Gamburg. Wer mit dem Hausherrn der Burg Gamburg, Gawain von Mallinckrodt, eine Führung durch die alten Gemäuer macht, den erwarten seltene Einblicke in eine uralte Burganlage und Hintergrundinformationen aus längst vergangenen Tagen. Doch eigentlich ist es vielmehr der heutige Burgherr selbst, der mit seinem ausgeprägten Sinn für Humor die Rundgänge zu etwas ganz besonderem macht: einer lehrreichen Burgkomödie vor historischer Kulisse. Beim Baden-Württemberg-weiten Schlosserlebnistag am Sonntag zeigte er die Burg Gamburg bei der Sonderführung "Expedition Burggraben" aus einem ganz besonderen Blickwinkel.
Burg kostete 12,5 Millionen Euro
Hans-Georg von Mallinckrodt steht inmitten des Burghofes der Burg Gamburg. Die Sonne brennt in sein Gesicht. Über 50 Gäste umrunden ihn. "Mit so vielen Besuchern hatten wir nicht gerechnet", sagt er lautstark. Selbst Hörgeräteträger in der letzten Reihe verstehen jedes Wort. Bevor es in den Burggraben geht, dürfen ein paar allgemeine Worte zu der Festung aus dem 12. Jahrhundert nicht fehlen. "Die Burg Gamburg war die östlichste Mainzer Grenzburg zum benachbarten Würzburger Territorium", erklärt er die mächtige Anlage. Umgerechnet auf heutige Verhältnisse habe der Bau der Burg einst 12,5 Millionen Euro gekostet. In ihren besten Zeiten beherbergte sie wohl zwischen 200 und 300 Bewohnern. Heute wohnt nur noch Hans-Georg von Mallinckrodt mit seiner Frau dort.
Der Burgherr führt die Besuchergruppe über das von zwei mächtigen Türmen bewachte Haupttor nach draußen. Vorbei an einer artenreichen Pflanzenwelt geht es über einen mit saftigem Grün bewachsenen Fußweg hinunter in den Burggraben. Mit etwas Fantasie wähnt man sich im bewucherten Dornröschenschloss. Eine Besucherin wird es später "wild-romantisch" nennen. Der Burgherr zeigt mit seinem Wanderstock auf den ersten Verteidigungsturm. "Der Turm wurde beim Bau mit Erde befüllt", sagt er zum Erstaunen der Gäste. Das habe mögliche Kanonenschläge besser abfedern sollen.
Herzerfrischender Humor
"Die Schießscharten sind schon für Musketen ausgelegt", geht er weiter auf den Turm ein. "Da wurde halt abgeschossen, was einem vor die Flinte kam. Zielen konnte man mit den Dingern sowieso nicht", bringt er die Besucher mit seinem herzerfrischenden Humor zum Lachen.
Auch für die artenreiche Pflanzenwelt im Burggraben hat er eine Erklärung: Als der Garten im 16./17. Jahrhundert angelegt wurde, seien viele Gewächse aus Amerika nach Europa importiert worden. "Man hat dann ausprobiert, was hier wächst. Und da die Bauern nicht den Platz, das Geld und den Kopf dafür hatten, wurden Burgen zu so etwas wie frühe botanische Versuchsanstalten."
Über den schneckenhausförmigen Burggraben geht es weiter in den akkurat angelegten Renaissancegarten. Das großflächige Terrain wurde einst eigens für den Garten in mühsamer Handarbeit aufgeschüttet. Bunte Blüten suchen die Gäste hier allerdings vergeblich. "Das ist ein immergrüner Heckengarten, wie es bis zum Ende der Renaissance üblich war", erklärt von Mallinckrodt
Bereits seit dem 16. Jahrhundert ist die Burg in Privatbesitz, erklärt von Mallinckrodt während er die Gäste weiterführt. Doch anders, als man vermuten könnte, ist seine Familie mit dem westfälischen Adelstitel nicht durch Erbe in den Besitz des Gemäuers gelangt. "Mein Vater hat die Burg 1980 gekauft", erzählt er. "Aber ersparen Sie sich bitte die Frage nach dem 'warum'. Das habe ich bis heute nicht begriffen."
Die Besucher stehen nun vor einem ausgetrockneten Brunnenbett. "Die Burg war in einem schrecklichen Zustand, als wir sie 1980 übernommen haben. Vieles ist noch nicht restauriert", bittet er beinahe um Verständnis. "Und warum ist der Brunnen leer", fragt er selbst. "Weil wir bis vor ein paar Jahren nicht wussten, das es ihn gibt." Erst nachdem der Schutt abgetragen wurde, der sich im Laufe der Jahre angesammelt habe, sei der Brunnen wieder entdeckt worden. Nächstes Jahr will er den Brunnen reparieren. "Sie merken, was es für ein Spaß es ist, eine Burg zu bewirtschaften", deutet er auf ironische Weise die viele Arbeit an.
Aborterker und mystische Funde
An der hinteren Seite der Burg deutet von Mallinckrodt nun auf den Aborterker, der im Mittelalter als Toilette diente. Über Holzkanäle seien die Exkremente über verschiedene Gruben bis zum Bergabhang transportiert worden. "Deshalb wachsen da die Bäume so gut", deutet der Burgherr mit einem verschmitzten Lächeln an.
Auf provisorischen Trampelpfaden um die Burg herum gelangt die Besuchergruppe direkt an den Fuß der Außenfassade.
Hier erklärt von Mallinckrodt die besondere Bedeutung der Fenster. "Wir gehen davon aus, dass die Burg Gamburg die erste Burg nördlich der Alpen mit verglasten Fenstern war." Auch warum das so ist, weiß er: "Das war nix anderes als Politpropaganda gegenüber den Würzburgern, die an der Burg Gamburg vorbeireiten musste, wenn sie zum Kloster nach Bronnbach wollten."
Auch von mystischen Funden im Gemäuer der Burg berichtet von Mallinckrodt: "Hinter einem losen Stein fanden wir ein sogenanntes Bauopfer: ein Skelett von einem Nagetier, einen Damenschuh und einen Mädchenschuh. Dieses sollte die Burg vor Unheil bewahren.
Dorfbewohner retteten Burg
Zum Glück für die Nachwelt wurde die Burg Gamburg nie angegriffen oder zerstört. Obwohl sie einmal bereits kurz vor ihrem Niedergang stand. "Während des zweiten Weltkriegs lagerten die Nationalsozialisten hier viele Unterlagen zum sowjetischen Widerstand", erzählt von Mallinckrodt.
Damit diese nicht den Alliierten in die Hände fallen konnten, habe die Nazi-Führung geplant, die Burg Gamburg zu sprengen, berichtet der heutige Burgherr.
"Ein Dorfbewohner konnte den Befehlshaber gerade noch überzeugen, die Unterlagen mit Hilfe der Dorfbevölkerung aus der Burg zu tragen und im Wald zu verbrennen", berichtet von Mallinckrodt von der Rettung in letzter Sekunde. "Sie sehen, es braucht manchmal eine Menge Glück, um so eine Burg zu erhalten."
Die Frage nach einer Folterkammer beantwortet von Mallinckrodt gewohnt humorvoll. "Noch haben wir keine, aber wir schaffen uns bald eine an."
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