Tauberbischofsheim. Mit Winfried Hermann, Landesminister für Verkehr und Infrastruktur (Grüne), kam ein politisches Schwergewicht zum "Talk" ins Technologie- und Gründerzentrum.
Rund 35 Interessenten wollten mehr erfahren über grüne Verkehrspolitik, und viele von ihnen nutzten nach dem Vortrag des Ministers auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen.
Moderator Dietrich Grebbin begrüßte die Besucher, darunter auch der Tauberbischofsheimer Bürgermeister Wolfgang Vockel. Dieser wies in seinem Grußwort darauf hin, dass der Minister ja bereits mehrfach in der Kreisstadt zu Gast war. Das Thema Mobilität und Infrastruktur sei sehr wichtig im ländlichen Raum. Vockel betonte dabei die Bedeutung der Sanierung der Mergentheimer Straße und der rechten Tauberkreuzung. "Da müssen nicht einmal neue Radwege gebaut werden", sagte er und bat den Minister um Unterstützung des seit Jahren geplanten Projektes.
Es gebe zunehmend "Wellen von Themen", denen sich die Politik stellen müsse, betonte Minister Hermann eingangs. "Die Zeit der einfachen Lösungen ist längst vorbei", sagte er und machte deutlich, dass sich auch die Flüchtlingskrise einfacher lösen lasse, "wenn wir in anderen Bereichen der Landespolitik weitermachen wie bisher".
"Entwicklung nicht verschlafen"
Im "Auto-Land" Baden-Württemberg stehe man vor der Herausforderung, technologisch weiter an der Spitze zu bleiben. Auf dem Spiel stehe schlichtweg die Zukunft des Automobilbaus in Baden-Württemberg. "Ich kann allen Beteiligten, also den Autobauern selbst sowie der Zulieferindustrie nur raten, sich dem Elektroauto zu widmen", sagte Hermann. Es gelte, zu verhindern, dass die Automobilwirtschaft den selben Fehler mache wie die Uhrenindustrie, nämlich "die Entwicklung zu verschlafen". Nur so könnten die Arbeitsplätze langfristig gesichert werden, machte der Minister deutlich.
"Heute sind wir geradezu pausenlos unterwegs, aber der zunehmende Verkehr ist auch ein Problem", erläuterte Hermann mit Blick auf Abgase, Lärm und Feinstaub. Das Land produziere 30 Prozent aller Treibhausgase durch den Verkehr. "Das ist mehr als das Doppelte der Industrie". Und es sei "nicht nachhaltig", das mehr als 70 Prozent des Güterverkehrs per Lkw erfolge.
"Wir wollen Menschen und Güter mobil halten, aber das muss klimaverträglich geschehen und bezahlbar bleiben", denn weiterzumachen wie bisher bedrohe mehrere 100 Millionen Menschen, die weltweit an Küsten leben. Ein durch die globale Erwärmung ausgelöster steigender Meeresspiegel werde viele davon zu Flüchtlingen machen. "Es ist allerhöchste Zeit, Fluchtursachen zu bekämpfen." Zudem müsse man auch die Umwelt "vor Ort" schützen, und dabei helfe eine "andere Art von Mobilität".
Hermann nannte mehrere Punkte, wie das Land hier nachhaltig handeln könne: Zunächst gelte es, Verbesserungen bei der Infrastruktur vorzunehmen. Da sei man auf dem richtigen Weg, denn "seit fünf Jahren geben wir mehr Geld aus als in den jeweiligen Vorjahren, um Straßen zu sanieren. Alleine für die Landesstraßen haben wir mehr als doppelt soviel ausgegeben als die Vorgängerregierung."
Die Prämisse laute "Erhalt, Sanierung, Modernisierung", sagte der Minister und machte deutlich, dass auch in Neubauten viel investiert wurde. Zum Teil seien jahrzehntealte Pläne umgesetzt worden, etwa die Südumgehung von Bad Mergentheim. Und ja, er habe viel eingeweiht, was er nicht gewollt habe. Einfach deswegen, weil in der Verkehrspolitik "lange Zeiträume" zu beachten seien. Und manches sehe er heute auch anders als früher, "weil ich auch als Grüner lernfähig bin".
