Jugendhilfeausschuss - Ergebnisse einer ersten Befragung des Modellprojekts für „Kindergartenkinder mit besonderen emotionalen und sozialen Bedürfnissen“ vorgestellt

Modellprojekt für Kinder mit besonderen Bedürfnissen im Main-Tauber-Kreis vorgestellt

Wie viele Kinder legen im Kita-Alltag ein auffälliges Verhalten an den Tag – und was sind die Ursachen dafür? Diese und weitere Fragen standen im Fokus einer Erhebung, die in drei Kommunen des Kreises stattfand.

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Elisa Katt
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43 Einrichtungen aus drei Kommunen im Kreis nahmen an der Befragung des Modellprojekts für Kinder mit besonderen Bedürfnissen teil. © Sebastian Gollnow /dpa

Main-Tauber-Kreis. In den ersten Lebensjahren wird der Grundstein für die weitere Entwicklung eines Menschen gelegt. Doch was tun, wenn Kinder bereits im Kindergarten verhaltensauffällig werden? Wenn sie nicht mehr mit anderen spielen wollen, Schwierigkeiten haben, sich auszudrücken, oder sogar aggressiv werden? Weil Kitas zunehmend solche Probleme meldeten, machte sich das Jugendamt auf die Suche nach Antworten. Studien lieferten Hinweise, dass die Zahl der Kinder mit auffälligem Verhalten generell zunimmt. Die Jugendhilfeplanung wollte herausfinden, wie viele Kinder im Main-Tauber-Kreis betroffen sind – und was dahinter steckt.

Erste Ergebnisse des Modellprojekts für „Kindergartenkinder mit besonderen emotionalen und sozialen Bedürfnissen“ wurden dem Jugendhilfeausschuss am Dienstag vorgestellt. Dazu waren Karl Titze, Roswitha Sommer-Himmel und Sebastian Ottmann von der Evangelischen Hochschule Nürnberg zugeschaltet. Sie übernahmen die wissenschaftliche Begleitung der Befragung, die in drei Modellkommunen – Wertheim, Tauberbischofsheim und Lauda-Königshofen – stattfand.

Interesse war groß

Die umfangreichen Fragebögen gingen im Herbst vergangenen Jahres an 43 Einrichtungen, alle 182 Bögen kamen ausgefüllt zurück. „Das Interesse war groß, alle wollten ihre Erfahrungen mitteilen“, berichtete Jugendamtsmitarbeiterin Silvia Ziegler, die das Projekt vorstellte. Insgesamt machten die Erzieherinnen Angaben zu 1329 Kindern. Neben den Familien und Kindern standen dabei auch die pädagogische Arbeit in den Kitas und die erhebenden Fachkräfte selbst im Fokus. Die Kinder – größtenteils zwischen drei und fünf Jahre alt – verbringen im Schnitt 30,5 Stunden pro Woche in der Kita. Die Erzieherinnen arbeiten im Schnitt 29 Stunden, somit wechselt die Bezugsperson für die Kinder. Die Betreuung hat bei mehr als der Hälfte im Alter unter drei Jahren begonnen. Ein Viertel spricht überwiegend eine andere Sprache als Deutsch.

Hintergrund: Das Modellprojekt für die Kindertagesbetreuung im Überblick

Nachdem Kitas, Träger und Fachberatungen zunehmende Schwierigkeiten meldeten, wurde die Jugendhilfeplanung damit beauftragt den Problemen der „Kinder mit besonderen sozialen und emotionalen Bedürfnissen“ auf den Grund zu gehen. Zusammen mit dem Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) Baden-Württemberg entstand die Idee, ein Modellprojekt zu starten.

