Tauberbischofsheim. Zwei Vorträge, drei Grußworte, Schuberts Sinfonie in h-Moll sowie Rap und Sport - zu wenig war am gestrigen Freitag beim Festakt des Matthias-Grünewald-Gymnasiums (MGG) sicher nicht geboten. 325 Jahre gymnasiale Bildung in der Stadt galt es zu feiern - und das wurde denn auch ausführlich vor allem in den Beiträgen von Erzbischof Dr. Robert Zollitsch (siehe eigener Bericht) sowie des früheren Schulleiters des MGG, Hermann Müller, gewürdigt. Gekonnt moderierten Kirsten Barth und Tobias Endres die Veranstaltung.
Auf drei zentrale Themenbereiche beim Rückblick auf 325 Jahre gymnasiale Bildung in Tauberbischofsheim ging Schulleiter i. R. Hermann Müller in seiner Rede ganz besonders ein: Die 135 Jahre umfassende Zeit des Franziskaner-Gymnasiums bis 1823, die 90er Jahre des 19. Jahrhunderts mit dem ersten Abitur 1884 sowie einige Anmerkungen zum Erzbischöflichen Studienheim in der Kreisstadt, dem Konvikt.
Seit 1629 gab es Franziskaner in der Stadt. Im heutigen Klosterhof entwickelte sich über die Jahre hinweg eine ordensinterne theologische und philosophische Hochschule. Diese wollten die kurmainzischen und städtischen Beamten gerne auch für die hiesigen Bürger nutzbar machen. Zwar gab es schon eine "Deutsche Schule" zum Erlernen des Lesens und Schreibens sowie eine "Lateinische Trivialschule", weiter aber nichts. Die Bemühungen hatten schließlich Erfolg: Der Mainzer Kurfürst und Erzherzog Anselm Franz von Ingelheim verpflichtete am 9. Januar 1688 die Franziskaner, im neu eingerichteten Gymnasium "gemeiner Bürgerschaft zum besten Syntaxin, Poeticam und Rhetoricam zu dozieren." "Aus heutiger Sicht natürlich eine sehr einseitige Schwerpunktsetzung auf die lateinische Sprache, die man an den Universitäten allerdings als Disputationssprache unbedingt benötigte." Naturwissenschaften, so Hermann Müller, kamen erst im späten 18. Jahrhundert dazu.
Als andauernder Konflikt entpuppte sich die Frage der Entlohnung der franziskanischen Professoren. Da es im Konvent eigentlich zu viele Personen gab, die aus der Bevölkerung versorgt werden mussten, griff die kurmainzische Regierung zu einer kleinen Erpressung: Die Zahl wird geduldet, der Unterricht am Gymnasium aber muss kostenlos gehalten werden - oder zumindest fast zum Nulltarif. Über Jahrzehnte hinweg schwelte dieser Konflikt.
Nicht ohne Probleme sei auch das Miteinander von franziskanischem Konvent und der örtlichen Pfarrgeistlichkeit gewesen, was auch an der direkten Nachbarschaft von Schule und Pfarrhaus gelegen habe. So war manchem Pfarrer die Schulglocke ein Ärgernis, die mitten in der Messe geläutet wurde.
Nach 1770 zogen dunkle Wolken auf, so Hermann Müller, das gesamte Schulwesen kam in der Zeit der Aufklärung auf den Prüfstand. Ergebnis: 1773 wurde die Auflösung des Gymnasiums in Bischofsheim geplant: Das Hochstift aus Würzburg plante, in Lauda eine eigene Schule aufzumachen. Die Befürchtung, dass die Bischofsheimer Schüler dann sogar ins "Ausland" abwandern könnten, trug mit dazu bei, das Gymnasium zu erhalten.
Allerdings wurde eine lokale Schulkommission eingesetzt, der auch "die aufgeklärteste Person" der Beamtenschaft angehörte. Einen tiefen Einschnitt bedeutete die Säkularisation 1803. Das Franziskanerkloster wurde "auf den Aussterbeetat gesetzt", 1823 wurde es aufgehoben, die franziskanische Phase endete damit.
Den zweiten Schwerpunkt seines Vortrags legte Hermann Müller auf die Jahre um 1880 mit der erneuten Anhebung der Schule zu einer Vollanstalt und dem ersten Abitur 1884. Die Besitzrechte des Erzbischofs von Mainz waren an die Standesherrschaft Leiningen weitergegangen, die das Tauberbischofsheimer Kloster wegen der teuren Unterhaltung der Stadt übereignete. Die verlegte 1823 die Schule ins geräumige Kloster, wo sie bis um Stadtbrand 1862 untergebracht war. Nun musste ein Neubau her, das damalige neue (heute alte) Gymnasium wurde 1866 eingeweiht und bezogen, die letzten Schüler zogen erst im Jahr 1962 von dort aus in den heutigen Neubau aus. Nach Ende der franziskanischen Zeit begleiteten finanzielle Probleme die Schule, so Hermann Müller. Die Kirche blieb dabei stets neben der Stadt an der Trägerschaft beteiligt, viele Geistliche unterrichteten auch.
"Um die Jahrhundertwende erlebte die Schule einen enormen Aufschwung, vor allem unter der Leitung eines Direktors Karl Damm", so der ehemalige Schulleiter.
Dessen filmreifer Lebenslauf führte nach der Tätigkeit in Bischofsheim bis 1849 als Abgeordneter in die Paulskirche, nach Niederschlagung der Revolution als Freischärler in den Schwarzwald, als Flüchtling über England nach Australien, wo er Goldsucher, Schafhirte und Geschäftsmann war.
Nach der Amnestie der Freiheitskämpfer kehrte er zurück, wurde in Karlsruhe erneut Schulleiter und starb hochdekoriert 1866. Einige Versuche, wieder neunklassige Vollanstalt zu werden, scheiterten, Erst der Anlauf 1882 gelang: 1884 verließen die ersten 19 Abiturienten das Gymnasium.
Das Konvikt bildete den letzten Themenschwerpunkt der Rede Hermann Müllers. "Sein Beitrag zum Aufblühen der Schule kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden." 1871 als erzbischöfliches Knabenkonvikt in dem Gebäude unterhalb der Maria-Hilf-Kapelle gegründet, zog es 1891 an den Fuß des Stammbergs. "Generationen von Schülern aus bildungsfernen Gegenden des Taubergrundes, Baulandes und Odenwald fanden dadurch den Weg zur gymnasialen Bildung. "Ohne das Konvikt wäre das heutige Matthias-Grünewald-Gymnasium ein unbedeutendes Provinzgymnasium geblieben", so Hermann Müller.
Eine "kleine persönliche Erinnerung" stellte Hermann Müller ans Ende seiner Ansprache.
Vor einigen Jahren war ihm ein Blatt aus dem Jahr 1954 in die Hände gefallen aus seiner eigenen Zeit als "Zensor" im Konvikt. Darauf die Namen der zu betreuenden Schüler, darunter auch einen gewissen Robert Z., der 1960 sein Abitur machte, heute Erzbischof ist und als nächster Redner beim Festakt mitwirken werde.
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