IG Metall Tauberbischofsheim - Erster Bevollmächtigter bezeichnet die Situation in den Betrieben als besorgniserregend und geht davon aus, dass das dicke Ende noch kommt

Etliche Arbeitsplätze sind in Gefahr

Es rappelt im Karton – und zwar gehörig: Durch Corona, strukturelle oder hausgemachte Probleme sowie Transformation sind einige Betriebe in Schieflage. Stellenabbau oder Standortschließungen drohen.

Von 
Harald Fingerhut
Lesedauer: 

Tauberbischofsheim/Odenwald-Tauber. Es rappelt im Karton – und zwar gehörig: Durch Corona, strukturelle oder hausgemachte Probleme sowie Transformation sind einige Betriebe in Schieflage. Stellenabbau oder Standortschließungen drohen.

Tauberbischofsheim/Odenwald-Tauber. „Die Lage ist besorgniserregend, und ich befürchte, dass das dicke Ende erst noch kommen wird“, äußerte sich der neue Erste Bevollmächtigte der IG Metall Tauberbischofsheim, Harald Gans, bei einem Pressegespräch am Donnerstag im Tagungsraum der Stadthalle in Tauberbischofsheim. „Wir befinden uns in einer Weltwirtschaftskrise, die sich gewaschen hat, der tiefsten, die wir in der Nachkriegszeit erlebt haben.“ Er gehe davon aus, dass die Wirtschaft in der Metall- und Holz-Branche das Niveau von vor Corona frühestens Ende 2022 wieder erreichen werde.

Umfrage

Mehrmals durchgeführte Umfragen bei den von der IG Metall Geschäftsstelle in Tauberbischofsheim betreuten Firmen zu den betrieblichen Situationen unterstreichen die Einschätzung des Ersten Bevollmächtigten. 23 Betriebsratsgremien aus den größten und wichtigsten tarifgebundenen Betrieben, von denen 18 spätestens seit Juni in Kurzarbeit sind und zwar mehrheitlich in einem Umfang von 50 Prozent und mehr, nahmen teil.

Das Ergebnis ist ernüchternd: Sechs Firmen gaben an, dass sie in absehbarer Zeit ein Liquiditätsproblem haben werden. Weitere sechs Unternehmen sprachen sogar von einem Insolvenzrisiko in unterschiedlicher Ausprägung. „Die letzte Befragung war Ende Mai. Stand heute ist die Situation nicht besser geworden“, stellte Harald Gans weiter fest. Er befürchtet, dass nach dem 1. Oktober die Insolvenzanträge stark zunehmen werden, da sie aufgrund der Corona-Pandemie bis 30. September geschoben werden dürfen.

Dies, so Gans, zeige, dass auch Betriebe in den Kreisen Main-Tauber und Neckar-Odenwald durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise gebeutelt werden und damit zu kämpfen haben. „Wir müssen leider zunehmend einen Abbruch der Auftragslage verzeichnen“, so der IG-Metaller. Bislang seien häufig noch Aufträge aus der Zeit vor Corona abgearbeitet worden, Folgeaufträge jedoch fehlten. „Das betrifft insbesondere den Maschinenbau und andere Branchen des Anlagenbaus“, erläutert Gans. Hier nennt er vor allem zwei Firmen: Weinig in Tauberbischofsheim und Eirich in Hardheim.

Bei beiden Firmen, so der Erste Bevollmächtigte, sei jedoch nicht das Virus allein daran schuld, dass die Firmen „erkrankten“. Gans: „Hier spielen mehrere Faktoren eine Rolle“.

Weinig und Eirich

Weinig beispielsweise sei ein „Patient der speziellen Art“. Die Probleme des Kehlmaschinenherstellers hätten schon vor der Corona-Krise bestanden und wären durch die Pandemie lediglich verschärft worden. Gans sieht Weinig auch als typisches Beispiel dafür, dass die Therapieansätze der Unternehmensspitze langfristig nicht zur Genesung führen werden und auch nicht nachvollziehbar seien.

