Main-Tauber-Kreis. „Sie sind die Hauptpersonen heute“, betonte Landrat Christoph Schauder. Gemeint sind die 18 Menschen, die in ganz unterschiedlichen Situationen mitgedacht und ohne zu zögern geholfen haben, wenn andere in Not waren oder überrumpelt wurden. Vergeben wird der Zivilcouragepreis seit 2016 vom Förderverein Aktionskreis Sucht- und Gewaltprävention, Sicherheit und Gesundheitsförderung im Main-Tauber-Kreis (Förderverein AkS). Bei einer ansprechenden Feier im Sitzungssaal des Landratsamts wurden die Preisträger für ihr mutiges und uneigennütziges Handeln gewürdigt.
Der Landrat, der gleichzeitig auch Vorsitzender des Fördervereins ist, unterstrich die enorme Wichtigkeit dieser selbstlosen Taten für die Gesellschaft. „Noch nie war das ehrenamtliche Engagement, das Eintreten für die Gesellschaft, so wertvoll und wichtig wie aktuell“, so Schauder. Häufig reichten schon kleine Eingriffe oder einfach nur ein offenes Auge. Weggeschaut, mahnte er, werde in der heutigen Zeit viel zu oft.
Nicht sich selbst gefährden
Dass die 18 Preisträger Verantwortung übernommen und nicht weggeschaut haben, sondern ganz genau beobachtet und eingegriffen haben, um Schaden von anderen abzuwenden, wurde bei den acht vorgestellten Fällen deutlich. Die Vorstandsmitglieder des AkS-Fördervereins Schauder, Bürgermeister Joachim Döffinger, Sozialdezernentin Elisabeth Krug sowie der stellvertretende Vorsitzende des Fördervereins, Polizeivizepräsident Markus Geistler vom Polizeipräsidium Heilbronn, überreichten die Preise und würdigten das herausragende Handeln der Geehrten.
Geistler freute sich, dass von allen polizeilichen Organisationseinheiten Vertreter bei der Feier dabei waren. „Die Zivilcourage der Bevölkerung ist wichtig, das brauchen wir“, sagte er im Hinblick auf die Verbrechensbekämpfung und -verhütung. Dabei gab er die Regel klar vor: „Niemand muss sich selbst in Gefahr bringen“. Genau beobachten, Polizei und Rettungskräfte informieren, sich um Opfer kümmern und als Zeuge vor Ort zu fungieren, reiche und sei wertvoll.
Am Dienstag wurden Menschen geehrt, die sich auf herausragende Weise für andere eingesetzt haben, was alle Redner unterstrichen. Dabei seien nicht die spektakulären Fälle im Vordergrund, sondern die spontane Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit der Handelnden.
Sich einmischen, um Schaden von einem älteren Herrn abzuwenden: Für Lisa Engert und Martin Wagner aus Niklashausen war das keine Frage. Sie standen dem Mann bei, der Opfer eines Betrugs wurde. Per Anruf erhielt der Senior ein Gewinnversprechen über 93 000 Euro. Das könnte aber nur ausgezahlt werden, wenn er vorher „Wunschgutscheine“ kauft. Der ältere Herr teilte die Aktivierungscodes dem Anrufer letztlich mit und wurde um 4500 Euro geprellt. Einmal angebissen, versuchten es die Täter erneut. Diesmal sollte die Übergabe auf dem dm-Parkplatz in Tauberbischofsheim erfolgen. Beim Einkaufen am 23. September 2023 bekamen Lisa Engert und Martin Wagner zufällig ein Telefonat zwischen dem älteren Herrn und dem Täter mit. Sie hatten schnell die Vermutung, dass es sich beim Anrufer um einen Betrüger handeln könnte. Die beiden alarmierten die Polizei, standen dem Mann zur Seite und schauten auf dem Parkplatz nach verdächtigen Autos. Zwar wurden die Betrüger nicht festgenommen, aber der Mann nicht ein weiteres Mal um sein Geld gebracht.