Dennoch sei seine Botschaft: "Lieber sanieren als nur versprechen." Gleichwohl: "Das Auto bleibt wichtig, gerade im ländlichen Raum. Wir sind weit davon entfernt, den Autoverkehr zu vernachlässigen." Und da, wo es um die Gesundheit von Menschen gehe, müsse auch weiterhin gehandelt werden - Neubauten blieben also nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Dennoch brauche man neue Verkehrs- und Mobilitätsmodelle, etwa beim Car-Sharing in den Großstädten. Und gerade in den Ballungszentren habe das Fahrrad noch viel Potenzial. Dass er von der CDU als "Radminister" bezeichnet werde, "werte ich als Lob", betonte Hermann. Ein Ziel der Landesregierung sei es, unnötige Fahrten ("Jeder fährt für sich alleine") zu verhindern und damit auch weniger Staus zu produzieren. Insgesamt müsse die vorhandene Infrastruktur "intelligenter" genutzt werden. Durch bessere Vernetzung und Transparenz seien Transport und Mobilität zukunftssicher vereinbar. "Wer denkt, dass nur Neubauten Staus verhindern, irrt." Auch die Bahn müsse moderner werden. Dazu gehöre nicht nur, die Zahl der Verladeterminals für den Gütertransport wieder wachsen zu lassen, sondern auch die Attraktivitätssteigerung beim Nahverkehr. Hier handele das Land, etwa durch die Neuausschreibung der diversen Strecken. "Der bisherige Vertrag war im Ergebnis schlecht und vor allem auch noch teuer für das Land." Die Neuausschreibung brauche eine gewisse Zeit, denn "wir haben hier weit mehr Anbieter als in anderen Bundesländern, und die Westfrankenbahn bedient ja auch das an den Main-Tauber-Kreis angrenzende Bayern", erklärte Hermann auf die Frage eines Zuhörers.
Die Landesregierung achte dabei ebenso auf verbesserte Angebote wie auf die Sozialverträglichkeit für die Bahn-Beschäftigten, betonte der Minister. Zudem wolle man auch moderne und damit attraktive Züge und Waggons. Klar sei aber auch, "dass wir im ländlichen Raum kein so verdichtetes Angebot hinkriegen wie in den Ballungszentren".
Der Rheintal-Ausbau gehöre zu den "größten Verkehrs-Projektendes Landes", die Verzögerungen seien Folge des fehlerhaften Plans der Bahn, denn diese habe bei der Streckenführung nicht an die Anwohner gedacht. "Die Bevölkerung war nicht gegen die Bahn, aber gegen die vorliegenden Ausbau-Pläne." Die neue Landesregierung habe die von der Vorgängerregierung nur einmal angehörten Beiräte "mit ins Boot genommen und deren Forderungen Stück für Stück abgearbeitet". Jetzt habe auch der Bundestag das Projekt "abgesegnet" und 1,5 Milliarden Euro freigegeben. "Wir als Land geben, obwohl wir es nicht müssten, weitere 400 Millionen Euro dazu, weil uns die Rheintal-Strecke das Wert ist", sagte Hermann.
"Ohne den Bund geht nichts"
Ein weiteres Thema der Diskussion war die Ortsumgehung Königshofen. Die sei ein Langfrist-Projekt und sehr teuer. Beide in Frage stehenden Varianten müsse der Bund finanzieren, "ohne den geht da gar nichts", betonte Hermann.
Auf den vom Bürgermeister angesprochenen Breitbandausbau und die bessere Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs ging der Minister ebenfalls ein: "Ich will den ländlichen Raum verkehrlich so gut erschließen, dass die jungen Leute nach der Schule nicht die Flucht Richtung Ballungszentren ergreifen." Dazu gehöre eine "Mobilitätsgarantie mit Stundentakt. "Denn wir dürfen nicht zulassen, dass weitere Arbeitsplätze in die Ballungszentren verlegt werden." Schnelles Internet gehöre ebenso dazu, denn auch dies könne die Straßen entlasten, weil man mit entsprechender Technik für viele Gespräche nicht mehr von A nach B fahren müsse, sondern sie online führen könne.
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