„Bei Weinig ist der Abbau von 100 Stellen – und das nahezu oder vielleicht sogar ohne betriebsbedingte Kündigungen – bis Mitte August wohl durch. Gleichzeitig ziehe aber die Auftragslage schon wieder an. Ich weiß nicht, wie Weinig das mit der Restmannschaft bewältigen will“, meint Gans.

Zudem spricht er von einer strategischen Entscheidung, die sich nachteilig für die Produktion auswirken könnte. Die Geschäftsführung habe die Verlagerung des Werks in Freiburg nach Illertissen, die nach Meinung des Gewerkschafters keinen Sinn mache, beschlossen. Das Problematische sei, dass es bei Weinig eine Fertigungskette gebe, an der alle Standorte beteiligt seien. Schließe man nun ein Werk, könnte dies zu Versorgungsengpässen führen, die auch negative Auswirkungen auf die Produktion in Tauberbischofsheim haben werden.

Auch Eirich in Hardheim war schon vor der Corona-Pandemie in Schieflage. „Wir sind schon seit vier Jahren in Gesprächen“, stellt die Gewerkschaftssekräterin Birgit Adam fest und schiebt nach: „Dort sind die Prozesse nicht in Ordnung.“ Die Unternehmensführung versuche deshalb, Tarifstandards wie Urlaubsgeld auszuhebeln und statt dessen Ausschüttungen oder Prämien im Erfolgsfall zu gewähren. „Die Messlatte für den Unternehmenserfolg liegt jedoch so hoch, dass sie weder in den vergangenen Jahren erreicht wurde, noch in den nächsten Jahren erreicht werden kann“, erläutert Adam. Die Belegschaft sei regelrecht „sauer gefahren“, zumal die Einschnitte, also der Verzicht auf Lohn, dauerhaft, zumindest die nächsten fünf Jahre gelten sollen. Gleichzeitig plane Eirich einen massiven Stellenabbau.

Standorte gefährdet

Aber Eirich ist kein Einzelfall, wie Harald Gans ergänzt: „Rightsizing ist das neue Schlagwort der Arbeitgeber. Oder anders ausgedrückt: Zurechtstutzen, Abbau, Strukturen anpassen, nach untern drosseln, Beschäftigung abbauen, Kostenstrukturen und Fixkosten reduzieren und Standorte aufgeben.“ So werde gerade der Werkzeugbau in Walldürn in Frage gestellt. Hier bestehe wohl die strategische Überlegung, das Werk in Walldürn in Zukunft zu schließen. „Davon betroffen sind rund 50 Beschäftigte, die hochflexibel arbeiten, auch mal am Samstag zur Arbeit gehen, wenn es die Auftragslage verlangt“, so Birgit Adam. „Das führt bislang dazu, dass die Produktion in Walldürn Profite abwirft.“

Bereits vor zwei Jahren habe schon einmal die Gefahr bestanden, dass der „Standort unter die Räder kommt“. Das konnte damals noch abgewendet werden und soll auch diesmal klappen. Adam: „Wir müssen den Eigentümer überzeugen, wie wichtig Walldürn für ihn ist.“

Ein weiteres Sorgenkind hinsichtlich des Erhalts des Standorts ist die Firma Herzog in Lauda. Und auch hier sehe man, dass nicht immer Corona die Quelle des Übels ist. „Die amerikanischen Gesellschafter haben die Entwicklungsabteilung zurück in die USA verlegt“, erläutert Birgit Adam den Stand der Dinge. „Dadurch sind zwar lediglich zwei oder drei Arbeitsplätze verloren gegangen, doch die Auswirkungen für die Produktion mit rund 70 Beschäftigten könnten sehr verheerend sein.“ Dadurch, dass die Entwicklung in Lauda stattfand, war auch das Know how am Standort vorhanden, und es war nur logisch, dass die Fertigung ebenfalls in der Eisenbahnerstadt erfolgte. Die Schließung der strategisch wichtigen Abteilung könnte den Standort somit grundsätzlich in Frage stellen.

