vhs Mittleres Taubertal - Vertreter des arabisch-deutschen Kulturzirkels Stuttgart zu Gast / Durch Wissen Missverständnisse im Umgang mit Flüchtlingen vermeiden

"Unsere Werte geduldig vermitteln"

Von 
Norbert Seybold
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Die Brücke dient als Symbol des Miteinanders von Kulturen. Warum es auf dem Weg dahin oft größere Probleme gibt, erläuterten bei der vhs in Tauberbischofsheim (von links) Dipl. Ing. Franziska Laue, Tobias Kegler, Yasmin ElHakim und Dipl. Ing. Bassam Sabbagh vom Verein Hiwar aus Stuttgart.

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Tauberbischofsheim. Darf ich meinem Gegenüber direkt in die Augen blicken oder warum nimmt mich ein "Wildfremder" plötzlich in die Arme. Situationen, die alle kennen, die sich bei der vhs in Tauberbischofsheim zu einem Themenabend "Brücken zwischen verschiedenen Kulturen bauen", trafen. Denn alle sind mehr oder weniger lange in die Arbeit mit Flüchtlingen involviert. Mit dabei auch zwei junge Männer, die selbst als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen waren und über eigene Erfahrungen im Umgang mit einer für sie fremden Kultur berichten konnten.

Als kompetente Gäste hatte vhs-Leiterin Christina Schelhaas vier Experten eingeladen, die aus langjähriger Erfahrung und wissenschaftlichem Hintergrund berichten konnten: Dipl. Ing. Franziska Laue ist Architektin und arbeitete an zahlreichen Projekte zur Stadtentwicklung in Afrika und im arabischen Raum. Dipl. Ing. Bassam Sabbagh und Yasmin ElHakim sind Vorstand und Mitarbeiter beim Arabisch-deutschen Kulturzirkel Hiwar in Stuttgart und Tobias Kegler ist Sinologe und weist langjährige Auslandserfahrung auf.

Was geschieht denn, wenn Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinanderprallen: Als Modell für diesen "Clashs of Cultures" dient dabei ein Eisberg. Das soll zeigen, dass kulturelle Eigenheiten zwar sichtbar sind (über der Wasserlinie liegen). Der größte Teil ist, wie bei einem Eisberg, aber erst einmal unter der Wasseroberfläche versteckt.

Und hier liegen die Probleme, weil diese Bereiche einem großen Teil den Menschen oft selbst nicht bewusst sind. Am schwierigsten erweisen sich dabei die Felder Beziehungen, Kommunikation und die Art, Probleme zu lösen.

Dabei sollte man sich, so Franziska Laue, einmal bewusstmachen, dass es schon zwischen europäischen Nachbarn große Unterschiede gibt. Und wenn man Deutschland in Bezug auf die restliche Welt setzt, sieht man, wie klein unser Land dann ist.

Oft nicht wahrgenommen werden hier auch die vielfältigen Unterschiede von Flüchtlingen, die aus einem Land, wie etwa Syrien kommen. Mindestens acht verschiedene Ethnien gibt es dort, sie sich oft noch durch Religion oder Sprache unterscheiden. "Es gibt also den typischen Syrer gar nicht", so Franziska Laue.

Das Wissen über den Gegenüber ist also wichtig. Und dabei sollte man sich die unterschiedlichen Kultdimensionen bewusstmachen. Dieses Wissen lässt sich dann in bestimmte Handlungsformen umsetzen. Ein auf beiden Seiten für viele Missverständnisse sorgender Bereich ist dabei der Begriff "Zeit". "Wann ist man pünktlich, wann ist man zu spät", lautet eine der Fragen. Bassam Sabbagh zeigte an einem Beispiel, wie groß der Unterschied sein kann: Wer im arabischen Raum zu eine Essenseinladung pünktlich kommt, ist unhöflich, weil er damit seinen Hunger öffentlich zeigt. Schnell entzündete sich hier eine Diskussion.

Schließlich sei Pünktlichkeit um Beispiel im Deutschunterricht oder später an einer Arbeitsstelle in Deutschland sehr wichtig.

Dies sahen die Referenten genau so. Die Flüchtlinge müssen dafür sensibilisiert werden. "Wir müssen mit ihnen darüber reden". Klare Regeln und das Nutzen einer bestehenden Hierarchie können dabei hilfreich sein.

In die gleiche Richtung zielen die Begriffe "Pflicht" und Pünktlichkeit". Bassam Sabbagh mache dabei deutlich, dass islamischen Religion zum Beispiel Sauberkeit oder das Streben nach Perfektionismus als Traditionen enthalten seien. "Die hier ankommenden Menschen müssen den Zeitbegriff lernen, wenn sie erfolgreich sein wollen."

Wie nahe dürfen sich zwei nicht näher bekannte Menschen beim Kennenlernen kommen? Auch diese Frage werde zum Beispiel im arabischen Raum ganz anders beantwortet als hier in Deutschland. Berührungen seinen im Orient als Wertschätzung des Gegenübers selbstverständlich, hier erzeugen sie eher Unwohlsein.

Auch Fragen werden in der europäischen Kultur oft als Eindringen in die eigene Privatsphäre gesehen, während sie in einer anderen Kultur zu einer ritualisierten Sequenz gehören, mit denen man ein Gespräch eröffnet.

Neben vielen anderen Bereichen sei es in manchen Kulturkreises auch nicht üblich, dass man für sich allein zu sorgen hat. Die Familie oder eine größere Gruppe regeln das. Nun müssten die Menschen lernen, allein verantwortlich zu sein. Dazu gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Bereiche, in denen die Unterschiede zwischen den Kulturen deutlich werden.

"Auf diesen Erfahrungen basierend, müssen wir unsere Werte geduldig vermitteln", ist Franziska Laue überzeugt. Dazu könne man bestehende Netzwerke dazu nutzen, neue Verbindungen zu anderen schon hier lebenden Familien zu knüpfen.

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