Tauberbischofsheim. Obgleich insbesondere Frauen dem Singen als Hobby nachgehen, beherrschen bisher vorwiegend gemischte Chöre und traditionelle Männerchöre die deutsche Chorlandschaft. Reine Frauenchöre sind immer noch eher selten zu finden. In und um Tauberbischofsheim sieht es anders aus: Hier hat sich der Frauenchor Offener Singtreff in den letzten fast 30 Jahren einen Namen gemacht. Zum vielseitigen Repertoire des Chores zählen seit jeher auch Gospels und Spirituals. Diesem Genre hatten sich die Sängerinnen unter Leitung von Christa Gutmann bei ihrem Konzert in der voll besetzten Tauberbischofsheimer Liobakirche am vergangenen Sonntag verschrieben.
Im Mittelpunkt des Konzerts stand die Gospelmesse „Body and Soul“ von Lorenz Maierhofer für drei gleiche Stimmen, die traditionelle Elemente der Liturgie in modernen Klängen vertont. Maierhofer, der sich als einer der bekanntesten Komponisten für Chormusik im deutschsprachigen Raum neben populärem Liedgut vor allem auch der musikalischen Umsetzung geistlicher Inhalte für alle Chorgattungen verschrieben hat, legt Wert auf ein ausgeglichenes Klangbild und einen leichten Zugang zur Musik durch die Hörer.
Direkter Bezug zu biblischen Inhalten
Die besinnlich meditative, gleichzeitig aber auch rhythmisch ansprechende Messe „Body and Soul“ vereint Stilmittel aus Gospel, Swing und Pop und kann sowohl im Gottesdienst als auch konzertant zur Aufführung gebracht werden. Die Texte der einzelnen religiösen und spirituellen Songs basieren jeweils auf Psalmen und lassen nicht nur die direkte Verbindung zu biblischen Inhalten erkennen. Die gesamte Messe thematisiert, dass „Body and Soul“, also Körper und Seele, als untrennbare Einheit zu verstehen sind und in dieser Glaube, innere Einkehr und gemeinsame Verbundenheit durch die Musik zu erleben sind. Inhaltlichen Grundtenor der einzelnen Gospels stellt die Güte und Fürsorge des Herrn dar, dem mit Lobpreis und Dankbarkeit begegnet wird.
Für eine meditative Einstimmung wurden durch die beiden Sprecher Angelika Benz und Hans-Joachim Bauer die Inhalte der Gospelsongs in englischer und deutscher Sprache frei kommentiert. Der pointierte Vortrag dieser kurzen Eingangsphrasen lieferte eine wertvolle Ergänzung und Abwechslung zur musikalischen Umsetzung und half dem Publikum dabei, ein bildliches Grundverständnis der nachfolgenden Lieder zu erlangen.
Abwechslungsreiche Songs von groovig bis getragen
Abwechslungsreich gestaltete sich zudem der musikalische Vortrag der zehn Songs aus der Gospelmesse: Eher schnelle, rhythmisch-groovige Stücke wie das Gloria-Lied „Now at the Name of Jesus“ oder das Gabenbereitungs-Lied „Well, I‘m Gonna Sing“ wechselten sich mit ausdrucksstarken, eher getragenen Gospels wie dem Kyrie-Lied „There is One More Day“ oder dem eher emotional anmutenden Lied zur Kommunion, „Thanks“, ab.
Der Frauenchor bewies hierbei durchweg das richtige Gespür, die entsprechenden Kompositionen umzusetzen und überzeugte mit klanglicher Homogenität. Stellenweise hätte man sich jedoch vor allem mehr dynamische Spannung gewünscht. Mitunter führte das teils durchsetzungsstarke Dirigat zu einem sehr kräftigen, kontrollierten Gesamtklang, wodurch teilweise die etwas leiseren, gefühlvollen Zwischentöne ausblieben. Insgesamt beeindruckte der Chor mit großer Geschlossenheit und Engagement, wodurch eine lebendige und stimmungsvolle Atmosphäre geschaffen wurde.
Ergänzend zur Messe „Body and Soul“ rahmten vier weitere Gospels und Spirituals das Programm des Abends. Mit „Kumbayah, my Lord“ und „Oh When the Saints go Marching in“ unternahm der Offene Singtreff den Versuch, dem für Gospels und Spiritual typischen Call-and-Response-Prinzip Rechnung zu tragen. Auf das Vorsingen oder Einrufen einer Textzeile antwortet der gesamte Chor und auch das Publikum wird zum Mitsingen animiert. Dieses Wechselspiel schafft eine dialogisch lebendige Form des Singens und vermittelt einen Gemeinschaftssinn, der dieser Musikrichtung inhärent ist.
Abschluss als mahnender Kommentar zur Zeitgeschichte
Wie sehr das gemeinsame Singen Hoffnung und Kraft geben kann, zeigte sich auch im amerikanischen Spiritual „Burden Down, Lord“, das davon handelt, dass Lasten und Sorgen vor Gott abgelegt werden können. Den Schlusspunkt setzte der Frauenchor mit „Babylon‘s Falling“. Das traditionelle Spiritual thematisiert den biblischen Untergang des antiken babylonischen Reiches, steht dadurch sinnbildlich für den Fall von Tyrannei sowie Ungerechtigkeit und kann auch in der heutigen Zeit als mahnender Kommentar zu aktuellen Ereignissen verstanden werden.
Am Ende des Konzerts konnte der Schlussapplaus nur einen Teil dessen widerspiegeln, was das Konzert beim Publikum zu bewirken vermochte: Anerkennung und Bewunderung für die erbrachte Leistung der Frauen. Das größere Geschenk des Abends war jedoch, dass „Body and Soul“, Körper und Seele, gleichermaßen durch den Gesang bewegt wurden, wofür jeder einzelne Zuhörer nur nach innen Ausdruck finden kann. Vom Können des Frauenchors Offener Singtreff können sich die Zuhörer noch ein weiteres Mal überzeugen. Am Sonntag, 9. November, um 17 Uhr, macht der Frauenchor mit seinem Gospelkonzert Station in der katholischen Pfarrkirche St. Martin in Külsheim.
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