Weitere Sorgenkinder

Weitere Betriebe in der Liste der Sorgenkinder sind Magna in Assamstadt, Kurtz-Ersa in Wertheim und Wiebelbach sowie Bartec in Bad Mergentheim. Bei Magna wurde schon ein Stellenabbau in Dorfprozelten angekündigt. „Wir sind gerade in Gesprächen, aber das Werk in Assamstadt hat bei der letzten Konsolidierung schon stark geblutet, da muss man sehen, was passiert“, sagt Gewerkschaftssekretär Michael Perner. „Wir können natürlich Assamstadt nicht isoliert betrachten, sondern müssen eine Lösung mit Dorfprozelten zusammen suchen“, ergänzt Harald Gans.

Bei Kurtz-Ersa bereitet den Gewerkschaftern Sorge, dass dort für die Auszubildenden eine eigene Gesellschaft gegründet werden soll. „Der Sinn hat sich uns noch nicht so ganz erschlossen“, meinen die Gewerkschafter von der Geschäftsstelle Tauberbischofsheim.

Bei Bartec liegt die Gemengelage ganz anders. „Wir sind ja an einen Bankenpool verlauft worden, der uns wohl wiederum veräußert hat“, meinte der zweite ehrenamtliche Bevollmächtigte Rainer Seifert. Das Ganze sei sehr undurchsichtig und man wisse nicht, was die derzeitigen Eigentümer vorhaben. „Wichtig ist für Bartec aber, dass der Ölpreis wieder anzieht“, so Seifert. Dies gelte auch für Herzog in Lauda.

Zwei Lichtblicke

Neben diesen doch eher trüben Aussichten konnten Harald Gans und seine Mitstreiter aber auch zwei gute Meldungen verkünden, allerdings von Betrieben aus der Holzbranche. „Bei Ruppel in Lauda und bei Rauch in Freudenberg ist die Talsohle wohl durchschritten.“ Rauch plane sogar rund 100 Neueinstellungen. Ruppel laufe wieder ganz gut. „Dort hat man das Portfolio und das Denken umgestellt“, führt Gans aus. „Die Firma hat sich auf die Sparte Hotelzimmerausstattung erweitert und übernimmt als verlängerte Werkbank auch Aufträge anderer Firmen.“ Die positive Folge sei, dass Ruppel aus der Kurzarbeit ‘raus sei.

Klare Ansage an die Politik

„Die starken Unternehmen werden gestärkt aus der Krise herausgehen, die schwachen noch schwächer oder sie werden sogar untergehen“, kommentierte Harald Gans die Lage. Gleichzeitig forderte er von der Politik klare Regelungen „die uns gemeinsam durch die Krise führen können. Der Erste Bevollmächtigte stellte deshalb klar: „Kien Geld an Unternehmen, die aufgrund von Corona Menschen entlassen und Tarifverträge angreifen, aber viel Unterstützung für Unternehmen, die gemeinsam mit den Beschäftigten durch die Krise gehen und konstruktive Lösungen suchen.“ Die Zeche für einen Therapieplan dürften nicht die Arbeitnehmer zahlen. Die Wirtschaft brauche Zukunftskonzepte und zwar überall dort, wo es i n den Betrieben klemmt.

Schnelle Hilfe wichtig

Und noch ein Faktor sei für die Rückkehr in die Erfolgsspur wichtig. Für angeschlagene Betriebe müsse es auch von den Banken schnelle Entscheidungen geben, damit die Schutzschirme, wie KfW-Darlehen, schnell ausgezahlt werden. Die Gewährung durch die Kreditinstitute dürfe keine langwieriger und für die Unternehmen schwieriger Prozess sein, sondern relativ unbürokratisch erfolgen.

Redaktion Stellvertretender Deskchef

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten