Schlosskonzerte

Komponistin Susanne Zargar Swiridoff bei der Uraufführung in der Kreisstadt

Ensemble „Ludwig Chamber Players“ begeisterte im Tauberbischofsheimer Rathaussaal.

Von 
Thomas Hess
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Susanne Zargar Swiridoff bei den Schlosskonzerten Tauberbischofsheim. © Heike v. Brandenstein

Tauberbischofsheim. Ein klassisches Streicher-Bläser-Oktett und – zum ersten Mal überhaupt in der Geschichte dieser Konzertreihe - eine Komponistin zeitgenössischer Musik in persona präsentierten sich bei der jüngsten Veranstaltung der Schlosskonzerte – dieses Mal wieder im voll besetzten Rathaussaal. Die „Ludwig Chamber Players“, eine 2013 gegründete Formation aus Mitgliedern des SWR Symphonieorchesters und Preisträgern des ARD-Musikwettbewerbs haben sich seither neben Aufnahmen des klassischen Repertoires von Mozart bis Prokofjew auch für Werke der zeitgenössischen Musik offen gezeigt und wurden von ihren Vertreterinnen und Vertretern mit Auftragskompositionen bedacht. Eine solche Auftragskomposition stellt auch das Konzertstück „yume mono gatari“ von Susanne Zargar Swiridoff dar, die es sich aus diesem Anlass nicht nehmen ließ, der Uraufführung ihrer jüngsten Schöpfung im Rathaussaal persönlich beizuwohnen und dazu einige erläuternde Worte vorauszuschicken.

Der restliche Teil des Programms blieb verständlicherweise der Klassik vorbehalten – mit einem sehr gewichtigen Beispiel, nämlich Franz Schuberts Oktett in F-Dur, einem der berühmtesten Werke der Gattung, 1824 entstanden und seither im Ansehen immer weiter gewachsen, mittlerweile ein Standard für alle Oktett-Formationen und nicht nur aufgrund seiner ungewöhnlichen Länge (mit nahezu einer Stunde Spieldauer) als eines der bedeutendsten Kammermusikwerke des 19. Jahrhunderts geltend. Es gilt zugleich als Nachfolgewerk von Beethovens ein Vierteljahrhundert zuvor entstandenem Septett und eine Vorbereitung für die folgende große C-Dur Symphonie von Schubert.

Wunderbare akustische Rahmenbedingungen

Sozusagen als Kostprobe zu Beginn des Abends hatten die Chamber Players schon ihre Version der Ouvertüre zu Rossinis „Barbier von Sevilla“ serviert, und man muss in diesem Zusammenhang wieder einmal betonen, welch wunderbaren akustischen Rahmenbedingungen der Rathaussaal gerade für diese Art Klangkörper bereit hält: Ein Oktett, das heißt eine fast gleichgewichtige Verbindung von jeweils fünf Streichern und drei Bläsern bzw. ein durch Klarinette, Fagott und Horn ergänztes Streichquintett(die klassische Streichquartettbesetzung plus Kontrabass) vermag unter diesen Bedingungen quasi orchestrale Klangfülle zu entfalten. Zugleich sind alle beteiligten Instrumente bis ins Detail durchhörbar, in Farbe und individuellem Ausdruck permanent lebendig und gegenwärtig, zumal wenn es sich um solch ein Klasse-Ensemble handelt. Wunderbar klanglich rund, plastisch und voll Liebe zum Detail geriet so die Rossini-Ouvertüre, auch weil die Spielerinnen und Spieler der Versuchung widerstanden, durch ein anfangs übermäßiges Tempo südliches Temperament und „italianitá“ zu suggerieren, eine Wirkung, die sie vielmehr viel schöner durch überraschende Tempowechsel und dynamische Nuancen erzielten.

Nach der Pause schließlich als einzige Nummer Schuberts Oktett mit seinen sechs Sätzen: Dabei war man unschlüssig, was man mehr loben sollte – die Transparenz und farbensatte Sinnlichkeit des Gesamtklangs, die Liebe und Sorgfalt, die das Ensemble jedem einzelnen Satz angedeihen ließ, die hinreißenden Bläser-Kantilenen im Adagio, die rustikale Unbekümmertheit des Scherzos beziehungsweise beschwingte Delikatesse des Menuetts, die facettenreiche Vielfalt des endlos scheinenden Variationensatzes und schließlich der unwiderstehliche Schwung des Finales...Für den minutenlangen Beifall im Rathaussaal bedankten sich die „Ludwig Chamber Players“ mit zwei launigen Unterhaltungs-Zugaben, darunter auch eine zum Mitklatschen, die „Petersburger Schlittenfahrt“.

Aufführung mit einer Reise in Neuland verglichen

Die 1955 in Schwäbisch-Hall geborene Komponistin Susanne Zargar Swiridoff, die seit 1979 an der Staatlichen Hochschule für Musik in Stuttgart lehrt und neben ihrem Musikschaffen auch als Galeristin tätig ist, kann mittlerweile auf ein stattliches Lebenswerk mit über 90 Titeln, darunter vier Opern, Orchester-, Kammer- und Vokalmusik und zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen zurückblicken. Ihr hier uraufgeführtes Konzertstück „yume mono gatari – Traumgeschichte“ wurde eigens für die „Chamber Players“ geschrieben. Der japanische Titel der Komposition verweist auf ihr Interesse an außereuropäischen Kultur- und Musiktraditionen. Dass sie sich auch von literarischen Vorbildern inspirieren lässt, deutete sie in einer längeren Einführung mit Verweisen auf Edgar Allan Poe und Rainer-Maria Rilke an. Sie verglich die Aufführung mit einer Reise in Neuland, zu der sie das Publikum einlud – zu einem vorbehaltlosen Sich-Einlassen auf ein Beispiel zeitgenössischer Musik mit ihrer Verbindung von Bekanntem und Unbekanntem beziehungsweise Neuartigem. In der Tat bietet das Stück so etwas wie eine Interaktion, ein Wechselspiel beziehungsweise einen Dialog zweier unterschiedlicher Welten, diejenige der herkömmlichen Dur-Moll-Dreiklänge, die von den drei Holzbläsern intoniert werden und so etwas wie einen wiederkehrenden Orientierungspunkt, eine halbwegs verlässliche Basis für den Hörer bilden, und der freieren, ungebundenen Welt der fünf Streicher, die mit einer Vielfalt von (ehemals) ungewöhnlichen und unüblichen Techniken, pizzicato, col legno(Bogen), Tonabständen und extremen Tonlagen aufwarten und damit so etwas wie eine antagonistische Gegenwelt repräsentieren. Sie erzeugen geisterhafte Wirkungen und rufen damit in dieser „Traumgeschichte“ eine Welt des Irrationalen und Fantastischen auf, wo wie im Traum die vertraute Logik außer Kraft gesetzt wird. Auch für jemanden, der sich bisher nicht mit zeitgenössischer Musik beschäftigt hat, aber nicht in steriler Abwehr verharren will, wird diese Uraufführung zu einem anregenden Hörerlebnis geworden sein.

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