Dieses sollte wissenschaftlich begleitet werden. Im Februar 2019 gab es den ersten Kontakt zu Roswitha Sommer-Himmel und Karl Titze, die das Kompetenzzentrum Pädagogik und Entwicklung in der Kindheit an der Evangelischen Hochschule Nürnberg leiten. Es sollte ein Befragungsinstrument erarbeitet werden, um den Bedarf in den Kitas zu erfassen. Dieses wurde nach Praxistests 2020 fertiggestellt. Ziel ist es, Entstehungsbedingungen für besondere Bedürfnisse zu erkennen und Lösungsansätze zu entwickeln.

Wie aus der Sitzungsvorlage hervorgeht, erstreckt sich das Modellprojekt über zwei Haushaltsjahre und hat ein Gesamtvolumen von 40 050 Euro. Der KVJS unterstützt es im Rahmen der Förderung von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Jugendhilfe mit 24 000 Euro. Zudem sei eine Beteiligung der teilnehmenden Kommunen vorgesehen. Das verbleibende Defizit wird im Rahmen des Gesamtbudgets der Jugendhilfe finanziert. eli

Die Erzieherinnen sehen bei rund 30 Prozent ihrer Schützlinge deutliche oder sehr große Probleme im sprachlichen Bereich, welche sich wiederum auf andere Themen auswirken, wie die Auswertung ergab. „Kinder werden in ihren Bedürfnissen nicht verstanden und müssen sich anders ausdrücken“, erklärte Roswitha Sommer-Himmel. „Und sie verstehen auch nur einen Teil.“ Einig war man sich deshalb im Gremium, dass Sprachförderung zu den entscheidenden Faktoren zählt, um den Problemen zu begegnen.

Auch Hyperaktivität spielt der Befragung zufolge eine Rolle. In diesem Zusammenhang nahm die Erhebung die Angebote in den Kitas unter die Lupe. Ergebnis: Es gibt zwar in aller Regel einen Garten und andere Bewegungsmöglichkeiten, sie sind aber nur selten frei zugänglich. Es sei nachvollziehbar, dass Erzieherinnen hier gerade im Fall von Personalmangel auf Nummer sicher gehen wollen, sagte Sommer-Himmel auf Nachfrage von Roland Ehrmann (AfD). Aber: „Je mehr wir Kindern zutrauen, desto selbstständiger und stärker werden sie.“

Zu den besonderen Merkmalen in der Familie zählt zum Beispiel, dass sich Geschwister ein Zimmer teilen, Elternteile alleinerziehend sind sowie andere dauerhafte Belastungen. 21,3 Prozent der Familien weisen ein solches Merkmal auf, bei 9,2 Prozent sind es zwei oder mehr.

Die Erzieherinnen sehen die Ursachen für Probleme vor allem im familiären Bereich, zum Teil in den Strukturen der Kitas und in fehlenden Hilfsangeboten von außen. Sie wünschen sich neben familienbezogenen Maßnahmen sowie ergotherapeutischen und logopädischen Angeboten vor allem Beratungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten, um richtig reagieren zu können.

Lösungen für die Praxis erarbeiten

Eine kurze Diskussion entstand, als Andreas Lehr (CDU) wissen wollte, inwieweit die Eltern in die Befragung mit einbezogen worden waren. Man habe mit der Analyse direkt in den Kindergärten ansetzen wollen, gab Silvia Ziegler Auskunft. Die Daten seien komplett anonymisiert weitergegeben worden. Kinderarzt Martin Englert schlug vor, Gruppenangebote zum Thema Sprache und Bewegung einzurichten.

Im Vergleich mit anderen Erhebungen wurde deutlich, dass sich die Auffälligkeiten im Main-Tauber-Kreis im Bereich der Norm bewegen. Nun werden die Experten zusammen mit dem Jugendamt und den Kitas die Ursachen für die besonderen Bedürfnisse der Kinder näher analysieren, um daraus Lösungsansätze „aus der Praxis für die Praxis“ abzuleiten, gab Silvia Ziegler einen Ausblick. Kinder im Kreis sollten „sich positiv entwickeln“ können.

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