Einen Suizid haben die Tauberbischofsheimer Umberto Eroe und Paul Tiedtke sowie Stefan Heidrich aus Lauda-Königshofen am 7. Juli 2023 verhindern können. Umberto Eroe war in der Kreisstadt auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, als er auf der Fußgängerbrücke über die Tauber einen Mann beobachtete. Dass auf dem Geländer ein Geldbeutel und darunter ein Zettel lag, machte ihn stutzig. In diesem Augenblick versuchte der Mann, über das Geländer zu steigen. Eroe hielt ihn mit aller Kraft fest. Diesen Vorfall bemerkten Stefan Heidrich und Paul Tiedtke. Sie rannten zu den beiden Männern, griffen beherzt ein und verhinderten so, dass der ältere Herr springen konnte. Tiedtke verständigte die Polizei, die rasch kam und auf den Mann beruhigend einwirken konnten. „Wir können stolz sein auf solche Helfer und auch auf die Polizei“, so Döffinger.
Fall drei ereignete sich im Bestenheider Freibad. Die Bademeister Monika und Stephan Funke aus Wertheim wurden am 14. August 2023 zu Schutzengeln für einen dreijährigen Jungen. Der lag in Bauchlage im Nichtschwimmerbecken. Monika Funke schwamm zu dem Kind, zog es aus dem Becken und begann danach sofort die Wiederbelebung mit Herzmassage. Ihr Mann Stephan übernahm die Mund-zu-Mund-Beatmung. Dreimal setzte die Atmung aus, musste das Kind reanimiert werden. Beim letzten Mal übernahmen die herbeigerufenen Rettungskräfte diese Aufgabe. „Nur durch das beherzte Eingreifen der Preisträger konnte das junge Leben des Kindes gerettet werden“, unterstrich Elisabeth Krug.
Ähnlich dramatisch hätte es auch bei einem Fall in Boxberg werden können, der sich am 17. Mai 2023 an der Umpfer ereignete. Finn König traf sich mit seinem Freunden Naomi Sohns, Jonathan Brennan und Tilo Reichert an einer Gartenhütte an der Umpfer. Als Tilo Reichert gegen Mitternacht nach Hause ging, nahm er einen Feldweg und hörte die Hilfeschreie einer Frau. Sie lag an einer Treppe direkt am Bach, die Haare waren vom fließenden Wasser schon nass, während die Beine an den oberen Stufen waren. Die Frau konnte sich selbst nicht aus dieser misslichen Lage befreien. Der Jugendliche holte seine Freunde. Doch auch zusammen schaffen sie es nicht, die Frau nach oben zu schieben. Jonathan Brennan hob den Kopf an, damit die Frau nicht ertrank. Erst mit Hilfe von Finn Königs Vater war es möglich, die Frau aus der Gefahrenzone zu bringen. Zusammen mit den alarmierten Rettungskräften gelang es schließlich, die Frau zu bergen. „Chapeau, wie die Jugendlichen reagiert haben. Da können sich viele ein Beispiel daran nehmen“, lobte der Landrat.
Wie wichtig die Erste-Hilfe-Auffrischung und die Methoden der Wiederbelegung sind, wurde auch im Fall von Ralf Erhard Kuhn aus Lauda deutlich. Er arbeitet ehrenamtlich bei den Heimspielen des FV Lauda an der Grillstation. Den 26. Februar 2023 wird er nicht so schnell vergessen. Noch vor Anpfiff des Spiels fragte ein Besucher nach einer Decke für einen Mann, der einen Kreislauf-Kollaps erlitten hatte. Kuhn schaute sich die Situation genauer an und fand einen bewusstlosen Mann, der bereits blau angelaufen war. Zu dem Zeitpunkt war der Notruf schon abgesetzt. Kuhn stellte schnell fest, dass bei dem 82-Jährigen der Herzschlag aufgehört hatte, und begann mit der Herzdruckmassage nach der Regel „30 Mal drücken, zweimal beatmen“. Dies war von Erfolg gekrönt, der Mann begann wieder eigenständig zu atmen. Kuhn führte die Herzdruckmassage bis zum Eintreffen der Rettungskräfte fort und rettete dem 82-Jährigen das Leben. „Wir sehen uns regelmäßig“, sagte Kuhn bei der Preisverleihung, und er habe ein sehr gutes Gefühl dabei. Nicht nur Bürgermeister Döffinger war stolz auf die vielen Ehrenamtlichen, ohne die in der Gesellschaft vieles nicht gehen würde.
