Tauber-Odenwald. Wenige Tage nach Königshofen stehen die Truppen des Schwäbischen Bundes vor Würzburg. Der Truchsess scheut den Angriff, fordert die Übergabe Würzburgs zu harten Bedingungen. Die Stadt ergibt sich am 7. Juni auf Gnade und Ungnade; die überstimmten Bürger hätten es auf eine Belagerung ankommen lassen.
Am nächsten Morgen um sieben Uhr müssen alle Männer antreten: die Bürger auf dem Markt, die Leute aus den Landstädten auf dem Judenplatz, die Bauern aus den Dörfern auf dem Rennweg. Drei Henker lässt man „wie die freisamen Wölf“ wüten. Einige Männer werden gezielt geköpft, weitere zwei Dutzend Bürger der Landstädte und drei Dutzend Bauern hingerichtet „schuldig oder unschuldig, wie mans in Sinn nahm“.
Blurünstige Abrechnung mit den Untertanen
Die Blutrache von Würzburg ist der Auftakt einer blutrünstigen Abrechnung mit den Untertanen in Franken und in anderen Unruhegebieten. In den folgenden Wochen und Monaten wiederholt sich die mörderische Prozedur oft. Der jeweilige Herrscher lässt sich huldigen, dann werden eine Reihe von Bauern und Bürgern verhaftet, ein Teil zum Tode verurteilt. Zeitweise ist auch der Truchsess dabei, führt die Vergeltung im Auftrag des Landesherrn oder auch aus eigener Lust durch.
Manche „Brutnester des Aufruhrs“ werden erst geplündert, dann angezündet. Die meisten Städte und Gemeinden müssen gewaltige Bußen zahlen, büßen Rechte und Freiheiten ein. So verliert der kurmainzische Neun-Städte-Bund mit Amorbach, Aschaffenburg, Ballenberg, Buchen, Krautheim, Külsheim, Miltenberg, Bischofsheim und Walldürn seine Privilegien und wird aufgelöst. Die Marktstadt Königshofen verliert ihr Marktrecht. Weinsberg sollte für immer zerstört bleiben.
100.000 Menschen gefallen oder hingerichtet
Lorenz Fries, aus Mergentheim gebürtig, Geheimschreiber des Würzburger Bischofs, heimlicher Historiograph des fränkischen Bauernkriegs, schätzt die Zahl der Gefallenen und Hingerichteten im Reich auf insgesamt 100.000 Menschen (Deutschland zählte damals 10 bis 12 Millionen Einwohner). Eine halbe Million Frauen, Kinder und Eltern verlieren ihre Ernährer. Zahllose Krüppel, Flüchtlinge und Geächtete werden ins fahrende Elend, auf die Landstraße gestoßen. Viele verhungern oder erfrieren im kommenden Winter – ihr Schicksal bleibt im Dunkeln.
Die meisten führenden Aufständischen des hiesigen Raumes werden umgebracht: Lienhart Beys (Stadtpfarrer zu Lauda) geköpft – Bernhard Bubenleben (Stadtpfarrer zu Mergentheim) ertränkt – Friedrich Süß (Pfarrer zu Waldmanshofen) später verbrannt – Florian Geyer (Giebelstadt) von Knechten seines Schwagers erstochen – Friedrich Weygandt (Amtmann) auf Geheiß seines Kurmainzer Erzbischofs ermordet – Wendel Hipler (Kanzler) stirbt in pfalzgräflicher Haft. Jörg Metzler geht in den Untergrund, schließt sich einer Räuberbande an. Götz von Berlichingen kommt mit einjähriger Turmhaft und Verbannung auf seine Burg Hornberg davon. Es gäbe noch viel zu sagen, etwa zum Verhalten der Landesherren: einige wenige haben den Untertanen in den folgenden Jahren tatsächlich gewisse Rechte und Verbesserungen eingeräumt. Aber den meisten Leuten ging es deutlich schlechter.
Viel zu berichten gäbe es auch über die Rezeption, die Überlieferung und Interpretation des sogenannten Bauernkriegs. Schon der unvermeidliche Begriff „Bauernkrieg“ wirft Fragen auf: Bedeutet er ein Krieg der Bauern, durch die Bauern, von den Bauern ausgehend – oder ein Krieg gegen die Bauern? „Bauernkrieg“ ist ein Begriff der Herrschenden, der meist das Gewalttätige des Bauern betont, auch seine Rohheit, seine Ungebildetheit. Aber es waren ja nicht nur Bauern, die sich beteiligten.
Weitere Bevölkerungskreise auch in den Städten, viele Gebildete und Geistliche waren aktiv oder wurden zunächst passiv ergriffen. Es waren ursprünglich Reformforderungen des gemeinen Mannes im Namen des Evangeliums, die von den Herrschenden rigoros abgeblockt wurden. Es entstand eine weiträumige Erhebung, die Menschen oft in großer Not, entschlossen oder zwangsläufig mitriss. Sie wurde zum wohl größten Aufstand der Bevölkerung in Deutschland und dem einzigen im Namen des Evangeliums. Wie lange wurde dieser Aufstand nur aus der Perspektive der Herrschenden, der damaligen Sieger in der Geschichtsschreibung gesehen? Und wie spät wurde er erst auch als Teil einer deutschen Freiheitsgeschichte verstanden?
Nächster Aufbruch in Richtung Demokratie 1848
Erst über 300 Jahre später wird es in Deutschland den nächsten großen Aufbruch in Richtung Demokratie, Freiheit, Gleichheit und Nationalstaat geben. 1848 versucht man, ein einig deutsch Vaterland ohne Krieg und von unten her zu gründen. Das erste gewählte deutsche Parlament, die Nationalversammlung der Frankfurter Paulskirche, verkündet die „Grundrechte des deutschen Volkes“: Versammlungs-, Vereins-, Pressefreiheit, Gleichheit aller vor dem Gesetz und die Abschaffung adliger Sonderrechte. Darin schimmern, modern ausgedrückt, viele Ziele der Aufständischen von 1525.
Auch die 1848/49-er Revolution wurde von den vereinten Fürstenheeren niedergeschlagen. Erst mit der Weimarer Republik werden adlige Sonderrechte aufgehoben. Die Grundrechte-Erklärung, dieses Juwel aus der Frankfurter Paulskirche, wirkt als Vorbild für die Weimarer Verfassung und für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Die Bauern vor 500 Jahren haben nicht von Grund- und Menschenrechten gesprochen. Aber ihre Zielrichtung war die gleiche, die im dritten Memminger Artikel steht: „Da uns Christus mit seinem kostbaren Blutvergießen erlöst hat, den Hirten gleich wohl als den Höchsten, keinen ausgenommen, finden wir mit der Heiligen Schrift, dass wir frei sind und sein wollen“.
Bittere und schreckliche Folgen des Aufstands
Die direkten Folgen des Bauernkriegs waren bitter und schrecklich. Es dauerte noch Jahrhunderte, bis seine Ziele erreicht wurden. Ein schwacher Trost, ein sehr später Sieg – aber immerhin: ein Sieg. Heute können alle die Grundrechte, die freiheitlich-demokratische Grundordnung genießen, die es zu erhalten gilt.
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