahrhunderten Klassik und Pop von Vivaldi, Mozart und Bizet bis hin zu Olivia Newton John und Tina Turner. Dazu steuerte er noch einige literarische Beiträge bei und zwar Auszüge aus dem Werk des französischen Entomologen Jean-Henri Fabre(1823 bis 1915), in dem auch das Liebesleben diverser Insektenarten ihre Würdigung erfährt. Der Engelsaal kam während der ganzen eineinhalb Stunden nicht mehr aus dem Lachen heraus und erklatschte sich drei Zugaben. Trash Comedy – aber Trash vom Feinsten.
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