Tauberbischofsheim. Bereits 1317 wird in alten Schriften in Bischofsheim das "Obere Tor" erwähnt. Mit diesem Tor ist der obere Torturm gemeint, der zur Stadtbefestigung gehört und infolge der Stadtrechtsverleihung in dieser Zeit gebaut wurde. Irrtümlich wird aber häufig das heute sogenannte "Halbigstor" als oberes Stadttor bezeichnet. Dieses prächtige, rein dekorative Renaissancetor wurde im Jahre 1612 durch den Amtmann Caspar Lerch von Dürmstein errichtet, als das obere Tor, Teil der Stadtbefestigung, bereits fast 300 Jahre alt war. Zwischen dem Dürmsteintor (Standort am oberen Ende der heutigen Fußgängerzone zum Sonnenplatz hin) und dem oberen Tor der Stadtbefestigung lag ein Abstand von etwa 30 Metern.
Die westliche Zufahrt zur Stadt verlief seit 1612 durch das Dürmsteintor, über eine Gewölbebrücke, die für den Wasserdurchlauf im Stadtgraben notwendig war, und einen daran anschließenden Damm zum oberen Tor der Stadtmauer.
Bereits im Jahr nach dem Bau dieses Renaissancetores baute Caspar Lerch von Dürmstein ein zweites Tor am ostseitigen Ende der Tauberbrücke, nahe der dort erbauten Leonhardikapelle. An dieser Stelle befand sich wahrscheinlich bereits seit dem späten Mittelalter ein Brückentor, das in der Feuer- und Sturmordnung von 1608 der Stadt als St. Leonhardstor erwähnt ist.
Doch die vielen und starken Hochwasser setzten dem Dürmsteinschen Tor und der St Leonhardikapelle derart zu, dass beide nach dem verheerenden Hochwasser von 1784 nicht wieder aufgebaut wurden. Die Steine des zerstörten Tores wurden höchstwahrscheinlich von der Bevölkerung als willkommenes Baumaterial verwendet - bis auf den Wappenstein. Dieser wurde in die Hofmauer des alten Rathauses eingemauert und sehr bald vergessen. Man wusste nicht mehr, woher dieser stammt. Weder Oechelhauser (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden, 1898) noch Ogiermann (Tauberbischofsheim, 1955) konnten eine Herkunft des Steines nachweisen, der mittlerweile in die Westmauer in der unteren Diele des Kurmainzischen Schlosses eingemauert wurde.
Erst bei den Nachforschungen zum Bau des Stadtmodells für das Tauberfränkische Landschaftsmuseum tat sich eine Quelle auf: Der Guardian des Bischofsheimer Franziskanerklosters Caspar Liebler, gebürtig aus dem Melusinenhaus in der Unterstadt, beschreibt in seinem berühmten Büchlein "Leben der heiligen Jungfrau und Äbtissin Lioba" ganz nebenbei das untere Renaissancetor mit seiner Wappentafel und Inschrift. Diese Beschreibung trifft genau auf den Wappenstein in der Schlossdiele zu.
Nun aber zurück zum "Oberen Tor": Nachdem die Durchfahrtöffnung des oberen Renaissancetores für den Verkehr zu klein wurde und somit "im Wege" war, verkaufte 1812 die Stadt dieses Tor an die damaligen Besitzer der Rollenmühle Stephan Weber und Sussanna Webern, geborene Kreutern. Somit wurde wenigstens dieses Glanzstück des ehemaligen westlichen Stadtzugangs vor der Zerstörung gerettet (siehe Müller/Gehrig, Tauberbischofsheim, 1997): 1885 übernahm dann die Familie Halbig das Anwesen. Nach 200 Jahren als Ziertor am Stadteingang nunmehr 200 Jahre als Hoftor der Rollenmühle, für die Bischemer - das Halbigstor.
Caspar Lerch von Dürmstein hat sich in seiner Amtszeit von 1611 bis 1619 außerdem mit einer Reihe von Stiftungen und Baumaßnahmen als einer der Großen unter den Mainzer Amtmännern ausgezeichnet. In Bischofsheim wurde die Stadtmauer erhöht und weiter ergänzt, der Stadtkirche stiftete er einen Stephanusaltar, das Geläute der Kirche bereicherte er 1615 mit einer Glocke, 1616 ließ er eine Kreuzigungsgruppe aus Stein anfertigen, die heute die Friedhofshalle ziert.
In mehreren Ortschaften um Bischofsheim hat er ähnlich gewirkt. Erwähnt sei an dieser Stelle nur der Keller auf dem "Pastoreiplatz" in Werbach, "desgleichen kein Köller im selbigen Dorf befindlich", wie er selbst in seinen Aufzeichnungen schreibt. Der Keller ist heute unter dem Gasthaus "Zum Ochsen" und kann auf Wunsch besichtigt werden.
Tauberbischofsheim verdankt heute übrigens einigen sehr engagierten Bürgern das Überleben von historischen Baudenkmälern, so dem Ehepaar Weber das oben erwähnte Halbigstor, dem praktischen Arzt Dr. Stöcker, der sich erfolgreich beim Verwaltungsgerichtshof gegen den vom Stadtrat beschlossenen Abbruch des Kurmainzischen Schlosses widersetzte, oder dem Schreiner Josef Zugelder, der sich gegen den Abbruch des Türmersturms handgreiflich erfolgreich wehrte.
Ein Einspruch gegen den Abbruch des Riedernschen Hofes für den Bau eines neuen Landratsamtes blieb erfolglos. Heute ist dieser Vorgang in den 50er Jahren undenkbar - aber unumkehrbar! Der Gründer der deutschen Stiftung Denkmalschutz, Prof. Dr. Gottfried Kiesow, schreibt: "Denkmalschutz ist unser Dank an die Vergangenheit, die Freude daran in der Gegenwart und unser Geschenk an die Zukunft".
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