Um die Reanimation eines Mannes ging es auch bei Heinz Wagner. Der Preisträger ist Abteilungskommandant der Freiwilligen Feuerwehr in Eubigheim. Am 24. April 2023 bemerkte er ein „merkwürdig geparktes Auto“ an der Bushaltestelle Schlossstraße in Eubigheim. Der Wagen war allerdings auf das dortige Trafohäuschen aufgefahren. Wagner entdeckte im Unfallauto einen jungen Mann, die Atmung war schwer mit langen Aussetzern. Da sich der Zustand verschlechterte, barg Wagner den Fahrer aus dem Auto. Eine Mitarbeiterin der Volksbank setze den Notruf ab, Wagner begann schließlich mit der Herzdruckmassage. Als der ortsansässige Arzt Stefan Gabel dazu stieß, teilten sich die beiden diese Aufgabe bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter. Ebenso wurde der Defibrillator der Volksbank eingesetzt. So wurde der 29-Jährige, der einen Herzinfarkt erlitten hatte, gerettet.
Nicht ganz so glücklich ging die Rettung aus einem brennenden Auto aus. Auf der Taubertalstraße in Höhe des Lagerhauses Markelsheim ereignete sich am 2. Januar 2024 ein Unfall mit mehreren Fahrzeugen. Eines fing Feuer. Stabsunteroffizier Lisa Metz, Oberfeldwebel Lukas Feldbusch, Cristian Matteo Cavaliere und Sami Gabr-Rayan kamen zufällig vorbei und halfen. Feldbusch wollte den bewusstlosen Fahrer über die Fahrertür bergen, was aber nicht möglich war. Also versuchte man, den Mann über den Kofferraum zu bergen, weil der Innenraum schon Feuer gefangen hatte. Während die übrigen drei diese komplizierte Variante realisierten, kümmerte sich Gabr-Rayan als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Bad Mergentheim um die Stabilisierung des Bewusstlosen. Zu viert gelang es, den lebensgefährlich verletzten Mann durch ihren couragierten Einsatz noch rechtzeitig vor den Flammen zu retten. Er starb jedoch wenige Tage danach im Krankenhaus. „Der Fall zeigt, wie sich Menschen für andere einsetzen. Sie haben alles gegeben und sich vorbildlich verhalten“, so Polizei-Vize Markus Geistler.
So viel Einsatz ist aller Ehren wert. Auch der von Mladen Tomic aus Tauberbischofsheim. Durch sein Handeln konnten zwei Männer, die in die Kart-Bahn in Bad Mergentheim eingebrochen hatten, festgenommen werden. Der Preisträger hatte am 26. September 2023 die beiden Täter beobachtet, wie sie mit Motorrädern vom Gelände der Kart-Bahn rannten. Er fotografierte die beiden. Als der Besitzer der Kart-Bahn ihn über den Einbruch informierte, nahm er die Verfolgung auf. Auf dem Areal einer Waschanlage konnte er einen von ihnen letztlich stoppen. Der war durch das konsequente Handeln von Tomic so erstaunt, dass er sich ergab und um Hilfe rief. Durch das Foto konnte auch der zweite Täter dingfest gemacht werden. „Sie haben viel mehr gemacht, als man hätte erwarten können“, lobte der Landrat. Die Verfolgung und das Stellen des Täters zeuge von Weitsicht und großem persönlichen Einsatz.
Alle Preisträger erhielten eine Urkunde und einen Wertgutschein, der abwechselnd von Volksbank und Sparkasse finanziert wird. Feierlich umrahmt wurde die Ehrung vom Klarinettenquartett des Landespolizeiorchesters unter der Leitung von Arata Kojima.
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