Tauberbischofsheim. Dass mit dem Kabarettisten Matthias Richling einer der seit Jahrzehnten prominentesten Vertreter seiner Zunft im kleinen, natürlich seit langem ausverkauften Engelsaal des Kunstvereins gastierte, kann man hier ruhig als denkwürdiges Ereignis verbuchen. Es war für viele sicher ein besonderer Moment, das seit langem vertraute, allbekannte Gesicht in dieser vertrauten Umgebung zu sehen – diesmal allerdings nicht in einer herkömmlichen Vorstellung, sondern einer „Art von Lesung“ aus seiner jüngsten Buchveröffentlichung mit Bildern und Geschichten aus seiner nun ein halbes Jahrhundert währenden Künstler-Karriere eines bemerkenswerten Multitalents, das sich nicht nur als genialer Komödiant, Parodist, Schauspieler, Sprach- und Sprechvirtuose, sondern auch als Fotograf (er war im Engelsaal vor Jahrzehnten mit einer Ausstellung vertreten) einen Namen gemacht hat.
Über die Marke Richling und all das, was sie ausmacht und von anderen unterscheidet, ist schon viel gesagt und geschrieben worden – es muss hier nicht wiederholt werden. Sicherlich hat auch er seine Vorläufer beziehungsweise Vorbilder, die ihn beeinflusst haben, Werner Finck beispielsweise, wohl auch Dieter Hildebrandt, deren Kunst des sich vieldeutig-eindeutigen Versprechens, einer auf diese Weise die stereotypen Formeln der Politikersprache entlarvenden Metasprache. Die hat er dann mit dem ihm eigenen unwahrscheinlichen Tempo noch weiter zugespitzt und bis in absurde, surreale Gefilde fortgeführt.
Davon bekam man an diesem Abend allerdings nur einige kleine Kostproben zu hören, als der Akteur vor Beginn der eigentlichen Lesung mit der ihm eigenen sanften Tücke einige Randbemerkungen zur aktuellen Berliner Szene, die unbekannten neuen Gesichter auf der Regierungsbank etwa, fallen ließ. Lustigerweise unterlief ihm dabei selbst ein Fauxpas, als er den Namen der neuen Gesundheitsministerin ebenfalls mit abfälliger Attitüde erwähnte, was auf den heiter-empörten Widerspruch des Publikums im Saal stieß.
Matthias Richling – nun auch schon über 70 – ist ein Typ, der sich über Jahre und Jahrzehnte hinweg gar nicht oder kaum verändert. So superschlank und beweglich wie eh und je, mit elegantem Brillengestell und glatten, alterslosen Zügen, in denen das Leben kaum Spuren hinterlassen hat, steht es ihm irgendwie merkwürdig zu Gesicht, wenn er nun – gelegentlich zwar immer noch komödiantisch, aber im Ganzen eher entspannt und besinnlich – dieses Leben und den eigenen Werdegang reflektiert und mit heiteren Anekdoten und Ereignissen aus seiner Kindheit und Jugend im schwäbischen Endersbach aufwartet. Die Mutter spielt darin offenbar eine prägende Rolle, dazu diverse Bekanntschaften und Begegnungen, die ihn berührt haben und im Gedächtnis geblieben sind. Natürlich werden die Schwaben karikiert und einige köstlich lebensnahe Porträts geliefert, so wenn er eine Einladung bei der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin schildert. Zuweilen klingt auch die Einsamkeit an, die dieser Job mit sich bringt, wo man ebenso sehr gefeiert wie permanent missverstanden wird.
Zumeist sind es freilich virtuos präsentierte Allerweltserinnerungen und -betrachtungen, die auch von irgendeinem anderen Künstler oder Schauspieler stammen könnten, der auf Leben und Karriere zurückblickt. Matthias Richling wurde als Spaßmacher mit vielen Masken berühmt, der Mensch dahinter bleibt aber in dieser Lesung merkwürdig unsichtbar, die Tarnung wird beibehalten. Um so dankbarer war das Publikum dann für die Zugabe, wo der Kabarettist nochmal seine legendäre Glanznummer mit der Schwäbin an der Theaterkasse ablieferte.
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