Tauberbischofsheim. In Tauberbischofsheim wurde das Fronleichnamsfest bei teilweise Dauerregen gefeiert. Dekan Thomas Holler feierte deshalb diesen festlichen Gottesdienst nicht wie üblich auf dem Schloßplatz, weil die Blumenteppiche der KJG’s und der Ministranten schon morgens um 6 Uhr gestaltet wurden und ihm die Gesundheit der Gemeindemitglieder wichtiger war. So konnten aber mehrere Blumenteppiche in und an der Stadtkirche St. Martin bewundert werden.
In seiner Predigt ging er auf eine Karikatur zum Thema Fronleichnam ein: da standen zwei Jugendliche am Straßenrand und schauten zu, wie die Fronleichnamsprozession vorbeizog, und einer sagte zum anderen: „Schon cool! Deine Oma bei ner Demo!“ Er habe gelacht, aber sei auch nachdenklich geworden: Auf der einen Seite sei es nämlich schon traurig zu sehen, wie weit das religiöse Grundwissen in unserer Gesellschaft gesunken und wie sehr der Bezug zu christlichem Brauchtum verloren gegangen ist. Was früher jedes Kind gewusst hat, scheint heute nur noch kirchlichen Insidern bekannt zu sein. Und was früher selbstverständlich zur Kultur Europas gehört hat, wirkt heute immer mehr wie ein Fremdkörper im Verlauf der Pfingstferien.
Ahnungslosigkeit
Auf der anderen Seite sei es aber auch zum Lachen, dass gerade die religiöse Ahnungslosigkeit der beiden Jugendlichen zu einer positiven Bewertung geführt hat und dass sie die Prozession problemlos im Rahmen profaner Kategorien einordnen konnten. Vielleicht sei es ja hin und wieder ganz hilfreich, Elemente unseres Glaubens aus einer nichtchristlichen Perspektive zu betrachten und im Kontrast zu weltlichen Parallelen zu erkennen, was sie ausmacht.
„Schon cool! Deine Oma bei ner Demo!“ Angesichts eines solchen Ausspruchs stelle sich die Frage: Was hat denn eine Prozession wie an Fronleichnam mit einer Demonstration gemeinsam und was unterscheidet sie davon? Im Lexikon ist zu lesen: Prozessionen sind religiöse Rituale, bei denen Gläubige in einem geordneten, feierlichen Umzug unterwegs sind, um zu beten und zu singen. Demonstrationen werden definiert als öffentliche Versammlungen, Märsche oder Protestzüge zum Zweck der Meinungsäußerung oder in Verbindung mit einer Kundgebung. Prozessionen sind ein Sinnbild für das wandernde Gottesvolk, das in dieser Welt mit Christus und auf ihn hin unterwegs ist und so dem ewigen Ziel entgegengeht. Demonstrationen werden definiert als Wahrnehmung der Grundrechte auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit, wie sie im deutschen Grundgesetz verankert sind.
Gottes Segen bringen
Deutlich machte Dekan Holler die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Prozessionen und Demonstrationen: unter anderem wollen Prozessionen den Glauben in die Welt hinaustragen, ihn in der Öffentlichkeit bekennen und den Menschen Gottes Segen bringen. Demonstrationen wollen auf wichtige Anliegen oder Probleme aufmerksam machen, ihnen Gehör verschaffen und auf Veränderungen bzw. Verbesserungen hinwirken. Bei Prozessionen wie bei Demonstrationen kommen gemeinschaftliche Überzeugungen zum Tragen und werden nach außen hin deutlich sichtbar zum Ausdruck gebracht. Nicht zufällig haben ja die beiden Begriffe „Monstranz“ und „Demonstration“ den gleichen Ursprung vom lateinischen „monstrare“, das heißt zeigen.
Und manchmal verschwimmen sogar die Unterschiede zwischen Demonstrationen und Prozessionen ein Stück weit, wenn zum Beispiel Demonstranten ihre Forderungen mit einer fast religiösen Inbrunst vorbringen oder Prozessionsteilnehmer ihren Glauben möglichst eindrucksvoll öffentlich präsentieren. „Schon cool! Deine Oma bei ner Demo!“:Dieser Satz steht aber genauso dafür, dass der christliche Glaube auch in einer postchristlichen Gesellschaft Anknüpfungspunkte hat und nach wie vor vermittelt werden kann, nämlich durch den Vergleich mit ähnlichen Phänomenen im weltlichen Bereich und im Kontrast dazu.
Die Fronleichnamsprozession sei eine Art Demonstration, mit der Christen in der Öffentlichkeit für ihren Glauben eintreten und in gewisser Weise demonstrieren wollen: Dass sie im Glauben gemeinsam unterwegs sind und dabei von Christus begleitet und geleitet werden und dass der Glaube „für uns nicht nur im Gotteshaus und im Gottesdienst eine Rolle spielt, sondern überall und dass uns die Kommunion die Kraft gibt, die Herausforderungen des Lebens mit Gottes Hilfe zu bewältigen und dass der Glaube deshalb für uns keine Privatsache ist, die niemand anderen etwas angeht, sondern ein kostbares Geschenk und eine wertvolle Hilfe, die allen zur Verfügung stehen soll und die wir deswegen gerne weitergeben“.
Wandlung in den Herzen
Weiter sagte Dekan Holler „Das Gebet und die Kommunion, das Sprechen mit Gott und die Gemeinschaft mit ihm können auch uns verändern. Die Wandlung auf dem Altar kann auch eine Wandlung in unseren Herzen bewirken. Das muss nicht unbedingt so spektakulär sein, es kann auch unscheinbar und stetig geschehen, so ähnlich, wie sich eine gute und gesunde Ernährung mit der Zeit im körperlichen Wohlbefinden und Leistungsvermögen niederschlägt. In der Kommunion bekommen wir keine körperliche, sondern eine seelische Nahrung und damit die Kraft, Gutes zu tun und dem Bösen zu widerstehen, und die Bereitschaft, Gott und den Menschen mit unseren Mitteln und Möglichkeiten zu dienen. Das geschieht vielleicht schon oft, ohne dass es uns bewusst ist. Denken wir nur an alles, was heute Morgen schon in aller Herrgottsfrühe von Einzelnen und Gruppen unternommen wurde, um den Gottesdienst und die Prozession vorzubereiten. Hätten die zwei Jugendlichen von der Karikatur gesehen, wie viel Zeit, Arbeit und Herzblut da investiert wurde, dann hätten sie sagen können: ,Schon cool! Die tun das alles für Christus!’“
Der abschließende Dank ging an die Jugendlichen der KJG St. Martin und St. Bonifatius, die gemeinschaftlich die Blumenteppiche an und in der Stadtkirche gestaltetet hatten sowie an die Ministranten von St. Martin, die mit ihren Eltern den Blumenteppich vor dem Altar gelegt hatten. Weiter dankte er dem Gemeindeteam, der Kolpingfamilie und vielen weiteren Helferinnen und Helfern, die für das Gelingen beigetragen haben. Musikalisch begleitet wurde der Gottesdienst in bewährter Weise durch die Stadt- und Feuerwehrkapelle unter Leitung von Gustav Endres sowie von Julia Kohler an der Orgel. Ein Dank ging auch an die Helfer vom DRK sowie Feuerwehr und Polizei, die mit ihrem Dienst die Prozession unterstützt hätten. Bk
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