Büroeröffnung - Landtagsabgeordnete Dr. Christina Baum hat seit Samstag ein Bürgerbüro auf dem Marktplatz der Kreisstadt / Protestkundgebung

Äußerst unbequemer "blonder Engel"

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Heike v. Brandenstein
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© Heike v. Brandenstein

Die Eröffnung des Büros der AfD-Landtagsabageordneten Dr. Christina Baum rief laut Polizei rund 250 Gegendemonstranten auf den Plan. Bei beiden Veranstaltungen wurde Klartext geredet.

Tauberbischofsheim. "Herz statt Hetze" lautete das Motto der Kundgebung am Samstag auf dem Tauberbischofsheimer Marktplatz, zu der die Initiative "Mergentheim gegen Rechts" aufgerufen hatte und die vom DGB Main-Tauber, der Partei "Die Linke", der Grünen Jugend Würzburg, der IG Metall Tauberbischofsheim, den Jusos Main-Tauber und der Piratenpartei Main-Tauber unterstützt wurde. Die Redner richteten sich klar gegen eine Leugnung des Holocaust. "Lügen sind heute alternative Fakten", sagte Anton Mattmüller von den Jusos mit Blick auf die jüngsten Äußerungen des thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke zu dem von ihm bezeichneten "Denkmal der Schande", das sich das deutsche Volk in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt habe. Er sei ein "thüringer Möchtegern-Goebbels". Vielmehr sei es vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte Pflicht, die im Nationalsozialismus begangenen Greueltaten in Erinnerung zu rufen und den Holocaust niemals zu vergessen. Einig waren sich die Redner darin, dass klar gegen menschenverachtende Ideologien vorzugehen sei, um Deutschland als weltoffenes und tolerantes Land zu bewahren. Hass und Wut seien ebenso keine Lösung wie die Diffamierung von Muslimen.

Auf die Inhalte des AfD-Programms ging Birgit Adam ein. Sie kritisierte das Frauen- und Familienbild der Partei, mit dem das Rad zurückgedreht werden solle. Auch der Forderung nach der Wiedereinführung der Wehrpflicht oder der Privatisierung des Bildungswesens erklärte sie eine Absage, weil sich dann nur noch Reiche eine gute Schule für ihre Kinder leisten könnten. Gleiches gelte für das Sozialsystem, das nach AfD-Willen zugunsten privater Vorsorge aufgespaltet werden solle und letztlich die geringer Verdienenden benachteilige.

Im Parforceritt sprach sie das Verhältnis der AfD zu den Medien, die Forderung nach einer Herabsetzung der Strafmündigkeit, die Bagatellisierung des Klimawandels oder das Beschwören deutscher Kultur durch die AfD an. Bei solchen Äußerungen graue es ihr, so die Rednerin.

Während die Redner zustimmenden Applaus erhielten, wurde die Ankunft des baden-württembergischen AfD-Fraktionsvorsitzenden und Bundessprechers seiner Partei, Professor Dr. Jörg Meuthen, mit einem Pfeifkonzert begleitet. Die Polizei hatte den Marktplatz so aufgeteilt, dass die Kundgebung gegenüber des neuen AfD-Büros, abgegrenzt durch eine abgesperrte Freifläche, auf der gegenüberliegenden Seite stattfand.

In der Nacht zum Samstag hatte es auf das AfD-Büro eine Eierattacke gegeben. Die Fassade war mit rohen Eiern beworfen, das Schild mit roter Farbe besprüht worden. "Wir mussten heute morgen schon putzen", so Christina Baum zu diesem Vorfall, den sie als "Unverschämtheit" bezeichnete. Doch in diesem Zusammenhang habe man erfahren, dass der Marktplatz videoüberwacht werde. Sie forderte ein "härteres Durchgreifen gegen gewaltbereite vermummte Gewaltattacken".

Sie sei überrascht, dass es wegen einer Büroeröffnung eine Demonstration gebe, meinte Baum mit Blick auf die Menschenansammlung gegenüber der AfD-Lokalität. Doch selbstverständlich respektiere ihre Partei das Recht auf Versammlungsfreiheit, so Baum, die einschränkend anführte, dass es sich bei der Demonstration jedoch durchaus um einen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit handeln könne. Schließlich, so die Argumentation, sei die Kundgebung bereits beworben worden, bevor sie genehmigt worden sei.

"Wir haben für unser Büro bewusst die Lage im Herzen der Stadt gewählt", so die Landtagsabgeordnete. "Wir wollen bewusst zeigen, wir sind da und wir bleiben da. Wir lassen uns nicht vertreiben." Das Bürgerbüro stelle den Mittelpunkt des Parteilebens dar, wo über die Inhalte des Parteiprogramms informiert werde. Als "Kümmertantenbüro" verstehe sie die Anlaufstelle der AfD. Jeder könne kommen, um mitzuteilen, wo der Schuh drücke. "Wir werden den Sorgen und Wünschen der Bürger nachkommen", versprach Baum.

Klage führte sie über die "bewusst falsche Wiedergabe" von AfD-Politikern in Medien und nannte die Berichterstattung über die Dresdner Höcke-Rede zum "Denkmal der Schande" eine "Hetzkampagne gegen Björn Höcke, um ihn zu beschädigen oder gar zu vernichten." Bezug nahm sie dabei auf eine erste dpa-Meldung, aus der hervorgegangen sei, dass Höcke das Denkmal oder das Gedenken als Schande bezeichnet habe. Aufgrund dieser - später berichtigten - Erstmeldung sprach Baum von "Lügenpresse" und bezichtigte die deutsche Presseagentur "bewusst gelogen" zu haben. Weil sie wisse, dass jedes Wort von AfD-Mitgliedern auf die Goldwaage gelegt werde, arbeite sie ihre Beiträge grundsätzlich aus und lese ab, beschrieb sie aufgrund der unterstellten bewussten Falschberichterstattung ihre Arbeitsweise.

Die schwierigen Zeiten der AfD-Landtagsfraktion bezeichnete sie als "Vergangenheit". "Man nimmt uns wahr, man nimmt uns ernst, wir machen Druck", so ihre Aussage.

Jörg Meuthen unterstützte den "blonden Engel", wie er Baum nannte. Der sei aber nicht so harmlos, wie es den Anschein mache, sondern sei "sehr unbequem" und gelte als "Kartellparteienschreck". Er begrüßte die Eröffnung des Bürgerbüros, denn es sei "ganz, ganz wichtig", dass die AfD zum Anfassen vor Ort präsent sei.

Seine Rede war ein rhetorischer Rundumschlag gegen Regierungs- und Oppositionsparteien und somit ein Vorgeschmack auf den Bundestagswahlkampf. Attestierte er der baden-württembergischen Regierungskoalition eine "grün-schwarze Realitätsverweigerung", warf er der Bundeskanzlerin in seinem selbstgezeichneten "Merkel-Horrorfilm" ein markiges "grenzdebiles Wir schaffen das Dogma" vor. Allein die AfD sei, so Meuthen, "die Partei des gesunden Menschenverstands". Zu der gehöre auch Björn Höcke, obgleich vieles an seiner Dresdner Rede hochkritisch sei. "Aber deshalb ist es grundverkehrt so jemanden aus der Partei auszuschließen."

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