Tauberbischofsheim. Mit großer Verwunderung wurde bei einigen Tauberbischofsheimern der Artikel vom 13. Mai in der FN zur Kenntnis genommen, dass man in der oberen Fußgängerzone bei den Bauarbeiten einen bisher "unbekannten" Keller entdeckt habe, dessen Gewölbescheitel bei den Tiefbauarbeiten so stark beschädigt worden und jetzt einsturzgefährdet sei und unbedingt verfüllt werden müsse. Das wäre sicherlich vermeidbar gewesen, hätte man rechtzeitig die einschlägige Literatur oder die Ersteller des Stadtmodells im Schloss zu Rate gezogen.
Bereits 1896 stritt sich der Besitzer des an der Stelle der heutigen Sparkasse befindlichen Hofguts, Gregor Berberich, mit der Stadt wegen des anstehenden Wasserleitungsbaues und erwirkte eine Verlegung der Wasserrohre ohne Beschädigung des Kellers und somit dessen Erhalt. (Gehrig/Müller, Tauberbischofsheim, S. 6, 1997).
Seither hat des angeblich einsturzgefährdete Gewölbe nicht nur den Verkehr durch die bis in die 70er Jahre regulär befahrene Hauptstraße ertragen, sonder auch den ganzen Durchgangsverkehr der B 27, die auf der alten Heer- und Handelsstraße mitten durch die Stadt führte. Auch der siebte stadteinwärts liegende Bogen der alten Tauberbrücke ist noch unterirdisch verfüllt erhalten.
Die Erbauungszeit des Gewölbes liegt aber weit vor 1896 zurück. Wie allgemein bekannt sein dürfte, befand sich das obere Stadttor am unteren Ende des Sparkassengeländes. Der Rest des abgebrochenen Tores mit den Inschriften der damaligen Rentmeister erinnert noch heute daran.
Die Maria Hilf Kapelle lag bereits außerhalb des Tores und davor zog sich der Graben rund um die Stadt. Um den Graben überwinden zu können, brauchte es eine Brücke, die zum Sonnenplatz hin mit dem vom Oberamtmann Caspar Lerch IV von Dürmstein gestifteten Schmucktor geziert war. Auch dieses war der Vernichtung preisgegeben, konnte aber 1812 durch Privatkauf des Rollenmüllers Stephan Weber und Einbau als Toreinfahrt zur Mühle (heu e Halbigsmühle) gerettet werden. Stephan Weber, von 1822 bis 1832 Bürgermeister unserer Stadt, hat diesen Vorgang dort einmeiseln lassen.
Bei dem Berberichschen Keller handelt es sich zweifelsohne um das Brückengewölbe des alten Stadtgrabens, das man sinnvollerweise als Keller der 1805 bis 1810 von Adam Rudolf erbauten und für den Neubau der Sparkasse 1971 abgerissenen Hofgutes erhalten hatte.
Wenn die Autorin im Rahmen ihrer Stadtführungen diesen Keller erwähntem stieß sie bei Angestellten der Sparkasse stets auf allergrößte Ungläubigkeit . Dass er zum Gebäude hin verschlossen war, war allerdings unbekannt. Auch wenn die Stadt Tauberbischofsheim leider keine Stadtrechtserhebungsurkunde vorweisen kann, datiert Ogiermann , Tauberbischofsheim, 1955; absolut schlüssig den Stadtmauerbau zwischen 1275 und 1278 und somit auch die Anlage der Tore, Gräben und zugehörigen Brücken, wobei die erste obere Grabenbrücke womöglich aus Holz war und erst später durch ein gemauertes Gewölbe ersetzt wurde. Die genaue Datierung sollte dem Amt für Denkmalpflege obliegen.
Auch in dem erst 2005 im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart von Schneider erstellten Stadtkataster, Band 29, Karte 3, ist dieser Keller eingetragen. Sowohl Kataster als auch die Stadtchronik liegen zum Kauf in der Touristinformation aus. Wieviele Heere und Kaufmannszüge und die Lasten der Neuzeit hat dieses Brückenjoch schon ertragen?
Allergrößten Respekt dürfen die heutigen Menschen diesen Baumeistern zollen. Nun, da dieses offenbar allgemein vergessene Kulturgut höchsten Ranges plötzlich wieder ans Tageslicht geholt wurde, sollte man nicht vorschnell handeln und durch Verfüllung unwiederbringlich vernichten. Fachexperten wären sicherlich in der Lage, die tatsächliche Einsturzgefahr beziehungsweise die Reparaturmöglichkeiten realistisch zu beurteilen und einen aussagekräftigen Kostenvoranschlag abzugeben. Wenn dieser nun weitaus günstiger ausfiele, als die vom Gemeinderat zur Verfüllung bereitsgestellten 30 000 Euro, sollte zumindest dies ein schlagendes Argument sein. Außerdem wäre ein Mahl unter Zöllnern und Mauteintreibern im Keller doch auch eine nette Geschäftsidee. Andere Städte machen es mit Erfolg vor. iwl/kn
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