Tauberbischofsheim. „Leicht entflammbar“ nennt sich das jüngste Programm von Lara Ermer, die sich nach ihrem Debüt vor etwa zwei Jahren mit einer Vorpremiere nun zum zweiten Mal in einem von ganz überwiegend weiblichem Publikum gut besuchten Engelsaal des Kunstvereins präsentierte. Die noch nicht 30-jährige Comedienne, die aus Fürth stammt und jetzt in Frankfurt/Main lebt, hat früh begonnen und ist mittlerweile an vielen Orten der Szene präsent (im TV etwa mit Auftritten bei „Ladies‘ night“), ist mehrfach ausgezeichnet worden, beispielsweise mit dem Förderpreis des deutschen Kabarettpreises, und hat eigene Texte veröffentlicht.
„Leicht entflammbar“ wirkt sie als Person eher nicht trotz oder wegen des mehr als schulterlang wallenden roten Haares, das vielleicht einmal ihr Markenzeichen wird: Auf der Bühne sieht man dafür eine schmale junge Frau, lässig und stilsicher gekleidet, mit ebenmäßigen Zügen, die zugleich etwas Vertracktes haben - will sagen: nicht so leicht zu entschlüsseln sind. Ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein lässt sich immerhin daraus lesen, eine eigenwillige Willensstärke, auch eine gewisse Reizbarkeit, dazu Spott und eine kühle Distanz, gepaart mit Verletzlichkeit. Ein Gesicht fernab jeder biederen Bürgerlichkeit, auch heute noch geeignet, unbestimmte Verdachte zu erregen, die in früheren, unaufgeklärten Jahrhunderten für die rothaarige Trägerin vielleicht brandgefährliche Folgen nach sich gezogen hätten.
Vertrauen auf die Wirkung des Wortes
Heute heißt so etwas auf neudeutsch „resting bitch face“, wie Ermer selbst nicht ohne Koketterie erwähnt, und man/frau wird deswegen Gott sei Dank nicht mehr auf dem Scheiterhaufen verbrannt, sondern kann allenfalls ein Image daraus zimmern. Lara Ermer verzichtet darauf, mit so billigen Mitteln zu arbeiten, sie vertraut zu Recht auf die Wirkung ihres Wortes, eine (bei Frauen doch eher seltene) kühle, unaufgeregte Ironie, getränkt mit melancholischem Humor, mit der sie die Gegenwart beleuchtet. Das tut sie von einem feministischen Standpunkt aus und konstatiert nicht ohne Bitterkeit, dass der „weiße reiche Mann“ auch im dritten Jahrzehnt des 21.Jahrhunderts immer noch das Maß aller Dinge ist.
Scharf gesehene Alltagsbeobachtungen
Für jemanden, der wie Ermer politisch eher links steht, sind die Zeiten gewiss nicht gut, und ihre obligaten Spitzen gegen Söder und Merz wirkten vor diesem Hintergrund schon leicht resignierend. Scharf gesehen sind die Alltagsbeobachtungen aus eigenem Erfahrungsschatz, etwa die Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche in der Geldmetropole Frankfurt. Mitunter kommt Lara Ermer auch mit Persönlichem: So wirbt sie – wohl vor allem an die Frauen im Publikum gerichtet – humorvoll um Verständnis dafür, dass sie zur Familiengründung nicht taugt.
Ihr aktuelles Programm „Leicht entflammbar“ wirkte allerdings in dieser Form streckenweise etwas beliebig, weil thematisch überfrachtet (dasselbe galt und gilt freilich auch für viele andere Programme, die hier zum ersten Mal vorgestellt wurden). Anstatt vieles nur zu streifen, hätte die Autorin besser daran getan, sich auf einige wenige Themen, die ihr besonders wichtig sind, um so eindringlicher und ausführlicher zu konzentrieren. So waren die Reaktionen des Publikums im Engelsaal in diesen rund 110 Minuten eher freundlich verhalten. Ein anregender, unterhaltsamer, gelegentlich auch zum Widerspruch herausfordernder Nachmittag war es dennoch.
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