Distelhausen. Ursprünglich stand die Grabanlage, die aus zwei großen Grabsteinen und einem Steinsarkophag besteht, neben der Distelhäuser Ortskirche inmitten des damaligen Friedhofes. Der Friedhof wurde 1861 an die Wolfgangskapelle verlegt. In Achtung vor der Familie Abendanz blieb die Grabanlage unangetastet. Bei einer späteren Umgestaltung des Kirchenvorplatzes war eine Versetzung der Grabanlage an die Wolfgangskapelle für zweckmäßig gehalten worden. Leider war der neue Standort vollkommen ungeeignet. Mitten im nassen Gras stehend und ohne Zugangsweg geriet die Grabanlage langsam in Vergessenheit. Noch gravierender war, dass der Standort im Feuchtgebiet der Tauber lag. Bei jedem Tauberhochwasser stand die gesamte Anlage unter Wasser, bei Winterhochwasser sogar mitten im Eis.
Vor einigen Jahren wurde festgestellt, dass durch die ungünstigen Umstände schwere Steinschäden aufgetreten sind. Von Bürgern aus Distelhausen wurde eine Renovierung verbunden mit einer Verlegung an einen neuen Standort angestoßen. Auch das Landesdenkmalamt erkannte diese Notwendigkeit und stimmte dem Vorhaben zu.
Für die Organisation mit den umfangreichen Verwaltungsarbeiten konnte der Heimatverein Dittigheim gewonnen werden. Die Kosten wurden durch Zuschüsse des Landesdenkmalamtes, der Stadt Tauberbischofsheim, und durch Spenden von Bürgern aus Distelhausen gedeckt. Der neue Standortes wurde in Eigenleistung gestalte. Durch den jetzigen Standort gegenüber dem Eingang zur Wolfgangskapelle können die drei Grabmale von allen Seiten besichtigt werden.
Der Sarkophag, verziert mit einem Empireornament, trägt auf einer Seite die Inschrift: "Hier ruhet Herr Joh. Simon Abendanz, geb 28. Oct 1715, gest 31. Dec 1796", und auf der anderen Seite "Hier ruhet Frau Maria Rosina Abendanz, geborne Buchler 8. Dec 1724, gest. 17. Apr 1793".
Auf dem Grabstein aus Muschelkalk ist auf der Rückseite zu lesen: "Hier ruhet Johann Rudolph Abendanz. Hochfürstlicher Würzburgerischer Resident zu Frankfurt am Main, geboren am 20. Januar 1758, gestorben am 27. September 1805."
Der stark beschädigte Grabstein aus Buntsandstein kann wegen fehlender Inschrift nicht mehr zugeordnet werden.
Im Mittelpunkt dieser Grabanlage steht die Person des Johann Simon Abendanz. Er wurde im Jahre 1715, also vor genau 300 Jahren, in Distelhausen geboren. Sein Vater Thomas Abendanz, dessen Grabplatte an der Kirche in Lauda angebracht ist, betrieb in Distelhausen eine kleine Weinhandlung.
Schon in jungen Jahren übernahm der Sohn Johann Simon das elterliche Handelsgeschäft. Er kaufte die Weine der tauberfränkischen Kleinwinzer auf und vermarktete sie auf den großen süddeutschen Weinmärkten. Durch seine äußerst geschickten Geschäftstätigkeiten konnte er seine Weinhandlung zu einem Firmenimperium ausbauen und zählte zu den größten Weinhändlern im Taubertal. Auch die Heirat mit der Weinhändlerstochter Maria Rosina Buchler aus Gerlachsheim brachte ihm zusätzliche Vorteile.
Weinhandelsimperium
Der Weinmarkt in Frankfurt war der damals bedeutendste Weinhandelsplatz Süddeutschlands. Dort unterhielt Abendanz eine Außenstelle, um am Markt ständig präsent zu sein. Diese Außenstelle wurde von seinem Sohn Johann Rudoph Abendanz geleitet. In Großheubach am Main hatte er eine Zwischenstation auf dem Handelsweg nach Frankfurt eingerichtet.
Zur Bedienung der südlichen Regionen gründete er in Augsburg eine Zweigniederlassung. Leiter dieser Niederlassung war sein zweiter Sohn Franz Joseph Abendanz. Wiederum als Zwischenstation baute er in Wallerstein bei Nördlingen eine Niederlassung, die auch eine Brauerei umfasste. Seine Geschäftstätigkeiten reichten bis weit nach Böhmen hinein.
Im Jahre 1758 errichtete er in Distelhausen einen repräsentativen Herrenhof, heute das "Alte Schloß" genannt. Dieser Gebäudekomplex mit einem großen Lagerkeller und umfangreichen Büroräumen war die Zentrale seines Handelsimperiums. Da dieser Keller schon nach kurzer Zeit nicht mehr ausreichte, baute er in der näheren Umgebung immer neue Keller dazu. Noch heute sind an manchen Kellereingängen die Initialen "JSA" zu erkennen.
Begünstigt wurde diese Handelstätigkeit durch die zur damaligen Zeit sehr große Nachfrage nach Wein, besonders nach den Frankenweinen. Heute noch lassen die vielen Steinriegel und Steinmauern an den Steilhängen des Taubertales und den Seitentälern erahnen, welches Ausmaß der Weinbau zur damaligen Zeit im Mittleren Taubertal hatte und welche gewaltige Mengen an Wein von den ansässigen Weinhändlern vermarktet wurde. So hatte schon allein Distelhausen beinahe 150 Hektar Weinbergfläche.
Johann Simon Abendanz gab durch seine Weinhandlung vielen Distelhäusern Arbeit und Brot. Für kranke und verarmte Distelhäuser richtete er ein Invalidenspital ein.
Im Jahre 1791 feierte er im Kreise seiner sieben Kinder und 17 Enkeln mit einem großen Fest die goldene Hochzeit, zu der alle Distelhäuser eingeladen waren und sogar eine Gedenkmünze geprägt wurde. Zwei Jahre später starb seine Ehefrau, weitere drei Jahre später verschied Johann Simon Abendanz im Alter von 81 Jahren.
Schon einige Jahrzehnte nach seinem Tod musste die einst so erfolgreiche Weinhandlung aufgegeben werden. Handelspolitische Umstände haben dazu wesentlich beigetragen. Der Herrenhof wurde von den Nachkommen 1903 verkauft. 1956 kaufte das Areal die Gemeinde Distelhausen auf. Das große Wohn- und Geschäftshaus diente fortan als Miet- und Asylantenwohnheim, ehe es die Stadt Tauberbischofsheim 2005 weiter verkaufte. Dieses "Alte Schloß", unter Denkmalschutz stehend und für das Mittlere Taubertal ein bedeutendes Kulturgut, ist dringend sanierungsbedürftig, bevor größere Schäden eintreten.
Die jetzt abgeschlossene Renovierung der Abendanzschen Grabanlage ist eine angemessene Würdigung der Leistung des Distelhäuser Weinhändlers Johann Simon Abendanz, dessen Geburtstag sich dieses Jahr zum dreihundertsten Male jährt.
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